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Badewannenunfall von Rottach-Egern

7.729 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, 2008, Badewanne ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Badewannenunfall von Rottach-Egern

Badewannenunfall von Rottach-Egern

15.02.2023 um 06:09
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Wir haben sowieso nach der Meinung vieler Kollegen und auch meiner Meinung nach eine Rechtsprechung, die sich viel zu häufig auf Gutachter verlässt und den eigenen gesunden Menschenverstand immer weniger bemüht. Ich glaube nicht, dass der BGH dem noch einen Vorschub gewähren würde, indem er in diesen konkreten Fragen hier auch noch ein Gutachten fordern würde - aber das ist nur meine persönliche Meinung.
Wobei hier das Gericht auch einige Beweisanträge der Verteidigung durch Einholung weiterer Sachverständigengutachten abgelehnt hat, wie auf Seiten 90 und 104 des Urteils nachzulesen ist. Auch im Fall Böhringer oder wo sonst das Urteil im Original nachlesbar ist, zählen die Richter - zwecks Überprüfung durch das Revisionsgericht - regelmäßig auf, welche Beweisanträge (allermeisten gerichtet auf weitere Gutachten) gestellt wurden, warum diesen aber nicht nachgegangen wurde bzw. nicht nachgegangen werden musste.


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Badewannenunfall von Rottach-Egern

16.02.2023 um 00:52
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Wir haben sowieso nach der Meinung vieler Kollegen und auch meiner Meinung nach eine Rechtsprechung, die sich viel zu häufig auf Gutachter verlässt und den eigenen gesunden Menschenverstand immer weniger bemüht. Ich glaube nicht, dass der BGH dem noch einen Vorschub gewähren würde, indem er in diesen konkreten Fragen hier auch noch ein Gutachten fordern würde - aber das ist nur meine persönliche Meinung.
Du sprichst da einen sehr wichtigen Punkt an, ja, Du hast vollkommen Recht, Gerichte verlassen sich viel zu sehr auf IHRE Gutachter, auf Gutachter, welche Sie oder die StA bestimmt hatten.

Aber man darf von einem „Extrem“ nicht in das andere fallen. Beides, also der gesunde Menschenverstand als auch Gutachten sind wichtig.

Wenn Gerichte in bestimmten Fragen einfach keine Expertise haben und diese entscheidungsrelevant ist, dann kann man auf diese auch keinesfalls verzichten. Daher kann der gesunde Menschenverstand keine Gutachten ersetzen.

Manchmal Überschätzen sich auch Gerichte, weil sie die Problematiken eines bestimmten Vorgangs nicht erkennen. Ob das hier bei dem Transport wirklich der Fall war mag jetzt mal dahin gestellt sein, ich persönlich glaube nicht, dass so der Transport überhaupt so wie das Gericht meint möglich war. Auch dürfte es auch für ein Gericht schwer sein, einen Angeklagten wirklich von seiner körperlichen Leistungskraft einzuschätzen, die Größe und das Gewicht allein sind da wenig relevant, wenn man mal Umzugsleute zusieht, da wundert man sich, was die für Lasten heben können, obgleich sie drahtig und schmächtig wirken. Es kommt daher nicht unbedingt auf Gewicht und Größe an. Klar, es gibt auch „Schränke“ dabei. Hier wird immer behauptet, dass die Arbeit eines Hausmeisters eine besondere körperliche Kondition notwendig ist. Wenn ich aber hier wo ich wohne die Arbeiten des Hausmeisterehepaares sehe, da ist nicht wirklich schwere körperliche Arbeit dabei, da gibt es ganz andere Berufe. Meistens wird auf dem Rasenmäher gesessen und damit das Gras gemäht und im Herbst das Laub damit aufgesaugt. Gartenarbeiten ja, aber die sind auch nicht wirklich körperlich anstrengen, das hat mein Großvater noch mit 90 Jahren in seinem großen Garten ausführen können und er hatte keinen Aufsitzrasenmäher, sondern ein ganz normalen mit 45cm Schnittbreite, den er vor sich hin schieben musste bei einem Hanggrundstück. Im Winter muss Schnee geschippt werden, meist auch mit maschineller Unterstützung. M.E. wird zumindest hier im Forum die notwendige körperliche Kondition eines Hausmeisters vollkommen überschätzt. Besser können das dann schon Gutachter abschätzen, auch wenn er etwas mehr kostet – wenn es darauf ankommt. Denn ein Fehlurteil in Tötungsdelikten kann man nicht mit allem Geld der Welt ungeschehen machen und nicht zu vergessen, Deutschland verhält sich gegenüber Justizopfern extremst schäbig.


