Bundeskanzleri schrieb:Was habt ihr erlebt?
Die ersten zwei Grundschuljahre habe ich als sehr schön in Erinnerung, dann habe ich die Schule gewechselt, weil ich mit meinen Eltern umgezogen bin. Ab da wurde Schule zur Hölle. Ich und ein anderes Mädchen, das zeitgleich umgezogen ist und neu in die Klasse gekommen ist, wurden von zwei weiteren Mädchen und einem Teil der Jungen der Klasse massiv gemobbt. Bis heute habe ich keine Ahnung warum, aber die Mädchen, die die Anführerinnen dieses Mobs bildeten, hatten sich auf uns eingeschossen. In den Pausen wurde es mitunter sehr hässlich, auf dem Heimweg auch. Wobei ich noch Glück hatte, das andere Mädchen wurde auf dem Heimweg von mehreren der Jungen regelrecht verprügelt.
Meine Eltern haben davon erst relativ spät etwas mitbekommen, weil ich mich geschämt habe und meine Klassenlehrerin, die das Treiben durchaus mitbekommen und zum Teil noch aktiv gefördert hat, der Meinung war, dass wir Kinder das unter uns ausmachen sollten und eine Involvierung der Eltern nicht von Nöten sei. Als ich mich meinen Eltern eher zögerlich mitgeteilt hatte, stand allerdings schon fest, auf welche weiterführende Schule ich gehe: Aufgrund damals mangelnder Alternativen war es die selbe Schule bzw. Klasse wie eine der Anführerinnen.
Auf dem Gymnasium fand dann zwar kein Mobbing mehr innerhalb der Klasse statt, da wir allerdings mit dem Bus vom Dorf in die Stadt pro Strecke fast eine Stunde unterwegs waren und besagtes Mädchen einige Freunde unter den anderen mitfahrenden Kindern hatte, wurde ich fortan zu diesen Gelegenheiten fertig gemacht. Das wiederum habe ich dann nach zwei Jahren nicht mehr ausgehalten und gegenüber meinen Eltern darauf bestanden, nicht nur die Schule, sondern auch den Ort, an dem ich zur Schule gehe, zu wechseln. Weil ich mich immer noch geschämt habe und den wahren Grund nicht angeben wollte, habe ich es ausgenutzt, dass ich auf ein altsprachliches Gymnasium gegangen bin und meine Lateinnote nicht besonders gut war. Ich habe darauf beharrt, dass mir Latein nicht liegt - ironischerweise habe ich die Schule später doch noch mit dem kleinen Latinum abgeschlossen - und auch in Kauf genommen, wegen dieses Schulwechsels die 6. Klasse zu wiederholen, da mir ein Jahr Englisch gefehlt hat.
Bereut habe ich diese Entscheidung nicht. Meine Schulzeit ist dadurch viel angenehmer geworden, als sie an der ursprünglichen Schule wahrscheinlich jemals geworden wäre. Zumal meine alte Klasse ein Jahr später sowieso aufgelöst werden musste, da zu viele weitere Schüler weggewechselt sind und der Rest nicht mehr in den verbliebenen Parallelklassen aufgenommen werden konnte. Wobei ich mich durchaus an den Schock erinnere, als es meine ehemalige Mobberin gewagt hat, mich anzurufen, um sich zu erkundigen, wie mir meine Schule denn so gefällt, weil sie sich aufgrund der Sache auch eine neue suchen musste. Ich weiß nicht, wie ich reagiert hätte, wenn sie sich tatsächlich für mein Gymnasium entschieden hätte und hab das Blaue vom Himmel gelogen, damit sie es nicht tut.
Ich habe mich im weiteren Schulverlauf zwar keinesfalls zum Klassenliebling verwandelt und mich tendenziell immer eher am Rand des Klassengefüges eingefunden, wurde aber nicht mehr gemobbt und hatte meinen kleinen Stamm an Freund:innen, der mir damals auch vollkommen ausgereicht hat.
Bundeskanzleri schrieb:Lieblingsfächer - Hassfächer?
Meine Lieblingsfächer waren Geschichte, Sozialkunde, Deutsch, Englisch und Ethik. Letzteres habe ich leider erst ab der Oberstufe belegt, nachdem ich mich aktiv gegen den weiteren Besuch des Religionsunterrichts entschieden hatte. Gehasst habe ich Mathe, Sport und Physik. Wobei mir heutzutage lustigerweise ständig Dinge aus dem Physikunterricht einfallen, für die ich im Alltag einen praktischen Nutzen erkenne.
Bundeskanzleri schrieb:Lieblingslehrer - Hasslehrer?
Natürlich ist da zum einen meine Grundschullehrerin zu nennen, die zum einen das Mobbing gegen mich mitunter aktiv gefördert hat und die zum anderen Ansichten hatte, die besser in die 60er statt in die 90er gepasst hätten. Wir hatten zum Beispiel statt Stricken und ähnlichem nur Werken, weil in der Klasse deutlich mehr Jungen als Mädchen waren und sie den Jungs den Hauswirtschaftsunterricht nicht zumuten wollte. Nähen ist schließlich Aufgabe der zukünftigen Ehefrau. Wir Mädchen sollten das ganze Zeug von unseren Müttern lernen. Pech, dass mir meine in der Hinsicht nichts beigebracht hat, was heutzutage dazu führt, dass ich erst mal ein Youtubevideo öffne, wann immer ich einen Knopf irgendwo annähen muss.
