Millennial schrieb:Das ist ein Zitat aus dem Bericht vom 11.1. Hieraus wird ersichtlich, dass die Verteidigerin zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle Akten zur Verfügung hatte ("Alles was hier ist, kann sie haben"). Ihr wurden also nur ausgewählte Teile der Akten zur Verfügung gestellt und es wurde vom Gericht eine Entscheidung getroffen was wichtig ist und was nicht wichtig ist.
Das hast Du falsch verstanden.
Frau Rick "stöberte" den Schriftverkehr in den Prozessakten auf. Dass sind die Akten, die bei Gericht geführt werden und in denen es um den Prozess geht.
In dem Antrag, um den es in dem von Dir zitierten Bericht von
@fassbinder1925 geht, geht es aber um Ermittlungsakten. Die werden von der Polizei geführt und enthalten alle Informationen rund um die Ermittlungen in einem bestimmten Fall. Diese Ermittlungsakten enthalten Unterakten, z.B. wird für jede Spur, die im Rahmen der Ermittlung angelegt wird, eine Spurakte angelegt, in die Spur an sich, die daraufhin eingeleiteten Ermittlungen und die aus diesen gewonnenen Erkenntnisse protokolliert werden. Oder z.B. Personenakten. Im vorliegenden Fall ist es z.B. wahrscheinlich dass die Ermittler für jeder der "26 Personen von besonderem Interesse" eine eigene Personenakte angelegt haben.
Die Ermittlungsakten sind natürlich nicht Bestandteil der Prozessakte und werden auch den Prozessparteien nicht zur Verfügung gestellt. Sonst würde die Prozessakte in einem Fall wie diesem, der schon recht umfangreich ist, nicht 20.000 Seite dick, sondern leicht 200.000 Seiten.
In den Ermittlungsakten steht z.B. eben auch viel drin, was vertraulich ist und weder die Verteidiger, noch den Angeklagten oder die Nebenklägerseite etwas angeht. Wenn z.B. Dein Auto aus Deiner Ausfahrt gestohlen wird und Dein Nachbar bei der Polizei als Alibi angibt, er seit zur Tatzeit im Bordell gewesen oder habe sich mit seiner Geliebten getroffen, die Deine Ehefrau ist, dann hat Dein Nachbar durchaus einen Grund, das der Polizei zu berichten, muss sich aber drauf verlassen können, dass diese das Dir nicht im Detail mitteilt.
Die Verteidiger können Anträge stellen, um Einsicht in bestimmte Teile der Ermittlungsakten zu nehmen, wenn sie meinen, dass das für die Verteidigung notwendig ist. Das müssen sie aber begründen und sie müssen auch genau benennen, welchen Teil der Akten sie einsehen wollen.
Das hat Frau Rick hier getan, sie wollte offenbar Einsicht in eine Lister der während der Ermittlungen festgestellten Asservate nehmen. Keine Ahnung worum es da konkret ging, aber das könnten z.B. am Tatort gefundenen Gegenstände von Hanna sein oder die bei der Hausdurchsuchung beim Angeklagten sichergestellten Gegenstände.
Millennial schrieb:Meinst Du das Gericht, das möglicherweise sechs Wochen gepokert hat, bis es die Akte an die Verteidiger gegeben hat? Oder die Verteidiger, die möglicherweise sechs Wochen mit dem Antrag gewartet haben? Soweit ich weiss, wissen wir gar nicht, wann die Akte einging und ob überhaupt jemand gepokert hat.
Nein, ich habe mich mit dem Satz zu dem Pokerspiel auf diese Vermutung von Dir bezogen, nach der Du meintest, dass es aus Sicht der Verteidigung Sinn macht, einen Befangenheitsantrag möglichst spät zu stellen, um die Stimmung im Gerichtssaal nicht noch mehr zu versäuern:
Millennial schrieb:Zudem kennen wir auch nicht den genauen Zeitpunkt, zu dem die Verteidigung die Unterlage erhalten hat. Aus Sicht der Verteidigung macht es ja Sinn, den Befangenheitsantrag spät zu stellen, da er die ohnehin schon schlechte Stimmung im Gerichtssaal weiter verschlechtert.
Nein, es macht keinen Sinn, sich erst noch weitere Prozesstage (dann aber mit besserer Stimmung im Saal) anzutun, und einen Befangenheitsantrag möglichst spät zustellen.