Handlungszwang/Der Kampf gegen den Verstand
08.07.2005 um 23:50
WIE ENTSTEHEN ZWÄNGE?
Die Konfrontation mit Regeln und Verboten
Ungefähr zwischen dem 2. und dem 4. Lebensjahr wird das Kind meist zum ersten Mal mit Regeln und Verboten konfrontiert. Es kommt zu ersten Konflikten mit seiner Umwelt, da nun Differenzen zwischen den eigenen Wünschen und Bedürfnissen und denen der Erzieher auftreten. Das Kind hat nun ein Alter erreicht, in dem man bereits etwas von ihm fordern kann, und das Kind stellt der Welt seine eigenen Forderungen entgegen. Dazu kommt, daß das Kind seine Wünsche nun mehr und mehr sprachlich zum Ausdruck bringen kann. Nachdem es bis dahin in völliger Abhängigkeit von der Bezugsperson gelebt hat, erlebt es nun eine Phase der Ablösung verbunden mit einer wachsenden Neigung zur Selbständigkeit.
Auf diese Weise entstehen immer mehr Situationen, in denen das Kind mit seiner Umwelt in Konflikt geraten kann. In dieser Zeit etwa des 2. - 4. Lebensjahres wird im ersten Ansatz das Schicksal seines Erkundungstriebes sowie seiner aggressiven Triebe bestimmt. Außerdem wird in dieser Phase entscheidend die Ausformung des eigenen Willens beeinflußt. Die Verhaltensweisen, die das Kind in dieser Phase lernt, werden zu Verhaltensmodellen für die weitere Entfaltung der Persönlichkeit (Riemann, 1997).
Mögliche Ursache für Zwangsstörungen
Es geht in dieser Phase nicht um die Tatsache, daß Regeln und Verbote an das Kind herangetragen werden, sondern um das "WIE". Denn hier entsteht ein tiefe Grundlage dafür, ob ein Mensch später ein gesundes Selbstbewußtsein und einen eigenen Willen besitzt oder er sich trotzig gegen Autoritäten auflehnt, sich gefügig anpaßt und damit bereits Ansätze zu einer späteren zwanghaften Persönlichkeitsstruktur erwirbt. In diesem Zusammenhang ist wichtig zu bemerken, daß Ersteindrücke und Ersterfahrungen besonders dann eine prägende Wirkung haben, wenn sie sich auf etwas beziehen was neu gelernt werden muß, d.h. auf etwas, das mit einem fälligen Entwicklungsschritt zusammenhängt.
Bei Personen, die an einer Zwangsstörung leiden, zeigt sich mit großer Regelmäßigkeit, daß sie zu früh in ihrer Kindheit starren Regeln unterworfen waren. Das Kind darf Dinge nur auf eine bestimmte Weise tun. Abweichungen werden geahndet und als "böse sein" erlebt. Das Kind versucht nun starr, die gegebenen Regeln zu befolgen, aus Angst, die Ablehnung der Umwelt auf sich zu ziehen. Diese starren Regeln hindern das Kind daran, die eigenen Impulse ausleben zu können. Dadurch wird die Möglichkeit unterdrückt, daß das Kind Verhaltensweisen erlernt, die zu größerer Eigenständigkeit und Unabhängigkeit verhelfen.
Reicht aber nicht einmal mehr die strikte Einhaltung der elterlichen Regeln dafür aus, um die eigene Angst vor Ablehnung zu kontrollieren, kommt es zur Entwicklung von Zwangssymptomen und Zwangshandlungen. Ursprünglich haben sie die Funktion die Angst zu kontrollieren, machen sich aber allmählich selbständig und werden zu einem inneren "Müssen" (Zwang). Selbst wenn die betroffene Person diese Rituale als sinnlos empfindet, ist es ihr trotzdem nicht möglich, diese zu unterlassen. Immer wenn die betroffene Person versucht, diesen Zwang zu unterbrechen oder aufzulösen, werden die Ängste, die damit vermeintlich kontrolliert werden, frei.
Schematisch kann man sagen, daß die Stärke der Zwänge davon abhängt, wie das Verhältnis von eigenen Bedürfnissen und Angst vor Strafe in der Kindheit ausgefallen ist.