Zum anderen ist da eine Lehrerin zu nennen, die ich im Laufe der Jahre in Mathe, Sport und am Ende auch in Chemie hatte. Sie mochte mich nicht und hat mich das spüren lassen. Insbesondere in Mathe, einem Fach, in dem ich zusätzliche Unterstützung durchaus nötig gehabt hätte, war es schon auffällig, dass sie ihren Lieblingen im Unterricht, während wir Aufgaben bearbeitet haben, ständig Tipps und Hilfestellungen gegeben hat, während sie sich quasi nie an meinen Tisch verirrt hat, sodass ich die Lösungen in meiner Verzweiflung meistens bei einer Freundin abgeschrieben habe - die Lehrerin konnte ziemlich gehässig reagieren, wenn man drangenommen wurde und dann nichts oder ein falsches Ergebnis vorzuweisen hatte - und dann daheim versucht habe herauszufinden, wie besagte Freundin denn eigentlich auf dieses Ergebnis gekommen ist. Meistens mit wenig Erfolg. Dass ich mein Abi habe, liegt sicherlich nicht an meiner famosen Mathenote, sondern daran, dass ich meinem Bundesland im Abi in keine Matheprüfung gehen musste.
Andererseits habe ich auch einige Lehrer, die mir positiv in Erinnerung geblieben sind. Allen voran meinen Geschichtslehrer in der Oberstufe und meinen Latein-/Ethiklehrer. Da ich in Latein auch eher durchwachsene Noten hatte, ist mir damals zudem deutlich geworden, dass es bei einem guten Lehrer durchaus möglich ist, die eigene Leistung vom Lehrer zu trennen.
Bundeskanzleri schrieb:Habt ihr noch Kontakt zu MitschülerInnen?
Nein, dieser hat sich aus unterschiedlichen Gründen relativ schnell nach dem Abi im Sande verlaufen. Manche ehemaligen Mitschüler begegne ich manchmal in den sozialen Medien, aber eine Interaktion findet da nicht mehr statt.
Bundeskanzleri schrieb:Geht ihr zu Klassentreffen?
Soweit ich mir dessen bewusst bin, gab es ein Klassentreffen, auf das ich aber nicht gegangen bin. Damals ging es mir psychisch sehr schlecht, außerdem hatte ich zum damaligen Zeitpunkt nur ein abgebrochenes Studium und eine gerade abgebrochene Ausbildung vorzuweisen, während andere schon mit dem Studium fertig und beruflich am durchstarten waren. Mit anderen Worten: Ich habe mich mal wieder zu sehr wegen mir selbst geschämt.
Mittlerweile geht es mir besser - psychisch und karrieretechnisch - aber falls noch Klassentreffen stattfinden, hat mich seitdem keine Einladung mehr erreicht.
Bundeskanzleri schrieb:Waren die Noten von damals wichtig und wie wichtig sind sie heute noch?
Wichtig war eigentlich seit jeher eher, dass ich Abi habe, während der tatsächliche Schnitt zweitrangig war. Wobei der tatsächliche "Bonus" vor allem darin bestand, dass ich vor der Erzieherausbildung keine zwei Ausbildungsjahre zur Sozialassistentin absolvieren musste. Da ich die Ausbildung eh nicht abgeschlossen habe, ist das allerdings sowieso lange Geschichte.
Im öffentlichen Dienst, in dem ich mittlerweile arbeite, zählt hingegen nicht, dass ich Abi habe, sondern ob meine Ausbildung im Falle einer Bewerbung zum gesuchten Profil passt. Beziehungsweise würde karrieretechnisch mehr laufen, wenn ich ein abgeschlossenes Studium vorweisen könnte. In dem Bereich, in dem ich arbeite, tangiert mich das allerdings kaum.
Bundeskanzleri schrieb:Und könnt ihr manche Aktionen von Lehrern heute besser verstehen?
Manches, wie das Verhalten meiner Grundschullehrerin, bleibt mir bis heute unverständlich. Bei anderen Dingen sieht es anders aus. Mein Lateinlehrer hat zum Beispiel gerne mal penetrant nachgebohrt, wenn man eine Frage beantwortet hat und dabei selber so klang, als würde man eine Frage stellen. Er hat immer drauf bestanden, dass man eine Antwort so klingen lässt, als wäre man sich absolut sicher, dass sie richtig ist. Das war manchmal schon lästig. Heutzutage weiß ich, dass es ihm wichtig war, uns klar zu machen, dass man mitunter nicht ernst genommen wird, wenn man so klingt, als wäre man nicht einmal selbst von der Richtigkeit der eigenen Aussage überzeugt. Ihm ging es damals vor allem um unsere mündliche Abiprüfung, aber später im Leben siehts ja in der Regel auch nicht anders aus.