Emotionale Erpressung: Krankhaft oder einfach nur böse?
22.02.2016 um 19:46
Ich denke, es gibt unterschiedliche Gründe, aus denen Leute andere emotional erpressen. Ursache dürfte aber immer ein gestörtes Selbstwertgefühl sein, dass dann durch die Erpressung und die Macht, die der Erpressende dadurch erlebt bewusst oder unterbewusst kompensiert wird.
Ich bin selbst psychisch erkrankt, habe aber schon früh in meinem Leben hinsichtlich solcher Erpressungen meine Grenzen aufgezeigt bekommen und gelernt, dass ich damit nicht weiter komme. Vor allem dürfte ich das meiner Mutter zu verdanken haben. In meiner Familie war es geradezu Usus, mit Selbstmord zu drohen, wenn man etwas wollte und es nicht sofort bekam. "Es ist Weihnachten, ich bring mich um", "Das Geld ist Mitte des Monats schon knapp, ich bring mich um.". Immer verbunden mit der unausgesprochenen Konsequenz, dass doch bitte schön jemand die Situation zum Positiven wenden soll. Irgendjemand, nur nicht der Sprecher selbst. In den meisten Fällen war meine Mutter die Angesprochene. Mein Vater, ihre Mutter, ihre Schwiegermutter... Ich bin damit groß geworden und natürlich habe ich in der Pubertät auch zu diesem äußerst probaten Mittel gegriffen (den Erfolg ja quasi ständig vor Augen)... und habe mir dann regelrecht ungläubig von meiner Mutter ein "Ja, dann mach doch" anhören dürfen.
Meine Mutter ist dabei mitnichten ein gefühloses Monster, ganz im Gegenteil. Sie hatte es allerdings, verständlicherweise, total satt, ständig die Erfüllungsgehilfin von Erpressern zu werden. Außerdem dürfte sich bei meiner Mutter, die über die Jahre sehr gelitten hat, dennoch aber eine starke Frau geblieben ist, natürlich auch ein Gespür dafür eingeschlichen haben, wann solche Äußerungen ernst gemeint sind und wann es sich nur um Drohungen handelt, denen keine Tat folgen wird.
Ich habe also bereits früh gelernt, dass ich auf der Schiene nicht weiter komme und das hat sich dann für den weiteren Lebensweg eingebrannt. Zum Glück. Okay, ich war in meinem Leben dennoch phasenweise instabil, aber ich versuche grundsätzlich erst einmal alles alleine und mit kühlem Kopf zu regeln, bevor ich um Hilfe rufe. Im Gegenteil, heutzutage wirft mit ausgerechnet meine Mutter hin und wieder vor, dass ich ruhig mal ein bisschen früher um Hilfe rufen könnte, wenn ich es alleine nicht schaffe.
Durch meinen Werdegang habe ich allerdings Erfahrungen mit den unterschiedlichsten psychisch Angeschlagenen Menschen gemacht. Und ja, ich habe ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass vermehrt Menschen, die das Label "Borderline" mit sich rum tragen (manchmal sogar richtig stolz, als wäre die Erkrankung der Goldpokal der psychischen Erkrankungen - da reicht's dann für einfache Depressionen leider nur für den Trostpreis) zu emotionaler Erpressung neigen. Ich glaube aber, dass diese Menschen ihr Verhalten nicht aus bösartiger Absicht an den Tag legen. Die folgen einfach bequemen Mustern, weil es in der Vergangenheit auf diesem Weg einfach zu häufig funktioniert hat. Ich glaube, so schmerzhaft eine Verweigerung am Anfang ist, so lehrreich dürfte sie auf langfristige Sicht sein. Immer mit der Einschränkung, dass Hilfe in echten Notsituationen gegeben sein sollte (da kommt es dann aber vermutlich auch auf das oben erwähnte Gespür an, das hat man nur mit Erfahrung). Ansonsten wandeln sie weiter auf ihren ausgetretenen neurologischen Pfaden und erkennen gar nicht, wie sehr andere unter ihren Äußerungen leiden.
Ob ich persönlich dazu bereit bin, mit diesen Menschen den schmerzhaften Weg zu gehen, hängt aber auch immer von der gemeinsamen Bindung ab. Also, wenn man selbst zu sehr leidet, dann sollte man immer einen Schlussstrich ziehen. Ansonsten macht es für mich einen Unterschied, ob ich da jemanden vor mir habe, zu dem ich eine enge Bindung habe oder ob das nur die Freundin ist, mit der ich so viel zu tun habe, weil wir aufgrund äußerer Umstände soviel zusammen hängen.
Gerade in Zeiten des Internets kann es nämlich durchaus auch passieren, dass man auf so jemanden online trifft. Wenn ich dann merke, dass ich ständig die ganze Nacht wach bin, um virtuell Krisenintervention zu betreiben, mir anhören muss, wie schlecht das Leben der anderen Person doch ist und dass sie ganz verzweifelt wäre, wenn ich jetzt ins Bett gehe (mir fallen ja nur fast die Augen zu und ich lese auch nur noch Bruchteile dessen, was du schreibst, aber das siehst du "glücklicherweise" nicht, wenn du auf den Bildschirm starrst) oder wenn ich Anliegen nur noch in formvollendeten Schnörkeln, die einem wahren Poeten Konkurrenz machen, vortragen kann ("also, nur wenn es dir nichts ausmacht", "ich will dich aber nicht unter Druck setzen", "falls es deine Zeit erlaubt"), dann ist es besser, man lässt den Kontakt so weit wie möglich ruhen. Sowas können selbst die schönen Momente, die es sicherlich trotzdem gibt, nicht aufwiegen.
Allerdings hat mich z.B. auch mein Ex damals regelmäßig emotional erpresst und der war sicherlich kein Borderliner, sondern höchstens Narzisst. Der hatte dann aber tatsächlich auch bösartige Absichten. Ich war depressiv und er hat mir immer mehr Sachen "abgenommen", weil er sich angeblich so viele Sorgen um mich gemacht hat. Außerdem wollte er immer wissen, wo ich mich aufhalte - durch eine Kombination von Sorge und Übernahme alltäglicher Dinge hat er dann beides erreicht. Ich war krank, bin nicht zur Schule, habe aber nur dort angerufen, um mich krank zu melden - warum ich denn nicht auch bei ihm angerufen habe, das würde so nicht gehen, jetzt könne er vor Sorge wieder nächtelang nicht schlafen (warum auch immer, wenn ich nur mit ner Grippe schniefend darnieder liege). Er hätte Angst, dass ich aufgrund meiner Depressionen irgendwas mit meinen Finanzen durcheinander bringe und er dann darunter leiden muss - schwupps, hatte er meine Kontokarte samt PIN und bediente sich fleißig an meinem Konto. Ich bekam zwar eine von seinem Konto, aber da wurde dann mehrmals täglich überprüft, ob ich unerlaubterweise was damit gezahlt hatte. und Taschengeld bekam ich auch. Mit über 20.
Mir ging es zu beginn der Beziehung und trotz bestimmter Schicksalsschläge eigentlich ganz gut - danach war ich ein psychisches Wrack. Kamen auch noch einige andere Dinge dazu. Das war definitiv bösartig und es dauerte lange, bis ich wieder auf dem Damm war. Aber ich habe draus gelernt: Noch mal kommt mir so jemand nicht ins Haus.