Trotzdem gebe ich Dir Recht, es wäre sinnvoll, wirklich den gesunden Menschenverstand einzusetzen, wobei man natürlich aufpassen muss, der „gesunde Menschenverstand“ wird vielfach missbraucht, weil die eigene Ansicht immer den „gesunden Menschverstand“ darstellt. Ich würde das lieber durch eine bessere Beschreibung ersetzen: Der Sache so gut wie möglich auf den Grund gehen und nicht zu früh ein Urteil fällen, denn andernfalls wird „gesunder Menschenverstand“ leicht zum Bauchgefühl. Trotzdem der Einfachheit halber nenne ich das hier weiter: „Gesunder Menschenverstand“.


Und in diesem Fall wäre es besser gewesen, dass man wirklich mehr auf diesen gesunden Menschenverstand (dieser obigen Definition) gehört hätte.

Natürlich können auch nicht nur Richter sondern auch Gutachter ihre Expertise überschätzen, die Schwierigkeit unterschätzen, nicht sämtliche Möglichkeiten erkennen. Erkennen können das natürlich auch nicht die Richter, weil sie noch eine weitaus geringere Expertise besitzen als die Gutachter, das ist ein Problem. Trotzdem, es gibt in solchen Verfahren nicht einfach nur eine einzige Spur (Lage der Toten in der Badewanne) sondern eine Reihe anderer. Und mit diesen hätte das Gericht durchaus die Gutachten überprüfen können. So gab es DNA-Spuren, nur ein kleines Zeitfenster, ein Alibi etc.. Nun der Reihe nach.


Es gab DNA-Spuren, die genau zu einem Unfall passten. Es gab Gutachten der Verteidigung, welche einen Unfall für mindestens möglich hielt. Sie hatte sogar ein Stuntversuch anzubieten. Dieser Stuntversuch ist sogar sehr ähnlich mit dem Ergebnis der Simulation. Ja, hätte man damals den gesunden Menschenverstand wirklich eingesetzt, hätte man damals G eher freisprechen müssen, das erfolgte jedoch nicht.

Das Gericht hatte dann alles mögliche am Stuntversuch auszusetzen, hatte aber dabei übersehen, dass zumindest das Gutachten von Keil genauso auf einem Selbstversuch aufbaute und sicher die Dinge, welche sie am Gutachten der Verteidigung bemängelte, in Wirklichkeit auch für die Selbstversuche von Keil ebenfalls zutrafen.

Als der Physik nahestehender Mensch bekomme ich bei den Ablehnungsgründen bzgl. des Stuntversuchs das kalte Grausen. Aus den meisten Experimenten kann man Schlüsse ziehen, auch wenn sie nicht 100%ig die Realität wiederspiegeln. Das ist in der Physik sogar bei den meisten Experimenten so, man muss vereinfachen etc. um zu Erkenntnissen zu kommen. Man betrachtet nur Teilsysteme, etc.. Nur durch die Fähigkeit des Menschen aus diesen Teilabschnitten weiter zu denken, war die Entwicklung möglich, die wir heute haben. Mit diesem Klein-Klein des Gerichts hätten wir wahrscheinlich schon das Feuer uns nicht nutzbar machen können. Ich bin der Ansicht, dass genau an dieser Stelle sowieso das Verfahren nicht fair war, wie gesagt, das Gericht hätte mindestens das Keil-Gutachten nicht mehr nutzen dürfen. Aber das ist für mich fast egal, für mich ist allein die Methodik des Gerichts geradezu absurd. Mir ist klar, Richter sind Juristen und die haben selten wirklich Vorlieben zur Physik gehabt, die zwei Klassenkameraden, welche diesen Beruf ergriffen hatten, waren darin in keiner Weise Leuchten. Man muss daher Nachsicht mit dem Gericht haben.

