Luma30 schrieb:Ich habe nie behauptet, dass man mit rechnen in der Schule ein Genie sein soll...
Es wurde aber immer wieder behauptet, dass man erst im Studium ein Genie sein soll.
Es gibt zuhauf Studenten, die keinen blassen Schimmer von etwas haben.
Ich mag es einfach nicht, wenn sich jmd. höher stellt und einen anderen damit runterdrückt.
Dass du es nicht magst, wenn sich jemand (beabsichtigt oder unbeabsichtigt) höher stellt, war ja schon vorher zu lesen und das kann ich auch verstehen, möchte aber dennoch etwas dazu ergänzen, woher dieses Gefühl rühren könnte.
In meiner allerersten Mathematikvorlesung warnte uns der Prof schon vor, dass wir im Laufe des Studiums teilweise eine gewisse Arroganz entwickeln werden und ich kann auch nicht abstreiten, dass dies bei mir mittlerweile passiert ist. Trotzdem ist das auch in einem gewissen Kontext zu betrachten.
Das Problem ist einfach, dass unser momentanes Schulsystem dem Großteil der Bevölkerung den Bären aufbindet, dass Mathematik nur dazu da wäre, um dieses oder jenes auszurechnen.
Dies wird einem aber im Universitätsbetrieb mehr oder weniger gnadenlos ausgetrieben.
Sicherlich kann wird man von Zeit zu Zeit nochmal etwas mit Zahlen konkret ausrechnen müssen, aber das ist ja nur die praktische Komponente. Dahinter verstecken sich unsagbar viele Konzepte, etliche Begriffe, Zusammenhänge und Beweise, die es zu studieren gilt.
Es ist schon klar, dass nicht jeder Mathematik studieren braucht, aber es ist auch nicht gut zu heißen, wenn man eine Wissenschaft grundlegend falsch erklärt.
Dabei ist eben auch mal zu betonen, dass der größte Teil meiner Prüfungen mündlich stattfindet - im krassen Gegensatz zur Schule, wo Klassenarbeiten ja allesamt schriftlich ablaufen.
Und eben weil diese Prüfungen mündlich ablaufen, merkt man noch einmal, den qualitativen Unterschied zwischen Mathematik und Rechnen, da man plötzlich Zusammenhänge erklären muss, kleine Beweise vorführt und eben einfach nachweisen muss, dass man einfach nur verstanden hat, worüber der Vorlesende die letzten 16 Wochen gesprochen hat.
Dieser konzeptionelle Unterschied ist bei Naturwissenschaftlern sogar noch offensichtlicher.
Es ist nun einmal ein Unterschied, ob man einen physikalischen/chemischen/biologischen Sachverhalt in einer Versuchsreihe experimentell zeigen kann oder ob man allgemein/theoretisch erst einmal formulieren kann, was genau dieser Sachverhalt überhaupt ist, wie oder wodurch er entsteht, etc.
In diesem Konzept ist das Rechnen quasi nur der experimentelle Nachweis, dass die vorab theoretisch formulierte Aussage eben auch in der Praxis hinhaut.
Was würde denn von der Chemie oder Physik übrig bleiben, wenn der gesamte Schulstoff nur noch aus Experimenten besteht und man nur noch lernt, wie man Experimente durchführt, ohne irgendwann mal erklärt zu bekommen, was dahinter steckt oder warum man sie macht?
Da würde man ja auch zurecht fragen, was einem diesem jahrelange Experimentieren mit auf dem Weg gegeben haben soll - aber genau das passiert ja im Schulfach Mathematik.
Dieses Hinter die Kulissen blicken passiert halt einfach viel zu selten oder gar nicht mehr, und deswegen entsteht auch dieses Gefühl, dass man belächelt wird, weil man meint etwas zu kennen, obwohl einen der Schullehrplan nur an der Oberfläche hat kratzen lassen.
Und das ist eben etwas, woran ich mich nicht aufgeilen kann oder worüber ich mich freuen würde. Ich bin stets begeistert, wenn sich mal jemand findet, mit dem ich mich über seine Leidenschaft unterhalten kann, anstatt dass immer sofort abgewunken wird, wenn man das Wort Mathematik erwähnt.
Das Schulfach halte ich zwar für wichtig, aber gleichzeitig wiederhole ich mich, wenn ich mir wünsche, dass der Schulstoff auch mal wieder etwas mehr die mathematischen Konzepte beleuchtet, anstatt die Kurzen mit stumpfen Rumrechnen zu quälen.
Ob die Zahl der Mathehasser dadurch sinken würde, kann ich auch nicht abschätzen, aber wenigstens würde dann dieser Wissenschaftszweig nicht mehr auf ein ganz so verklärte Weise im Hinterkopf behalten.