Die Funktion von Zwängen
Die Zwangsstörung läßt sich als eine Form der Konfliktbewältigung sehen: Bei der Zwangssymptomatik handelt es sich darum, daß Themen wie Aggression, Zerstörung, Chaos, Willkür und Triebe durch die Bildung der Symptome aufgefangen werden sollen. Die Zwangsstörung stellt die personifizierte, zum Charakter gewordene Abwehr dieser Konfliktthemen dar. Alle Ansätze von Chaos und Willkür sind in Ordnungen und Prinzipienhaftigkeit gebändigt. Triebhafte Impulse sollen durch Sauberkeit, Vernünftigkeit, Sparsamkeit kontrolliert werden. Durch die strikte Planung und Sachlichkeit ist jegliche Spontanität unterbunden. Die aggressiven und "egoistischen" Tendenzen werden durch ethische Ansprüche und "selbstlose" Haltungen in das Gegenteil gewandelt. Diese starre Persönlichkeitsstruktur versucht eine umfassende Kontrolle über die eigene Psyche und die zwischenmenschlichen Beziehungen zu schaffen (Rudolf, 1996).
Doch es können auch enttäuschende Erfahrungen sein, die Personen mit einem schwachen Selbst und starker Sehnsucht nach engen Bindungen mit Hilfe zwanghafter Mittel versuchen zu bewältigen und durch die sie versuchen, weitere enttäuschende Erfahrungen zu vermeiden (z.B. kann die Angst vor dem Verlassenwerden durch zwanghafte Handlungen gebunden werden). In diesen Fällen ist nicht der Inhalt des Konfliktes typisch für eine Zwangsstörung, sondern die Art der Konfliktbewältigung.
Zwänge und Chaos
Fördernd für die Ausbildung zwanghafter Züge kann auch sein, wenn ein Kind in einem chaotischen Umfeld aufwächst, das ihm keine Orientierungspunkte bietet. Es hat keinen Halt und erlebt die Freiheit als beängstigend, da alle Möglichkeiten der Willkür offen sind. So sucht es nach einem inneren Halt, da es in seiner Umwelt keinen findet. Das Kind versucht, aus sich heraus Ordnungen und feste Grundsätze zu entwickeln, an die es sich halten kann und die ihm Sicherheit geben. Da sie durch die Umwelt wiederholt gefährdet werden, nehmen sie immer zwanghaftere Formen an.
ZWÄNGE UND ZWEIFEL
Zweifel spielen für zwanghafte Persönlichkeiten in vielen Variationen eine Rolle. Zuallererst sind sie ein Schutz davor, sich zu etwas hinreißen zu lassen, das man eventuell hinterher bereuen könnte. Zweifel können sich immer mehr verselbständigen und zu einem Ersatz für das wirkliche aktive Tun werden. Durch dieses Zweifeln entsteht auch die charakteristische Eigenschaft von zwanghaften Menschen, zu zögern und unentschlossen zu sein.
THERAPIE
Behandlung von Zwangsverhalten:
Lange galten Zwangsstörungen als schwer zu behandeln. Inzwischen erzielt man v.a. gute Erfolge mit verhaltenstherapeutischen Mitteln, die gelegentlich mit Medikamenten unterstützt werden. Die für die Therapie gewählten Methoden bei Zwangsverhalten (Zwangshandlungen) sind Verfahren der Konfrontation und Reaktionsverhinderung. Diese sollen den Zirkel von Angst und Vermeidung durchbrechen: Der Patient wird mit der Situation, welche die Zwangsrituale auslöst, konfrontiert. In Absprache und mit der Zustimmung des Patienten wird verhindert, daß das Zwangsverhalten ausgeführt werden kann. Zunächst führt das zu einem Anstieg, aber dann zu einem Nachlassen der Angst. Außerdem soll es zu einem Anstieg des subjektiven Erlebens von Kompetenz im Umgang mit dem Problem führen. Doch wenn das Zwangsverhalten eine stabilisierende Funktion hat, muß das bei der Therpieplanung beachtet werden, denn eine Konfrontation stellt in diesem Fall das falsche Mittel dar.
Behandlung von Zwangsgedanken:
Da Zwangsgedanken sich der Beobachtung von außen entziehen, gestaltet sich die Behandlung häufig schwieriger. Eine Konfrontation durch wiederholtes Durchgehen der vermiedenen Gedanken und Vorstellungen kann ein angemessenes Vorgehen sein, um eine Gewöhnung bzw. Reaktionsverhinderung zu erreichen.
Nach einer solchen, die schlimmsten Symptome lindernden Verhaltenstherapie, ist es oft angeraten, eine "tiefer gehende", mehr die ursächlichen Zusammenhänge und Bedeutungen berücksichtigende tiefenpsychologische Behandlung anzuschließen. Insofern ist eine Therapie wünschenswert, in der der Therapeut bzw. die Therapeutin beide Aspekte mit in die Behandlung integrieren können
viele Grüße von google
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Du kannst vor dem davonlaufen, was hinter dir her ist, aber was in dir ist, das holt dich ein.
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sei stehts auf Zack (OvO gewidmet)