Und wenn man dieses Drehen des Oberkörpers in die Wanne betrachten hätte man schon damals erkennen können, dass ein größeren Radius es durchaus zu Hämatomen hätte kommen können, wenn man etwas weiter gedacht hätte. Dieser geringere Radius wird in dem Stuntversuch dadurch zu klären sein, dass das Opfer sich mit der linken Hand am Wannenrand abgestützt hatte. Aber es gab DNA-Spuren am Griff und an den Armatur. Wenn diese beim kurz vor dem Unfall drauf gekommen war, dann hat sich das Opfer mit der rechten Hand am Griff festgehalten und mit der linken Hand die Armatur bedient. Wenn sie sich dann versucht hätte aufzurichten und sie hätte dann einen Schwächeanfall, dann hätte man einen Fall, wie die Simulation zeigt, keine Abstützung mit der linken Hand am Wannenrand und der Radius den der Oberkörper dann beschreibt ist größer und die Hämatome werden wahrscheinlicher. Sicher, heute weiß man es besser, daher ist das etwas schwierig sich in die damalige Situation zu versetzen.


Trotzdem, die Problematik dieses Falles deckt sich auch mit der Problematik, welche in folgendem Fachartikel sehr genau nachgegangen wird:

https://www.yumpu.com/de/document/view/10578985/die-abhangigkeit-des-richters-vom-sachverstandigen

Dieser Artikel liefert schon eine recht genaue Erklärung, warum es in diesem Fall höchstwahrscheinlich schief gegangen ist. Richter können nicht wirklich die Gutachten verstehen und greifen dann meist zu dem Ergebnis der Gutachten, welche Sie bzw. meist die StA bestimmt haben. Genau das ist hier zu sehen, das Gericht hat nicht mal erkannt, dass das Gutachten von Keil auf dem gleichen angeblichen „Fehler“ beruhte, wie das der Verteidigung. Man sieht hier, wirkliches Verständnis war hier nicht vorhanden, sonst hätte es das sicher erkannt.

Diese Problematik ist in Wirklichkeit schon länger bekannt (der Artikel ist von 2009) und beruht auf dem damals schon erkennbaren. Es versucht auch neue Lösungsansätze, aber geändert hat sich seitdem nichts.

Was sich als Problem laut diesem Bericht darstellt, sind die Forderungen des BGH, das er an die Begründung des Gerichts stellt, wenn er eine vom Gutachter abweichende Ansicht haben will, dann ist die Anforderungen an die Begründungspflicht sehr hoch. Eigentlich vernünftig, aber da er vielfach kein Verständnis mehr hat in der Realität nur selten möglich. Hier besteht jedoch die Gefahr, dass man den Weg des geringsten Widerstandes geht, was hier recht gut zutrifft. In diesem Fall hat das Gericht einen Weg gefunden, in dem es mikroskopisch den Stuntversuch angesehen hatte und damit die Gutachten der Verteidigung abgelehnt hat, das war dann sehr einfach zu begründen. Aber wie man heute sieht, eher eine wenig vernünftige Ablehnung, besonders weil es das Keil-Gutachten gleich hätte mitablehnen müssen und es wissenschaftlich gesehen diese Ablehnung wenig vernünftig war.

Aber trotzdem, Gutachten sind unverzichtbar, nur der gesunde Menschenverstand kann die nicht ersetzen. Aber mit Hilfe von gesundem Menschenverstand hätte sich hier das Gericht durchaus fragen können, liegen die Gutachter der Verteidigung vielleicht doch richtig? Ich habe hier DNA-Spuren, welche voll und ganz zu einem Unfall passen. Ich habe nirgends Spuren in der Wohnung bzgl. einer Auseinandersetzung. Das mögliche Zeitfenster der Tat war äußerst klein.


Sicher, der Angeklagte könnte sich wirklich bewusst ein Alibi verschafft haben, das könnte auch der Grund sein, dass das Zeitfenster klein ist.

Aber dann muss man sich dieses Alibi genauestens ansehen und jeden Fehler vermeiden. Leider sind gerade bei dieser Bewertung nicht gerade leichte Logikfehler erfolgt:

Den einen hatten wir ja schon, angeblich soll G nach Ansicht des Gerichts gewusst haben, dass das Opfer tot sei. Weil er ohne Aufforderung Schmuck, Kassenbon etc. rausgegeben habe. Das Gericht war dann bei der Bewertung objektiv willkürlich davon ausgegangen, dass es auf den Stand der Ermittlungen ankäme und nicht das, was G subjektiv annehmen durfte, ein Fehler, der eigentlich nie vorkommen darf. In Wirklichkeit hatte ein Polizist G um den Schlüssel der Wohnung gebeten, weil die Wohnung versiegelt werden muss. Daraus durfte G durchaus schließen, dass ein Verbrechen vorlag.


