FritzPhantom schrieb:Weitaus wahrscheinlicher würde so eine Verabredung, wenn etwas Geheimes dran wäre, doch an einem anderen Ort stattfinden, wie ein Waldspielplatz, ein Jugendtreff oder irgendeine andere abgelegene Stelle, wo auch immer diese in dem Dorf war.
Das Stichwort "Jugendtreff" finde ich interessant. Heike war Angehörige der geburtenstarken Jahrgänge - nun lebte sie zwar in einer kleinen Gemeinde, aber in damaliger Zeit war man als Kind sehr viel mehr draußen unterwegs als Kinder späterer Zeiten ("Stubenhockerei" bei gutem Wetter war verpönt), und außerdem traf man draußen eigentlich immer auch auf andere Kinder. Es waren ja ihrer so viele.
Ich lebte in Heikes Alter in der Trabantensiedlung einer Großstadt; dort war es eine öffentliche Tischtennisplatte, die Treffpunkt von Kindern ganz unterschiedlichen Alters war, sogar Jugendliche, die schon Mofas hatten (ab 15) traf man dort manches Mal, auch wenn das Gros der Kinder, die sich dort trafen, deutlich jünger war (heutige Schätzung: ab 9 - 10 Jahren aufwärts).
Ich möchte darauf hinaus, dass Heike, falls es in ihrer Ortschaft einen solchen Treffpunkt gab, durchaus auch auf ältere Jungen getroffen sein konnte. Die 70er Jahre waren keineswegs so verträumt und idyllisch, wie es heute manchmal im Rückblick gesehen wird. In Heikes Alter haben wir damals, als Großstadtkinder, durchaus auch mal heimlich geraucht, oder auch vereinzelt Alkohol probiert, und zwar nicht nur, wenn Ältere so etwas mitgebracht haben. Absolute Ausnahmen, Einzelfälle, gewiss. Dass es das auch gab, kann ich allerdings bezeugen.
Wie hier im Thread bereits gesagt wurde, war Petzen verpönt, und die damals noch üblichen Strafen (z.B. Stubenarrest, Schläge) hatten es teils in sich. Andererseits war das nur der Fall, wenn etwas bis zu den Eltern durchdrang - ansonsten war der Freiheitsraum zwischen mittäglichem Schulende und Abendessen, abzüglich eventuell zu erledigender Hausaufgaben, beträchtlich, und der räumliche Aktionsradius riesig.
Insofern spiegelt der XY-Filmfall auch, und in erster Linie, die damalige Erwachsenensicht wieder. Vieles, was sich unter Kindern abspielte, erfuhren die Eltern erst gar nicht.
Ich finde auch das Lebensalter "12" interessant. Es ist schwer in Worte zu fassen, aber ich versuche es einmal so: Ein Mensch mit 12, vor der Pubertät, kann und weiß schon allerhand, ein 12jähriges Kind ist schon geistig und intellektuell sehr weit in dem Sinne, dass es schon fast alles kann, was vergleichbare Erwachsene auch können. Viele Kinder in diesem Alter wirken sehr vernünftig, zuverlässig, verantwortungsbewusst.
Und dann kommt die Pubertät - fast ist man geneigt, anzunehmen, dass die Entwicklung intellektuell rückwärts ginge. Das ist natürlich Unfug, aber die Pubertät verändert manchen Menschen tiefgreifend, es kommt zu allerhand unvernünftigen, und für Erwachsene unverständliche, Denk- und Handlungsweisen.
So, wie der Filmfall Heike beschreibt, war sie ein zuverlässiges 12jähriges Mädchen, das auch in Abwesenheit ihrer Eltern die erwarteten Alltagsroutinen sicher beherrschte und das tat, was man von ihr erwartete. Ein nur unwesentlich älterer Junge dieser Zeit könnte dagegen ein komplett anderes Bild abgegeben haben. Darin mag ein Erklärungsansatz für den Konflikt abgeben, der zu diesem entsetzlichen Exzess führte.
Man müsste wissen, ob es in erreichbarer Nähe einen solchen "Jugendtreffpunkt" gab, wie ich ihn oben beschrieben habe. Ein Bushäuschen, eine Tischtennisplatte, oder ähliches, wo man sich traf.