Badewannenunfall von Rottach-Egern
26.04.2023 um 18:18
Hallo zusammen,
ich war heute beim Prozessauftakt dabei. Es ging etwas verspätet los und endete am späten Nachmittag. Es waren jeweils 50 Plätze für Journalisten bzw. Zuhörer vorgesehen, von denen die meisten zumindest am Vormittag besetzt waren.
Anklage:
Es wurde die Anklageschrift von 2009 vorgelesen, die MG kurz zusammengefasst folgendes vorwirft: Er habe sich über die Jahre das Vertrauen von LK erschlichen und Wertgegenstände sowie Bargeld unterschlagen. Insgesamt soll MG 66.000 Euro von ihrem Konto abgehoben und einige Tausend Euro eingezahlt haben, sodass per Saldo 54.500 Euro fehlten, wovon er den überwiegenden Teil vereinnahmt haben soll. Als LK am 23.10.08 ins Krankenhaus kam und ihm eine komplette Vollmacht ausstellte, sei MG davon ausgegangen, dass LK im Krankenhaus versterben würde. Deshalb habe er 8.000 Euro aus der Geldkassette entwendet, um 8.000 Euro Schulden am gleichen Tag bei seinem Freund zu begleichen. Als LK am 28.10. nach Hause kam, soll sie den Fehlbetrag festgestellt und MG zur Rede gestellt haben. Um dies zu verdecken, soll er beschlossen haben, sie umzubringen, indem er sie zuerst auf den Kopf schlägt. Zwischenzeitlich soll er kurz mit seinem Vorwurf gehadert und zweimal den Hausarzt angerufen haben, aber schließlich den Mord durch Ertränken in der Badewanne vollendet haben. Angenommenen Mordmerkmale: Heimtücke, Habgier sowie Verdeckung der Unterschlagung.
Bisher ist kein rechtlicher Hinweis ergangen, dass auch ein Mord zur Verdeckung einer Körperverletzung in Betracht kommen kann. Es scheint also, dass zunächst eine Aufarbeitung der Sache mit dem Geld geplant ist, dazu gleich mehr.
Statement der Verteidigung:
Es folgte (nach Darlegung des Verfahrensverlaufs von Anklage bis zur Zulassung des Wiederaufnahmeverfahrens) ein Gegenstatement von RAin Rick. Sie führte Bekanntes aus diversen Dokumentarfilmen aus. Neu waren Beispiele für das korrekte Verhalten von MG (z.B. habe er für eine andere Bewohnerin Wäsche ins Krankenhaus bringen müssen und sei dabei auf einen Beutel mit viel Bargeld gestoßen, woraufhin er Angehörige darüber informiert habe, dass das riskant sei).
Einlassungen von MG
Nach kurzer Beratungspause hat MG sich zu seiner Person eingelassen. Nichts Spektakuläres. Wenn ich das sagen darf: er erscheint mir persönlich nicht unsympathisch und er wirkt schon so, als ob er alles korrekt nach Wünschen anderer machen will.
Rückfragen beantwortete er selbst nicht, sondern ließ sie über RA Wittmann beantworten. Allerdings erfolgte die Beantwortung auf Wunsch von RAin Rick nur nach Beratung. Praktisch lief es also so ab: Man hat zu verschiedenen Themenkomplexen Fragen gesammelt (die meisten Fragen kamen vom Gericht, kaum eine vom Staatsanwalt), dann gab es Pause (ca. 20 min), und es folgte die Beantwortung der Fragen. Durch diese Strategie wurde der Prozesstag etwas zäh.
Die Verteidigung bat schließlich darum, weitere Beantwortungen im Hinblick auf sinkendes Konzentrationsvermögens des Angeklagten zurückzustellen. Es wurden aber die Fragen für die nächsten Prozesstage gestellt, auf die sich die Verteidigung jetzt vorbereitet.
Bisher war es noch nicht so spektakulär, daher nur die Punkte, die bei mir besonders hängen geblieben sind:
- Die Kammer hat sich etwas verwundert gezeigt darüber, dass im 2. Prozess plötzlich KFZ-Sachverständige ausgesagt haben, um zu klären, ob LK sich die Hämatome beim Ein- oder Aussteigen aus dem Auto zugezogen haben konnte.
- Zum Schlüssel ließ sich man sich dahingehend ein, dass das Stecken des Schlüssels in Absprache mit LK passiert sein soll. Der Staatsanwalt meinte, die Einlassung weiche von der Schilderung im Urteil ab (das muss ich noch nachlesen) und bat um Stellungnahme, die noch folgen wird.
- Thema Geld, siehe nächster Komplex.
Thema Geld
Die Kammer hatte eine Reihe von Fragen zum Thema Geld, welche wohl in den nächsten Prozesstagen beantwortet werden sollen. U.a.:
- Wenn MG Geld für LK abheben sollte, wofür soll das Geld verwendet worden sein?
- Wann wurde was zum Schließfach gebracht und warum war es am Ende leer?
- Offenbar hatte LK zum Zeitpunkt ihres Todes kaum mehr Geld auf dem Konto. Die Erben von LK haben anscheinend dieses ausgeschlagen, d.h. der finanzielle Zustand von LK war zuletzt desolat. Die Vorsitzende warf auch die Frage auf, wie denn LK Miete, Pflege etc. mit ihrer kleiner Rente ohne Ersparnisse hätte bezahlen können. (Ich hatte in Erinnerung, dass ihr Auskommen okay war, muss das aber nochmal nachlesen.)
- Anscheinend habe MG im Jahr 2008 bei der Vermieterin von LK um eine Mietminderung gebeten (dieser wurde stattgegeben). Das Gericht will wissen, was der Hintergrund war.
- Das Gericht möchte den Zahlungsverkehr zwischen MG und seinem Freund, bei dem er Schulden hatte, genauer verstehen. Anscheinend ist dieser Punkt in den Akten ziemlich unklar.
Es scheint also, dass für die Kammer das Geld-Motiv noch nicht ausgeräumt ist. Es bleibt spannend, ob dieses vielleicht mehr beleuchtet werden wird als in den damaligen Prozessen.
Stimmung im Prozess
Ich hatte den Eindruck, dass die Vorsitzende Richterin durch ihre Art für eine lockere und angenehme Stimmung gesorgt hat. (N.B.: bislang habe ich noch nie einem Strafprozess beigewohnt, deshalb weiß ich nicht, wie die Stimmung üblicherweise ist.) Der Staatsanwalt war heute recht ruhig, was sicherlich auch dem bisherigen Prozessverlauf mit Sammlung von Fragen vorab etc. zu tun hat. Ein Verfolgungseifer war jedoch nicht erkennbar. Unter den Zuschauern scheint eine große Mehrheit von der Unschuld des Angeklagten auszugehen. (Beim Verlesen des Anklagesatzes ging bei der Passage um das Thema Geld ein Raunen durch das Publikum.)
Ich selbst finde es bedauerlich, dass das Gericht nicht gleich zu Beginn der Beweisaufnahme die Sachverständigengutachten zum Todeszeitpunkt vorne anstellt. Denn falls sich herausstellen sollte, dass der Todeszeitpunkt nicht vor 15:09 sein kann, braucht man keine 20 Verhandlungstage. (Ich persönlich gehe aber davon aus, dass es da viele Diskussionen geben wird, weil ein Mittelwert des Todeszeitpunktes immer mit einer Streuung anzugeben ist, die erheblich sein kann.)