Dann gibt es den weiteren Punkt, die Sache mit den Binden, auch hier steckt ein schwerer Denkfehler hinter. So hatte das Gericht angenommen, dass der Kauf von G nicht notwendig gewesen sei und meinte dann, dass G nur das eingekauft habe, was er immer für das Opfer eingekauft hat, also quasi den letzten Kauf wiederholt hat. Hier steckt ein schwere Denkfehler hinter, der Schlafzimmerschrank enthielt 12 Packungen Binden. Ein Kauf der Binden wäre schon lange vorher nicht notwendig gewesen, d.h. mit diesem Argument darf man diesen Einkauf nicht als verdächtig ansehen.

Entweder stimmte es nicht, dass für G der Einkauf von Binden normal war, oder Frau K hatte schon immer die Eigenschaft, wenn G für sie einkauft, soll er gleich Binden mitbringen, ein Verdacht kann das nicht begründen. Der Schluss des Gerichts beruht auf einem schweren Denkfehler.

Schaltet man hier den „gesunden Menschenverstand“ ein, dann erklärt sich das auch ohne Denkfehler ganz anders. Der große Vorrat im Schrank zeigt, dass Frau K grundsätzlich dazu neigte, bestimmte Artikel lieber einmal mehr kaufen zu lassen, als mal ohne dazustehen. Das zeigt der große Vorrat im Schlafzimmerschrank. Anders kann man diesen Vorrat kaum erklären.

Wenn man die aktuelle Lage des Opfers mitberücksichtigt, dann ist dieser Einkauf sogar besonders leicht zu erklären. Frau K kam gerade aus dem Krankenhaus. Sie war erschöpft. Dass sie in Wirklichkeit einen Überfluss im Schrank hatte, wird sie die Größe des Vorrats – wie so häufig und erst Recht nach dem mehrtägigen Krankenhausaufenthalt – einfach vergessen haben. Es liegt daher in einer solchen Situation sehr nahe, dass sie selber die Binden mit auf die Einkaufsliste gesetzt,


Dann hätten wir allenfalls noch die Frage zu klären, warum ist G direkt nach Verlassen der Wohnung zum Einkaufen gefahren. Auch das liegt auf der Hand, G war nun mal Hausmeister und der hat nicht ganz selten irgendwo zu helfen, weil es eine Störung o.ä. gibt. Wenn man etwas die Art des Opfers berücksichtigt, dann wäre das Opfer vielleicht nicht gerade begeistert, wenn er am nächsten Tag ohne diese Dinge aufgetaucht wäre. Der Beruf zieht es dann einfach nach sich, dass man dann so einen Einkauf durchführt, wenn man gerade Zeit hat und dann auch so früh wie möglich. Da muss man in Kauf nehmen, dass man evtl. auch zweimal fahren muss. Und genau diese Zeit hatte er an diesem Nachmittag gerade nachdem er das Opfer verlassen hatte, nach dem Einkauf ließ er sich sogar noch die Haare färben, erst danach ging es zum Krankenhaus mit einem Zwischenstopp bei Edeka, da wo er schon vorher einmal war. Aber der Nachmittag hätte in Wirklichkeit ungeplant vollkommen anders ablaufen können.

Wenn man das so interpretiert, dann gibt es nicht wirklich das Geringste, was für ein bewusst beschafftes Alibi spricht, ohne Denkfehler/mit Berücksichtigung des Berufes ist alles schlüssig und auch lebensnah.

Wenn man diese scheinbar auffälligen Dinge wirklich auf den Grund geht (gemäß der obigen Definition des „gesunden Menschenverstandes“) und wirklich den Kontext berücksichtigt, in dem sie stehen kommt man zu einem anderen Ergebnis als das Gericht. Hier hat das Gericht wirklich ausschließlich an der Oberfläche gekratzt und den Kontext einfach außer Acht gelassen und sich viel zu früh eine Meinung gebildet.

Wenn das Gericht nicht nur an der Oberfläche gekratzt hätte, wäre es jetzt nicht mal an der Zeit gewesen und sich nicht hätte fragen müssen, ob das Gutachten der Verteidigung nicht doch das richtige war?

