@Hellvis Der Text ist teilweise von mir...nun,wenn dann die Bullen vor der Türe stehen...oder mit MP im Anschlag vorm Bett...isses keine Überraschung mehr
Kein Tag wie jeder andere...
Es ist schon erstaunlich, wie sehr die Eindrücke derer, die Chaos-Tage am Fernseher erleben, und jener, die direkt dabei waren, voneinander abweichen. Das über die Medien vermittelte Bild dringt derart tief in die Köpfe selbst kritischer Zeitgenossen ein, daß man sich als Teilnehmer von Chaos-Tagen die schlimmsten Vorwürfe anhören muß: Da ist von "sinnloser Zerstörungswut" die Rede, von einem einzigen "Saufgelage stumpfer Idioten". Und ein paar Gutwillige halten Chaos-Tage für eine Demonstration oder ein Konzert, das irgendwann aus den Fugen geraten ist.
Fragt man aber die, die selbst auf Chaos-Tagen waren, lernt man eine ganz andere Perspektive kennen. Eine ganz andere Realität.
Nicht die Schwachsinnsaktionen irgendwelcher Durchgeknallter, die es schon immer fast zwangsläufig zu Chaos-Tagen verschlagen hat, stehen hier nämlich im Vordergund, sondern der wichtige Markstein, zu dem Chaos-Tage im Leben vieler geworden sind.
Chaos-Tage sind etwas Besonderes, Einzigartiges. Man reist nämlich nicht zu einem speziellen, kurzen Ereignis an, das man danach schnell wieder vergißt, sondern LEBT einige Tage in Hannover.
Auf keinem Punk-Konzert, auf keiner Demonstration, in keinem Urlaub lernt man so schnell so viele verschiedene Leute kennen, mit denen man zudem eine extrem intensive Zeit verlebt; zusammen mit Menschen, die man vielleicht nie zuvor gesehen hat, wird das eigene Leben einer radikalen Veränderung unterworfen.
Man hängt ja nicht einfach gemütlich oder gar apathisch in irgendeinem Ghetto rum, abgeschoben und abgeschottet. Stattdessen ist man ständigem Streß ausgesetzt, ein permanenter Adrenalinrausch läßt einen keine Minute zur Ruhe kommen.
Und das nicht mal deswegen, weil eine Straßenschlacht die nächste jagt, weil es überall kracht oder harte Drogen die Sinne durcheinanderwirbeln.
Aber es gibt keinen Stillstand, ständige Veränderungen lassen niemanden zur Ruhe kommen. Andauernd neue Leute aus den merkwürdigsten Orten und Ländern, neue Ansichten, Sympathien, Erotik oder auch Leute, die einen nur nerven oder gar ankotzen.
Die merkwürdigsten und verrücktesten Dinge geschehen; der geklaute Kasten Bier aus dem Supermarkt, mit hundert Leuten auf einem Friedhof übernachten, der BILD-Reporter, der einen beim Pissen fotografiert.
Der Ärger mit der Polizei tut dann sein übriges und schweißt die Leute förmlich zusammen, läßt sie einen Zusammenhalt erleben, den man sonst im Alltag nie kennenlernt.
Wie viele kurze Sex-Abenteuer, aber auch Freundschaften fürs Leben entstehen hier! Wie viele Dinge, die noch lange über Chaos-Tage hinausgehen! Bands haben sich hier gefunden, Kinder wurden gezeugt, und die Aktivitäten der APPD in den Achtzigern und Neunzigern wären ohne Chaos-Tage ebenfalls nicht denkbar gewesen.
Die Chaos-Tage 1984 lösten durch die Zerstörung eines Hannoveraner Jugendzentrums einen Schock aus, der eine Distanzierung vieler Punks von der eigenen Szene zur Folge hatte und schließlich im Hardcore mündete.
Aber Chaos-Tage waren auch zehn Jahre später die Initialzündung für einen neuen Start, denn hier wurde klargemacht, daß Punk die alte Kraft noch lange nicht verloren hat.
Es geht also bei Chaos-Tagen gar nicht mal in erster Linie darum, die Welt um sich herum zu verändern. Es geht um das eigene Erleben, darum, daß man selbst durch Chaos-Tage verändert wird. Einfach ein Stück der Kraft, die man hier gewonnen hat, mit nach Hause nehmen
Denn Chaos-Tage sind ein Ereignis, bei dem zumindest die Partygäste selbstbestimmt die Regeln festlegen, wie sie diese Zeit verbringen wollen, und diese Möglichkeit ist einzigartig in einer Zeit, in der die Gesetze wirtschaftlicher Zweckmäßigkeit auch die letzte Scheiß-Veranstaltung fest im Griff haben.
Es gibt niemanden, der jemals bei Chaos-Tagen war, für den sie nicht auf die eine oder andere Weise einen Einschnitt im Leben gewesen wären. Vielleicht, weil man sonst nie eine so einzigartige Gelegenheit hatte, zusammen mit so vielen anderen den eigenen Lebensstil im Kampf mit der Staatsmacht zu verteidigen, vielleicht aber auch nur, weil man danach endgültig von der Sauferei die Nase voll hat...
WENN DER STROM AUSGEHT, WIRD'S ERST RICHTIG LUSTIG...!
Punk ist Masse, keine Bewegung. Punk ist der Dreck, den man zu gerne unter den Teppich kehren würde. Punk ist nicht die Musik, die man produzieren und verkaufen und kaufen kann, die nach einiger Zeit ein schales Gefühl zurückläßt.
Ereignisse wie die Chaostage lassen sich nicht kaufen, weil sie sich nicht in eine Form pressen lassen. An den Chaostagen sieht man: Wir sind immer noch da, auch wenn ihr uns nicht haben wollt, wir scheißen auf euer "Nein!", sagen es trotzdem, genau aus diesem Grund.
Die Chaostage sind eine Demonstration ohne Route und je beschissener es aussieht, desto mehr kommen.
Man kann nicht zu den Chaostagen gehen ohne irgendwie verändert zur¸ckzukommen: Der, der gerade erst anfängt, bekommt einen Eindruck von dem was möglich ist, diejenigen, die schon lange dabei sind, sehen daß auch wenn es düster aussieht, Punk noch nicht tot ist.
Wenn der Strom ausgeht, dann ist was los, dann wird es erst richtig lustig!