Lento schrieb:Eine einfache Frage an Dich, glaubst Du, dass ein Gericht eine ausreichende Expertise dazu hat, ich denke, dass sollten wir mal als erstes klären.
Im zweiten Schritt wäre die Frage zu klären, ob der Beweis dann von Amts hätte erhoben werden müssen.
1. Ja, das glaube ich.
2. Das ergibt sich recht einfach aus § 244 StPO:
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
So, das Gericht muss also den Sachverhalt von allem erforschen, das zur Beurteilung wichtig ist, ohne dass jemand es dazu auffordern muss. Da kommen wir aber schon zu einem wichtigen Punkt:
jaska schrieb:Dass Schleifspuren entstehen müssen ist doch überhaupt nicht sicher, genausowenig, dass beim Transport von Raum A nach Raum B (10m max.?) "Schleifspuren an den Socken" entstehen müssen.
Genau. Das wäre nämlich erst einmal zu klären, und zwar im Zweifelsfall wieder mit einem Gutachten.
:DOder aber man betrachtet das Ganze als irrelevant, so wie ich.
Palio schrieb:Ergänzung noch zu dem Gesagten: Über unstrittige Tatsachen muss auch kein Sachverständigenbeweis erhoben werden. Die Möglichkeit des Tragens war hier schlicht unstrittig.
...
Dass Menschen andere Menschen tragen können, ist ein gesicherter Erfahrungssatz. Hier findet sich noch eine anschauliche Demonstration von verschiedenen Möglichkeiten. Vielleicht können wir das Ganze damit mal zum Abschluss bringen:
Das ist der nächste Schritt: Was offenkundig ist, darf das Gericht auch so annehmen, ohne dass es dazu besonderer Erforschung von Sachverhalten bedarf:
Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
1. eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, ...
Quelle: § 244 StPO (3)(1)
Wer sagt nun, was offenkundig ist? Das Gericht. Und im Zweifelsfall der BGH.
Lento schrieb:@Rick-Blaine PS:
Ich hatte weiter oben achon gesagt, wir kennen den Revisonsantrag der Verteidigung nicht, ich hatte schon klargestellt, dass die Verteidigung dieses Problem übersehen haben KANN. Das würde aber nichts daran ändern, dass das Urteil dann willkürlich ist, wenn das Gericht eigentlich ein Gutachten hätte erstellen müssen. Nur formelles Recht bewirkt dann, dass ein wilkürliches Urteil Rechtskraft erhält.
Ich glaube nicht, dass Du hier bestatigen kannst, das Gericht hätte eine ausreichende Experise.
Wenn es hätte müssen und es nicht tat, dann wäre das in der Tat ein Fehler. Aber ich bezweifle stark, dass es hätte müssen, denn offensichtlich scheint diese Notwendigkeit nicht einmal von der Verteidigung eingebracht worden zu sein. Und zwar weder in der Hauptverhandlung, noch in der Revision - freilich gilt das nur, so weit ich weiss. Das aber scheint doch ein Hinweis zu sein, wenn erfahrene Juristen hier gar nicht erst bemängeln, dass das Gericht sich selbst als zu schlau eingeschätzt hat, oder die Frage als irrelevant gesehen hat.
Übrigens, ich bin der Meinung, dass das Urteil falsch war, aber eben nicht aus diesem Grund.
Lento schrieb:Könntest Du mir diesen "Erfahrungsgrundsatz" mal erläutern? Welche Erfahrung haben Richter Leichen/Bewusstlose zu transportieren mit der Zusatzbedingung, das die Füße nicht den Boden berühren. Einen solchen Erfahrungsgrundsatz gibt es m.W. nicht. Der nicht schleifende Fuß ist eine klare Besonderheitn die damit nicht gedeckt ist. Welche Literatur gibt es dafür. Du hast Dich um die Sache mit dem Fuß bisher geschickt herumgemogelt. Das bringt hier einen nicht abschätzbare Komplexität ins Spiel, so dass die Anwendung des Erfahrungsgrundsatzes nicht möglcih ist.
Immer der Reihe nach: erst einmal ist zu klären, ob ein Mann wie der Angeklagte eine Frau wie das Opfer tragen kann. Dann kommt die Frage, ob ein "schleifen" etc. zwangsläufig Spuren hinterlassen würde - ich bezweifle das zum Beispiel. Dann kommt die Frage, ob bei dem Gesamtsachverhalt das überhaupt relevant ist, was ich auch bezweifle.
Es geht bei dieser Verhandlung doch gar nicht darum, wie Frau K. in das Bad gelangte, sondern darum, wie sie in die Wanne gelangte. Und auch warum. Das Gericht nimmt einen Streit an, wozu es meiner Meinung nach keine Gründe hatte. Aber ob der Streit sich im Wohnzimmer, im Bad, im Gang oder sonstwo in der Wohnung abspielte ist, mangels jeglicher Spuren, irrelevant. Und wenn man annimmt, sie sei ins Bad getragen worden, dann kann das bis zum Beweis des Gegenteils auch spurenlos passiert sein, selbst wenn sie eventuell geschleift, abgesetzt oder sonst irgendwie dorthin gelangte, weil der Angeklagte nicht die Kraft gehabt haben soll, sie in einem Stück ohne Schleifen getragen zu haben. Hier liegt es schon an der Verteidigung, diese Punkte deutlich zu machen, wenn sie diese für wichtig erachtet.
Lento schrieb:Ich rate Dir, einfach mal abzuwarten. Ruichter haben diese Kenntnisse einfach nicht, ich glaube das brauchen wir hier nicht mehr zu diskutieren, denn Du berücksichtigts erneut nicht die Besonderheit, der Bedingung der nicht schleifenden Füße, was soll das eigentlcih? Ich versuche mit Dir sachlich zu diskutieren und dann versuchst Du immer und immer wieder eine Frage klären zu wollen, um die hier es überhaupt nciht geht? Tragen wird er sie möglicherweise können, aber selbst das weiß ich nicht, denn für diese Frage ist auch nicht allein das Gewicht entscheidend. Dazu zählt sehr viel anderes, was ein Richter nicht - ohne eine Beweiserhebung - beurteilen kann
Das ist die Gretchenfrage für Dich: haben Richter diese Kenntnisse oder nicht? Diese Richter hier sind wohl der Meinung, dass sie diese haben. Auch hier wieder: warum protestiert die Verteidigung nicht?
Wir haben sowieso nach der Meinung vieler Kollegen und auch meiner Meinung nach eine Rechtsprechung, die sich viel zu häufig auf Gutachter verlässt und den eigenen gesunden Menschenverstand immer weniger bemüht. Ich glaube nicht, dass der BGH dem noch einen Vorschub gewähren würde, indem er in diesen konkreten Fragen hier auch noch ein Gutachten fordern würde - aber das ist nur meine persönliche Meinung.
Wie gesagt, ich halte das Urteil für falsch, Genditzki für unschuldig und begrüsse das WAV. Aber das Urteil ist nicht wegen diesem Punkt hier falsch. Vielmehr ist diese Frage hier ein Unterpunkt einer Gesamtannahme des Gerichts, vom Streit bis zum Ertränken, die m.E. ohne belastbare Beweise gefasst wurde.