Es war hier auch so, dass auch ein Laie mit praktischem Vorstellungsvermögen anhand von Bildern oder vor Ort erkennen konnte, dass die Endlage mit dem heraushängenden linken Bein für einen Sturz oder Suizid ungewöhnlich und erklärungsbedürftig ist. Ich kann mir vorstellen, dass den Polizisten damals dieser Umstand auffiel. Diese Auffälligkeit wurde jedoch nicht sofort dem Rechtsmediziner mitgeteilt, er sollte ja unbeeinflusst untersuchen, wodurch die Frau starb und ob es Anzeichen von Fremdeinwirkung gibt.
Als MG sich so auffällig benahm, evtl. noch der leere Kontostand der Toten auffiel und bekannt wurde, dass MG ihr Finanzbeauftragter war, festigte sich ein Anfangsverdacht. Der Rechtsmediziner wurde daher zur Tatortbegehung geladen und erkannte daraufhin selbst das Problem, dass weder Endlage noch die gefundenen Hinterkopfhämatome eine unfallbedingte Erklärung haben können.
Man musste hier erst alle Fakten zusammenbringen, um erkennen zu können, dass ein Unfall auszuschließen ist. Unabhängig von den örtlichen Gegebenheiten war auch eine andere rechtsmedizinische Schlussfolgerung möglich.
Es gab vor langer Zeit einen Fall mit ein paar Parallelen im Ablauf, von dem ich berichten möchte.
Im 19. Jahrhundert lebte der Heiratsschwindler
George Joseph Smith , der einige seiner Ehefrauen in der Badewanne tötete, was damals ebenfalls nicht so einfach zu erkennen war, weil es keine erkennbare Gewalteinwirkung gab und die Fälle wegen verschiedener benutzter Namen des Täters nicht sofort verknüpft werden konnten. Die Lage der Getöteten in der Badewanne war allerdings auffällig. Der ermittelnde Polizist konnte sich nicht vorstellen, dass eine Erwachsene in einer derart kleinen Badewanne einfach so ertrinkt. Er ging zum Leichenbeschauer, der jedoch keine Zeichen von Gewalt gegen die tote Frau fand. Auffällig war jedoch das Verhalten des Ehemannes, der keine Trauer zeigte. Die Polizei forschte daher weiter nach und fand finanzielle Motive des Ehemannes sowie seine verschiedenen Namen heraus.
Der Pathologe Bernard Spilsbury entdeckte schließlich durch Versuche, wie Smith die Frauen in der Badewanne umbrachte, ohne dass es Zeichen eines Kampfes oder von Intoxikationen gab: Er zog sie an den Füßen überraschend unter Wasser. Durch den sog.
Hering-Nasenschleimhaut-Reflex wurden die Frauen bewusstlos und ertranken.
Der Täter wurde 1915 hingerichtet.
An dem Ablauf im Fall Kortüm ist bei genauer Betrachtung nichts ungewöhnlich oder zu bemängeln. Es steckt auch keine Verschwörung gegen Herrn Genditzki dahinter, sondern ein ganz normales Verfahren nach begründetem Anfangsverdacht, der sich im Laufe der Ermittlungen bestätigte.