geisterhand schrieb am 27.07.2018:Anderseits habe ich schon Leute erlebt die irgendwas in den Nachrichten (Fernsehen oder Zeitung) abfangen, und dann gleich angst haben und gewisse Sachen vermeiden. Ich kenne jemand der Plätze vermeided wo viele Menschen sind, weil es öfters mal Anschläge gab wie die Nachrichten immer mal wieder berichtet hatten.
Angst, wie begründet oder unbegründet auch immer, ist natürlich ein Bomben-Geschäft.
Medien müssen den Platz zwischen den Anzeigen und Werbesendungen schliesslich mit etwas füllen, was die Menschen dazu bewegt, sich Bild und Super Illu zu kaufen, RTL oder SAT1 zu gucken, Radio Schläfrig-Holzbein oder Radio Slumburg zu hören.
Da ist natürlich nichts besser als Sex & Crime & Action & Angst.
Im Idealfalle ein böser Blick von Mutanten-Lesben aus dem Weltall, der Dackel tötet und Autolack wegätzt, nebenbei Kopfschmerzen, Hodenkrebs und Erkältungssymptome verursacht.
Schon wird das Medium konsumiert, der Anzeigenchef freut sich, Auflage und Quote steigen.
Den Konsumenten gruselt es mehr oder weniger angenehm und er beschliesst, sich zu schützen.
Im Dezember 1999 gabe es bei Rewe (damals Minimal) Y2K-Survival-Kits mit Spirituskocher, Wasserflasche und Tütensuppen. Nach Aussagen des von mir befragten Filialleiters gingen die Dinger zum Preis von rd. 40 DM weg wie geschnitten Brot und waren innerhalb kürzester Zeit ausverkauft.
Als SARS durch die Medien geisterte, kauften die Leute wie blöde Staubschutzmasken aus den Baumärkten, nur weil die Leute in Asien damit herum rannten.
Ich kenne Menschen, die mit "Elektrosmog"-Abschirmung, Schlafzimmer-Entstörung oder Feng Shui (nicht verwechseln mit Hui Buh) ein Vermögen machen.
Als nach Tschernobyl der Fallout zugenommen hatte, schlossen panische Mütter ihre Kinder zu Hause ein, schickten sie nicht zur Schule. Jeder hatte seine Bequerel-Tabellen beim Einkauf in der Hosentasche, rauchte aber munter weiter.
Nach dem 11.9.01 klagten Airlines über massiven Kundenrückgang, und selbst die von der Titanic als Gag gedachten Flugzeugsilhuetten für Hochhausfenster wurden dort angeblich ernsthaft nachgefragt.
Rinderwahn, Schweinepest, Vogelgrippe, Dönergammel - jedes mal bricht ein Fleischmarkt-Segment zusammen.
Auf dem Höhepunkt des BSE-Wahns wurde einem Kindesmord vorgeworfen, wenn man einem Kind Gummibärchen anbot. Wegen der Gelatine, von der doch jeder Wandersagen-Kenner weiss, dass die gar nicht aus toten Rindern, sondern toten Indern gekocht wird.
Ich erinnere mich an Schul-Panik bei Elternversammlungen, als das Gerücht ging, böse Dealer (auswärtiger Herkunft) würden an Schüler Tattoo-Bildchen verschenken, die LSD enthielten. War natürlich Quatsch, aber für Monate zentraler Bestandteil des Dorfklatsches in Schleswig-Holstein.
Ähnlich verhält es sich mit den "Schulbus-Entführern", die, von den östlichen Landeskreisen ausgehend, angeblich schon in ganz Schleswig-Holstein ihr Unwesen treiben. "Osteuropäische" Kinderhändler in Kleinbussen gäben sich als Schulbus aus und würden so Kinder von den Bushaltestellen wegfangen.
Die Liste liesse sich endlos fortsetzen. Natürlich ist Angst ein prima Geschäft: Wachdienste, Alarmanlagen, Glaubensgemeinschaften, Parteien, vom Fahrradschloss-Hersteller bis zum Heimtier-Chipper: Alle verdienen daran.
Muss halt jedes selbst wissen, wovor er wieviel Angst hat. Lieber unabhängiger Schwarzseher, als Panigger der Angstgewinnler.