Den gesunden Menschenverstand einzuschalten ist auch dann besonders wichtig, wenn ein Urteil in Wirklichkeit nur eine einzige Säule besitzt. Genau dann besteht eine große Gefahr, dass ein Unschuldiger angeklagt wurde.

Das war hier im Gegensatz zur Sichtweise des LG laut OLG der Fall. Im Gegensatz zum LG sah das OLG hier nur eine einzige tragfähige Säule und wenn diese einbricht, dann ist natürlich das ganze Urteil nicht mehr haltbar (erschüttert). Übrigens das traf genauso für den Aschaffenburger Schlossgartenmord zu. Auch die angebliche Säule war ein einziges Gutachten. Irgendwann (vielleicht durch den gesunden Menschenverstand) erkannte das Gericht, dass daran etwas faul war und hatte anschließend sich die Arbeit gemacht, Zahnschemas zu vergleichen, was nicht viel Wissen erforderte sondern mehr eine Fleißarbeit darstellte. Und siehe da, das von der Gutachterin angeblich nie angelegte Zahn tauchte irgendwann in den Zahnschemen aus, er war irgendwann nach dem Mord gezogen worden. Auch ein Fall, wo man vor Anklageerhebung den gesunden Menschenverstand einsetzen sollte und nicht erst im Gerichtsverfahren.

Mein Fazit:

Wir benötigen beides, den „gesunden Menschenverstand“ (wozu auch die kritische Einschätzung der eigenen Expertise gehört) und Gutachter und auch etwas mehr Bereitschaft dazu, mal den Gutachtern der Verteidigung zu glauben. Und je weniger tragfähige Säulen ein Fall besitzt umso wichtiger wird das, im vorliegenden Fall war es nur einen einzige, weniger geht nicht.


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Badewannenunfall von Rottach-Egern

16.02.2023 um 01:03
PS:
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Das ist die Gretchenfrage für Dich: haben Richter diese Kenntnisse oder nicht? Diese Richter hier sind wohl der Meinung, dass sie diese haben. Auch hier wieder: warum protestiert die Verteidigung nicht?
Das ist nicht wirklich ein Problem. Etwas wird das im obigen Arikel angesprochen, auch die Verteidigung muss sich der Schwierigkeit nicht bewusst sein. Wenn die Verteidigung nicht dagegen vorgeht, bedeutet das nicht automatisch, dass das Gericht richtig liegt. Verteidiger sind ebenfalls Juristen mit einer ähnlichen Ausbildung wie die Richter. Man kann doch nicht wirklich davon ausgehen, dass ihr Wissen besser ist.


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16.02.2023 um 02:15
Zitat von LentoLento schrieb:Mir ist klar, Richter sind Juristen und die haben selten wirklich Vorlieben zur Physik gehabt, die zwei Klassenkameraden, welche diesen Beruf ergriffen hatten, waren darin in keiner Weise Leuchten. Man muss daher Nachsicht mit dem Gericht haben.
Haha, ich bin stolz auf meine 13 Punkte in Physik, aber gebe ganz gerne zu, dass ich niemals Physik studiert hätte und auch keine Chance auf eine mit meiner Note im Juraexamen gleichwertige Note in jenem Fach zu erhalten. Im Gegenteil, wenn mich jemand fragt, warum ich Jurist geworden bin, antworte ich gerne scherzhaft, weil es das einzige Fach war, in dem ich nicht zu Mathekursen gezwungen wurde.

Ansonsten stimme ich Dir und Deinen Ausführungen im obigen thread prinzipiell zu. Das Gericht hat hier meiner Meinung nach einen Kardinalfehler begangen: es hat den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr gesehen. Der entscheidende Baum war das apodiktische "nein, es kann kein Unfall gewesen sein" des m.E. umstrittenen letzten Gutachtens. Hinter diesem Baum sah das Gericht den Wald der ganzen anderen Hinweise auf eine Unschuld Genditzkis, von denen Du ja einige zitiert hast, nicht mehr, sondern interpretierte jedes Verhalten immer nur im Sinne seiner bereits festgestellten Schuld.

Und das sollte tatsächlich nicht sein. Das ist ein Kritikpunkt, den ich allerdings oft als Fazit meiner langen Karriere in der Justiz ziehe: vielen Juristen, auch und gerade Richtern, fehlt es an einschlägiger Lebenserfahrung. Und das ist fatal, wenn sie über Menschen richten, die aus einer ihnen vollkommen fremden Lebenswelt kommen.


