@jaska jaska schrieb am 08.11.2020:Ich halte von dem Prozess 2014 bzw. der Qualität der damaligen Beweisaufnahme nicht viel.
Die Ansicht kann ich nicht teilen. Es stellt sich doch die Frage, was das Gericht hier noch hätte tun können, was von weiteren Zeugen noch zu erwarten gewesen wäre. Es ist einfach so, dass das Urteil im ersten Prozess im Wesentlichen auf dem Geständnis von UK beruhte. Dieses Geständnis wurde im ersten Prozess als glaubhaft eingestuft. Im zweiten Prozess musste Kröber nach Bekanntwerden der Tathergangshypothese einräumen, dass er nicht mehr ausschließen kann, dass das Geständnis auch erfunden ist. Das macht die Sache für das Gericht problematisch. Im ersten Prozess konnte man sich noch uneingeschränkt auf das Gutachten berufen. Das ist jetzt nicht mehr möglich gewesen. Hinzu kommt, dass es eben zahlreiche zum Teil divergierende Geständnisse gegeben hat. Ein weiterer Belastungszeuge, der V-Mann PH, hatte seine Aussage zumindest hinsichtlich der Täterschaft des UK widerrufen und der vernehmende Richter sagte dazu aus, dass er den Widerruf für glaubhaft halte. Da die Kammer PH nicht mehr selber vernehmen konnte, war sie auch hier auf die Einschätzung des Richterkollegen angewiesen. Das alles machte es abseits eindeutiger Sachbeweise schwierig, dem Geständnis von UK noch die für eine Verurteilung hinreichende Glaubhaftigkeitsqualität zu attestieren. Konkrete Sachbeweise waren nunmal nicht gegeben. Grüne Fasern im Kofferraum des Vaters, die von einer Decke stammen
können, weil UK in
einer Variante (nicht allen!) eine grüne Decke erwähnte, sind da nicht ausreichend.
Es gilt im deutschen Rechtsstaat nunmal der Grundsatz in dubio pro reo, und insofern finde ich die Entscheidung des Gerichts in jeder Hinsicht nachvollziehbar. Im Übrigen hätte die StA, wenn sie gewollt hätte, auch durchaus darauf bestehen können, die Beweisaufnahme weiterzuverfolgen. Sie hat das nicht getan, weil sie selber wusste, dass die ggf. noch zu präsentierenden Indizien nicht ausreichend sind.
Darüber hinaus und das nur am Rande, ist es für mich nach wie vor nicht nachvollziehbar, warum im ersten Verfahren UK wegen Mordes verurteilt wurde. Die Schilderung des Geschehens durch UK - wenn man sie als wahr zugrunde legt - gibt das mE nicht her. UK hätte schon damals allenfalls wegen fahrlässiger Tötung oder ggf. noch Totschlag verurteilt werden können. Aber das UK beabsichtigte sie zu ersticken, weil er nicht wollte, dass sie über den sexuellen Missbrauch redet, ergibt sich aus dem Geständnis so wie es mir ekannt ist, gerade nicht. Und damit entfällt das entscheidende Mordmerkmal.
jaska schrieb:Wenn ich mal Zeit habe liste ich die ganzen bekannten Geständnisse auf und versuche eine grobe Zeitleiste hinzubekommen.
Ich hatte das für mich auch schon mal in eine grobe Übersicht gepackt. Man könnte diese Aussagen in vier Gruppen einteilen (in chronologischer Reihenfolge):
- Die "Ich hörte Peggy aus ihrer Wohnung um Hilfe schreien"-Aussage war wohl so die erste die UK zu dem Fall tätigte, direkt ggü. der Polizei.
- Die "Peggy war am Tattag bei mir, es gab da noch einen sexuellen Missbrauch, MS war anwesend, MS/UK hat sie erwürgt + MS hat sie verbracht"-Aussagen, die vom V-Mann kolportiert wurden, und zumindest in einer Variante, in der UK sich nicht selbst als Täter bezichtigte, auch einem Pfleger weitergegeben wurden. In diese Aussage wurde der Vatertagsspruch (Brücke Lobenstein) "eingebaut".
- Die "Peggy wurde entführt, lebe noch und befinde sich beim Ullstein-Park"-Aussage, ebenfalls vom V-Mann kolportiert.
- Die "Wollte mich bei Peggy entschuldigen, sie lief weg, fiel hin, schrie, ich erstickte sie mit unzähligen Verbringungsvarianten (MS, NS, Vater wahlweise alleine oder mit UK)"-Aussage (Schlossberg-Aussage). Diese Aussage gibt es auch noch in der Variante des geheimen Mitschnitts, wo dann UK und MS gemeinsam daran beteiligt waren.
Ich habe eine Übersicht mal angehängt. Sie ist nicht vollständig, weil noch weitere Aussagen gegenüber der Polizei (weitere Varianten der Schlossberg-Aussage) fehlen. Und natürlich kennen wir alle die exakten Aussagen nicht, was die Sache unglaublich schwierig macht, selber zu bewerten und nachzuvollziehen. Ich kann jedenfalls schon verstehen, warum ein forensischer Psychologe da zu viele Varianten sieht.
Dateianhang: Aussagen UK zu Peggy.docx (16 KB)