Blaubeeren schrieb:Da nehme ich mal an, dass dann alle in dem Urteil erwähnten Personen ihr Einverständnis geben müssten, weil da ja u.a. personenbezogene Daten enthalten sind oder?
Dieses Einverständnis braucht es nicht, wenn alle, aber auch wirkliche alle Namen (einschließlich der von Verteidiger, Richtern/Schöffen, Staatsanwälten, natürlich auch aller Zeugen, ggf. Firmennamen) und Ortsangaben so anonymisiert sind, dass sie keine Identifizierung ermöglichen. Dann kann jeder, der ein Urteil eines Amts- oder Landgerichts hat, das ihn betrifft, dieses an andere weitergeben.
Es gab in einem anderen Thread schon mal eine Diskussion darüber, ob jeder Bürger gegen Gerichte einen Anspruch auf Überlassung so einer anonymisierten Fassung hat, falls das Urteil nicht veröffentlicht wurde.. Die Zivilsenate des BGH meinen seit kurzem, dass so ein Anspruch bestehe, die Strafsenate lehnen das - bisher - ab.
Verständlich ist die Ablehnung, denn der Output an Urteilen ist naturgemäß bei Amts- und Landgerichten am höchsten, entsprechend häufiger fällt auch Anonymisierungsarbeit an, wofür aber kein Personal da ist. Bisher wurde noch keine Software entwickelt, die so etwas perfekt erledigt, da rutscht immer etwas durch, und alles muss noch mal korrekturgelesen werden.
Dort, wo der wenigste Ausstoß an Entscheidungen anfällt, nämlich beim BGH und beim Bundesverfassungsgericht, ist die Lage deutlich entspannter. Dort gibt es etliche wissenschaftliche Hilfskräfte, die unter anderem auch die Anonymisierung überwachen.
kätzchen4 schrieb:Die problematische Zeugin und ihr Sohn wurden im WAV gar nicht mehr gehört, weil vorzeitig die Beweisaufnahme beendet wurde.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass alle einschließlich der StA mehr oder weniger durch dieses Verfahren „gerast“ sind. Es sieht so aus, als seien StA, Verteidiger und Angeklagter damals nach § 245 Abs. 1 Satz 2 StPO damit einverstanden gewesen, dass manche Zeugen erst gar nicht vernommen wurden. So war man dann natürlich recht schnell mit der Beweisaufnahme fertig.
§ 245
Umfang der Beweisaufnahme; präsente Beweismittel
(1) Die Beweisaufnahme ist auf alle vom Gericht vorgeladenen und auch erschienenen Zeugen und Sachverständigen sowie auf die sonstigen nach § 214 Abs. 4 vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft herbeigeschafften Beweismittel zu erstrecken, es sei denn, daß die Beweiserhebung unzulässig ist. Von der Erhebung einzelner Beweise kann abgesehen werden, wenn die Staatsanwaltschaft, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind.