Andante schrieb:Es wäre schon sehr interessant, was G durch seine Verteidiger auf diese Fragen hat antworten lassen.
Leider kann ich dazu nichts berichten. Am ersten Prozesstag wurden diese Fragen lediglich gestellt und von der Verteidigung zur Vorbereitung mitgenommen. Am zweiten Prozesstag war bereits volles Programm (mehrere Zeugen, die ausführlich befragt wurden), sodass keine Zeit blieb, diese Fragen zu adressieren. Ob diese mittlerweile beantwortet wurden, weiß ich nicht. Das Gericht hat gesagt, das ursprüngliche Ziel sei gewesen, den 1. Tag voll dem Angeklagten zu widmen.
Lento schrieb:Ich frage mich ehrlich gesagt, dass die nicht schon vor 15 Jahre gestellt wurden, die Fragen sind doch recht naheliegend. War da an dem Verhandlungstag diesbzgl. etwas erwähnt worden?
Nein, es wurde nicht besprochen, welche der Fragen wann und wo schon mal gestellt wurden.
Palio schrieb:Unabhängig davon, dass ich von der Schuld Genditzkis am Tod der alten Frau fest überzeugt bin und bleibe, wäre eine Entlassung und ein Verbleib in Freiheit in meinen Augen die richtige Entscheidung. Den Mann kann man doch jetzt nicht wieder zurück ins Gefängnis schicken.
Auch Werner Mazurek soll demnächst freikommen, Benedikt Toth ist es bereits. Im Verhältnis zu den Verbrechen und zur Haftdauer dieser beiden passt es, MG nun auch endgültig in die Freiheit zu entlassen.
Es wäre daher ökonomischer gewesen, ihn direkt freizusprechen und sich den großen Aufwand eines weiteren Prozesses zu sparen.
Wenn ich deine Beiträge richtig verstanden habe, gehst du davon aus, dass MG Geld unterschlagen bzw. Geld und Wertgegenstände behalten wollte und deshalb MG die LK ermordet habe. Wenn dem so ist, kämen in deiner Version neben Verdeckung einer Straftat (Unterschlagung) noch Habgier dazu. Die verlesene Anklage hat zudem noch Heimtücke angenommen (Schläge auf den Hinterkopf in Tötungsabsicht). In deiner Version würde die Schuld von MG deutlich schwerer wiegen als vom Gericht 2010 bzw. 2012 jeweils angenommen. Und wenn es tatsächlich so gewesen sein sollte (er also ihr Vertrauen erschlichen habe), wäre die Tat von einem vergleichbaren Kaliber wie die zitierten Fälle. Ich persönlich weiß nicht, was am 28.10. wirklich passiert ist, aber ich finde, es gibt zu wenige starke Anhaltspunkte, um einen Mord sauber zu untermauern, weil einige belastende Indizien auch eher harmlos erklärt werden können und momentan auch entlastende Aspekte vorliegen oder zumindest im Raum stehen.
Es gibt halt diesen Streetlight Effect: wo man genau hinschaut, findet man immer irgendwelche Kleinigkeiten, was zu verzerrter Wahrnehmung führen kann. Zwei Beispiele:
(1) Fall Monika de Montgazon: Sie soll ihr Haus samt Vater, der sowieso nur noch eine Lebenserwartung von wenigen Monaten hatte, angezündet haben. Ein Gutachten vom LKA Berlin meinte Brennspiritus im Haus verteilt nachgewiesen zu haben. Ergebnis: Lebenslange Haft und besondere Schwere der Schuld. Tatsächlich, und das wurde später nachgewiesen, hat der Vater im Bett geraucht und ist eingeschlafen, mit dem Ergebnis, dass die brennende Zigarette den Brand ausgelöst hat. Der angebliche Nachweis von Brennspiritus war auf handwerkliche Fehler des LKAs zurückzuführen. Besonders bezeichnend: man hat im Urteil damals auch belastende Indizien aus dem angeblichen Nachtatverhalten von M de M gesehen, z.B. dass sie angezogen das brennende Haus verlassen habe, also angeblich schon vorbereitet gewesen sei. Auch belastend wurde ausgelegt, dass der Freund von M wohl gesagt haben soll "Vielleicht zahlt die Versicherung aber nicht, wenn die uns wegen Mordes dran kriegen". Ich kann natürlich verstehen, dass man das als stark belastendes Indiz auslegt, aber auch sowas kann eben mal flapsig formuliert und ganz anders gemeint gewesen sein. Genau wie die "Erbschleicher"-Aussage.
(2) In München ist mal ein Konditor spurlos verschwunden. Hier ist zunächst einer seiner Söhne als Beschuldigter geführt worden, weil er sich in Widersprüche verstrickt habe. Z.B. habe er gesagt, er sei am Tag X nicht in München gewesen, aber an diesem Tag war sein Handy in der Nähe vom Ort seines Vaters eingeloggt gewesen. Tatsächlich wurde der Konditor leider ermordet (seine Leiche wurde in Italien vergraben), aber von einer ganz anderen Person. der Sohn hatte damit rein gar nichts zu tun. (Übrigens: Der Fall wurde 2021 bei "Aktenzeichen XY gelöst" gezeigt, der ermittelnde StA war unser StA Kronester, der Vorsitzende Richter unser geschätzter Herr Götzl.)
Damit will ich sagen: man kann sich wirklich sehr schwer vertun, wenn man aufgrund von eher schwachen Indizien Rückschlüsse ziehen will. Menschen sind keine Roboter und verhalten sich dadurch immer wieder mal irrational. Aber solche Indizien müssen eben auch durch objektivere Umstände getragen werden können. Ein Musterbeispiel hierfür ist der Parkhausmord, wo es eben keine vernünftigen und harmlosen Erklärungen für die Fülle an Indizien gab/gibt.