Tussinelda schrieb:und man sollte fähig sein zu akzeptieren, dass dies IHRE Realität ist, dass ist was sie sehen, hören, fühlen, erleben. Da kann man nicht hingehen und sagen, naja, DU siehst das zwar so, ist aber nicht so. Man kann niemandem sein Erleben, seine Empfindungen absprechen oder diese kleinreden. Oder ständig relativieren, indem man alles nicht nur hinterfragt, sondern infrage stellt.
Rassismus enthält neben einer Diskriminierung auch ein Motiv. Und ob dieses Motiv richtig oder falsch eingeschätzt wurde darf hinterfragt werden, insbesondere, wenn Dinge beklagt werden, die auch dem Rest der Bevölkerung immer wieder passieren. Dann muss man schon fragen, ob es hier ein allgemeines Problem (Schmerzen von Patienten werden heruntergespielt) oder rassistisches Problem (Schmerzen von schwarzen Patienten werden aufgrund ihres Schwarzseins heruntergespielt) ist. Das ist dann nämlich für die Bekämpfung des Problems recht wichtig.
shionoro schrieb:Nein, es ist unsinnig, weil es gängiges wissenschaftliche praxis ist und du ein laie bist, der das überhaupt nicht beurteilen kann. Man kann nicht eine einzelne studie dafür kritisieren, dass sie sich der gängigen mittel der soziologie bedient.
shionoro schrieb:Also: "Onlineumfragen werden in der wissenschaft ganz selbstverständlich von Experten in Studien genutzt, um daraus rückschlüsse zu schließen" richtig oder falsch?
Naja, man kann auch gängige Verfahren gut oder schlecht machen. Bei der Datenerhebung wurde folgendermaßen vorgegangen:
Der Zugang zur
Online-Befragung erfolgte für die Teilnehmenden per
Selbstidentifikation über eine Registrierung mit ihrer
Mailadresse auf der Projektwebseite (www.afrozen -
sus.de).7
Quelle: Afrozensus, S 57
Auf der nächsten Seite erfolgt dann die Erklärung der Selbstidentifikation:
7 Zu Beginn der Befragung erschien folgender Hinweis: „Der Fragebogen richtet sich an Schwarze, afrikanische und afrodia-
sporische Menschen in Deutschland. Also Menschen, die familiäre Beziehungen zu Afrika haben, weil sie selbst oder eine*r
ihrer Vorfahr*innen – egal in welcher Generation – Afrika freiwillig oder unfreiwillig verlassen haben. Neben Menschen, die
selbst aus z. B. Togo eingewandert sind, zählen dazu beispielsweise auch afrodiasporische Bevölkerungsgruppen aus Brasi -
lien, USA, Kanada, Karibik, Türkei, Irak und viele mehr. Trifft dies auf Sie zu?”
Quelle: S 58
Ich würde mal die online-Selbstidentifikation zur Freischaltung einer Händy-SIM-Karte als das professionelle Ende der Skala möglicher Selbstidentifikationen machen. Das unprofessionelle Ende wäre dann die Altersüberprüfung am Eingang von diversen Pornoseiten, welche ja von bösen Zungen als möglicherweise "leicht zu manipulieren" eingestuft wird. Und wo auf so einer Skala wäre die Datenerhebung des Afrozensus anzusiedeln?
shionoro schrieb:Was ich auffällig finde: Ich habe das gefühl, man glaubt lieber, dass bei einer studie irgendwie getrickst, falsch gearbeitet oder sogar von den teilnehmern gelogen wird, als zu glauben, dass gut 80% der Schwarzen in D Diskriminierungserfahrungen machen.
Es gibt im Afrozensus viele Beispiele, die ich sehr glaubhaft finde, andere habe ich so hanebüchen gefunden, dass ich sie nicht glauben konnte, z.B. das ungefragte in-die-Haare-fassen (Danke
@Tussinelda, dass ich da eines besseren belehrt wurde). Dann gibt es aber Erfahrungen - eben z.B. die Sache mit "ich werde beim Arzt nicht ernst genommen", das sind sicher Erfahrungen, die die Teilnehmer berichtet haben und die es gibt. Die Frage ist dann aber, ist das dem Rassismus überhaupt zuzuordnen? Oder haben wir ein generelles Problem mit unseren Ärzten?
Dann gibt es noch die Erfahrungen bei denen ich persönlich denke, dass die berichtenden Teilnehmer - zumindest aus meiner Wahrnehmung heraus - überempfindlich reagieren. Die Frage nach der Herkunft z.B. empfinde ich als durchaus übliches Smalltalk-Thema. Jetzt lerne ich, dass ich über dieses Thema mit allen, aber niemals mit einem Schwarzen reden kann. Warum? Ich finde, da muss man schon etwas mehr differenzieren, ob ich ein echtes Interesse an meinem Gegenüber und seiner Herkunft habe, oder ob ich ihm mit der Frage (insbesondere mit der Rückfrage "und woher kommst du ursprünglich?" - die sollte man sich natürlich verkneifen) suggerieren möchte "also von hier kommst du schon mal nicht!". Ich für meinen Teil würde mich mit Fragen zur Herkunft zurückhalten, einfach weil ich gelernt habe, dass das von Betroffenen als rassistisch aufgefasst werden kann. Verstehen tue ich es aber (noch) nicht...