Andante schrieb:Wenn man die Urteile liest, stellt man fest, dass sich die Strafkammern mitnichten nur auf Gutachten gestützt haben, sondern auf weit mehr Indizien. Die aber leidet weiterhin in der Diskussion geflissentlich totgeschwiegen werden, auch in den Medien.
Ich habe die Logik der Urteile von 2010 bzw. 2012 so verstanden (gerne korrigieren, wenn ich falsch liege):
Die Kammern haben damals basierend auf den damaligen Gutachten ein Sturzgeschehen ausgeschlossen und ein Gewaltverbrechen nicht ausschließen können. Somit war für das Tatgericht klar: es war ein Verbrechen. Erst für die Identifizierung von MG als Täter wurden die restlichen Indizien (die m.E. auch in der Gesamtschau nicht besonders erdrückend sind, auch wenn ich einen gewissen Tatverdacht durchaus nachvollziehen kann) herangezogen.
Wenn das die Logik ist, und
falls diese Gutachten nicht widerlegt werden können, dann ist eine Verurteilung kaum mehr möglich. Wenn das modellierte Sturzgeschehen des Gutachters nicht ausgeschlossen werden kann, dann ist ein Alternativszenario denkbar, das nicht widerlegt werden kann.
Davon abgesehen hatte ich nach dem zweiten Verhandlungstag den Eindruck, dass nicht mal mit Sicherheit feststeht, ob die Leiche signifikant bewegt wurde oder nicht. Der erste Arzt hat den Kopf aus dem Wasser gehoben, angeblich hing der linke Arm aus dem Wannenrand, was auf den Bildern anders war. Falls also Varianten von der Auffindeposition denkbar sein sollten, dann ergäben sich wiederum mehr Varianten für Anfangspositionen, aus denen heraus ein Sturz hätte geschehen können.
Noch dazu kommt das thermodynamische Gutachten, nach dem der Mittelwert des Todeszeitpunktes deutlich später war. Natürlich haben diese Ergebnisse immer eine Varianz (von gut einer Stunde meine ich), so dass ein Todeszeitpunkt von 15 Uhr immer noch denkbar ist. Dieser ist aber weniger wahrscheinlich geworden. Den Medienberichten ist allerdings noch zu entnehmen, dass eine Rechtsmedizinerin (die übrigens ein Buch mit K herausgegeben hat) meinte, dass vieles für einen späteren Todeszeitpunkt spreche (u.a. fehlende Waschhaut).
Wenn jetzt die belastenden Indizien, die im Urteil aufgeführt wurden, in der Gesamtschau ebenfalls so erdrückend gewesen wären wie z.B. im Parkhausmord, dann wäre ich definitiv auch bereit zu sagen, dass die obigen Gutachten falsch sind. Aber wegen einem steckenden Schlüssel?
Davon abgesehen liegt zumindest beim Indiz "Binden" im Zusammenhang mit dem Kassenzettel ein Denkfehler vor (danke
@Lento für den Hinweis). Aus dem Umstand, dass bereits ein Dutzend Binden in ihrem Schrank lagen, kann man natürlich nicht folgern, dass der Einkauf von Binden nicht von LK beauftragt wurde. Denn wenn LK nur dann den Kauf von Binden in Auftrag gegeben hätte, wenn der Vorrat knapp war, dann hätte sie wohl kaum 12 Packungen davon im Schrank. Einige der vorherigen Käufe von Binden hätten nach der Logik des Gerichts also auch nicht stattfinden dürfen. Freilich kann man sich immer noch wundern, warum MG den Polizisten den Kassenzettel gezeigt hat. (Man kann sich aber auch wundern, warum so ein Denkfehler im Urteil steht.) Es ist aber immer noch ein schwaches Indiz. Das stärkste Indiz wäre ein Nachweis einer Unterschlagung, aber das lies sich ja schon 2010 bzw. 2012 nicht nachweisen. (Ich verstehe leider nicht, wieso, aber es muss gute Gründe gegeben haben. Sonst wäre der plötzliche Motivwechsel nie erfolgt.)