kegelschnitt schrieb:Mit diesem Extrembeispiel möchte ich klar machen, dass die Absenz von entlastenden Indizien nicht zwangsläufig belastend ist. Wenn du das anders siehst, finde ich das persönlich eher erschreckend.
Nein, ich sehe das absolut genauso wie Du.
Aber jetzt sind wir wieder bei der Diskussion, wie sehr man Glückspilz oder Pechvogel sein muss, um mit dieser Indizienlast auf der Anklagebank zu landen.
Es gab doch 26 priorisierte Personen, die alle entweder so viel Glück hatten, dass man bei der Ermittlung etwas entlastendes zu ihren Gunsten gefunden hat (z.B. durch ein Alibi durch eine andere Person, durch die Aufname einer Ü-Kamera, durch ein einloggen zu Hause, was ein Zeitfenster für die Tat zu klein macht etc.) oder zu denen sich während der Ermittlungen eben keine weiteren Indizien ergeben haben, die auf einen Tatbeteiligung deuten.
Für sich genommen reicht es natürlich nicht, dass man z.B. in der Nacht Gast im Eiskeller war und zur etwa gleichen Zeit wie Hanna den Club verlassen hat oder dann man nachts zwischen 2.00 Uhr und 2:45 Uhr durch Aschau gejoggt ist.
Es müssen halt schon ganz viele unglückliche Zufälle zusammenkommen, damit so viele einzelne kleine Indizien auf S.T. als Täter zeigen.
Beispiel: die Krankschreibung. Hätte die Hausärztin gesagt, S.T. sei am 4.10. mit schweren Erkältungssymptomen zu ihr gekommen und habe gesagt, er sei in der Nacht zum 3. nachts bei Regen joggen gewesen, wobei er sich wohl heftig verkühlt habe, würde doch keiner der Krankschreibung für den 4. und 5. als Indiz werten.
Als Indiz, dass er joggen war, klar, aber das ist eh unbestritten. Aber man könnte darin kein Nachtatverhalten sehen.
Beispiel: der Abstecher in die Kampenwandstraße mit völlig abstruser Begründung. Das ist erst mal verdächtig, aber hätte der Kumpel ausgesagt, dass sie sich da schon öfter zufällig mitten in der Nacht getroffen haben und sie dann immer noch ein paar Minuten gequatscht haben, wäre das entlastend gewesen.
Beispiel: der CoC-Log-Stempel und die Mutter, die den Jogger meldete. Mittlerweile wird hier ja sogar vermutet, dass die Mutter da am CoC-Spielen gewesen sein könnte, also noch wach war und deshalb mitbekommen hat, dass der Sohn in der Nacht joggen war, weshalb sie 1 und 1 zusammenrechnen konnte und wusste, dass er der gesuchter Jogger-Zeuge ist. Hätte sie ausgesagt, dass sie auf die Uhr geschaut hat, als sie die Tür gehört hat und das sei um 2:31 Uhr gewesen, danach habe sie gehört, dass S.T. noch kurz geduscht habe, und dann müsse er wohl ins Bett gegangen sein, wäre das absolut entlastend gewesen.
Natürlich beweist die Tatsache, dass nichts entlastendes aufgetaucht ist, absolut nicht, dass S.T. der Täter ist. Aber am Ende zählt halt die Gesamtschau der Indizien und das ist nichts anderes als die Frage: "Kann man all diese Indizien, die auf S.T. zeigen, zusammen genommen noch als Zufall sehen?"
Es ist aber auch unfair, dass mit der Frage: "Kannst Du beweisen, dass Du im Laufe Deines Lebens noch keinen Mord begangen hast?" zu vergleichen. Natürlich kann ich das nicht und du auch nicht. Aber der Lauf meines Lebens ist auch lang, es gibt extrem viele Momente, in denen ich den Mord begangen haben könnte.
Im Fall Hanna geht es aber um eine einzige Nacht, genauer gesagt nicht mal um eine einzige Stunde und um eine einzige Tat, also nicht um theoretisch zahlreiche Tatgeschehen, die ja im Laufe meines Lebens geschehen sein können.
Die blöden Zufälle fangen eben schon damit an, dass S.T. zu der Uhrzeit zumindest im etwas erweiterten Umfeld des Tatortes joggen war. Dass er am Eiskeller um 2:26 Uhr und nicht um 2:31 Uhr gesehen wurde, denn das wäre ja ein Alibi gewesen. Dass er am nächsten und übernächsten Tag am Eiskeller spazieren gehen wollte, und dass obwohl er an dem Tag ja krank geschrieben war.
Für mich ist die Tatsache, dass sich nichts entlastendes ergeben hat, eben eins von vielen Indizien, die auf S.T. hindeuten. Für sich alleine genommen völlig ohne Gewicht und irgendwelche Beweiskraft. Aber in der Gesamtschau eben durchaus beachtenswert.