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Badewannenunfall von Rottach-Egern

16.02.2023 um 03:18
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:vielen Juristen, auch und gerade Richtern, fehlt es an einschlägiger Lebenserfahrung.
Warum es Richtern im allgemeinen mehr an einschlägiger Lebenserfahrung fehlen sollte als etwa Staatsanwälten oder Rechtsanwälten, müsste noch näher begründet werden.

Alle genannten Personen haben schließlich jeden Tag mit verschiedensten Menschen zu tun, mit den gleichen Akteninhlten - einschließlich grausiger Fotos -, die mit den gleichen Gutachtentexten, mit der Beurteilung der Glaubwürdigkeit gleicher Zeugen, die meisten sind Väter oder Mütter mit manchmal schwierigen Kindern und Privatleben wie andere auch, Kinder oft pflegebedürftige Eltern mit Betreuungssorgen, Leute, die sich beim Häuslebau geärgert haben, die überlegen, wohin sie im nächsten Urlaub fahren, welche Partei sie bei der nächsten Wahl wählen, die auch mal herzhaft lachen, die in einer Band Musik machen etc., kurzum Leute, denen das Leben mit allen Facetten nicht fremd ist.

Ich frage mich manchmal, woher die mE sehr naive Vorstellung kommt, dass ausgerechnet Strafrichter kein anderes Leben haben sollten als das in Robe, die natürlich in solchen Vorstellungen Tag und Nacht getragen wird, nur unterbrochen vom Schauen von Tatortkrimis als Ersatz für wirklich wahres Leben, was selbstverständlich nur woanders tobt :D

Es muss mit den unbewegten Minen und dem Pokerface zu tun haben, zu denen Richter nun mal während einer Verhandlung gezwungen sind. Ein Aus-Der-Rolle-Fallen, Herumschreien und Herumgestikulieren, wie es der Fernsehzuschauer von irgendwelchen dubiosen Gerichtssendungen wie Salesch oder Hold bei Prozessbeteiligten kennt und offenbar für üblich hält, findet in deutschen Gerichtssäle aber ziemlich selten statt. Und Rechtsanwälte wie „Liebling Kreuzberg“ sind halt auch mehr Wunsch als Wirklichkeit….


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Palio ehemaliges Mitglied

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16.02.2023 um 08:27
Zitat von LentoLento schrieb:Verteidiger sind ebenfalls Juristen mit einer ähnlichen Ausbildung wie die Richter. Man kann doch nicht wirklich davon ausgehen, dass ihr Wissen besser ist.
Man muss aber nun wirklich nicht so weit gehen wie du und Juristen sämtliche Lebenserfahrung und jegliche Allgemeinbildung absprechen und Naturwissenschaftlern sogar einfachste Sachverhalte zum Erklären übertragen wollen. Wir haben es hier am Beispiel "Kann ein Jurist ohne Hilfe eines Wissenschaftlers die Frage beurteilen, ob ein Mensch einen anderen Menschen tragen kann, dem er körperlich überlegen ist" nun ausgiebig erörtert. Das ist ein Sachverhalt, den jeder von uns spätestens dann beurteilen kann, wenn er es mal ausprobiert.

Juristen müssen in eigener Kompetenz entscheiden, wann ein Gutachten erforderlich ist und wann es überzeugt. Ein bisschen Selbstvertrauen in das eigene Urteilsvermögen müssen sie dabei natürlich auch besitzen, ansonsten gäbe es nur Zweifel und unlösbare Sachverhalte und wir dürften uns bei der Urteilsfindung wieder in Gottes Hand geben.

Ich habe in diesem Fall nicht festgestellt, dass sich die Richter selbst überschätzt haben. Es wurde zur Aufklärung des Sachverhalts sorgfältig und umfassend Beweis erhoben und das Ergebnis wurde ohne Denkfehler oder Verstoß gegen Erfahrungssätze gewürdigt.

Die Wiederaufnahme wurde angeordnet, weil die vorgebrachten Beweismittel neu sind und nicht klar ist, ob bei ihrer Kenntnis die Kammer damals zum gleichen Ergebnis gekommen wäre.


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Badewannenunfall von Rottach-Egern

16.02.2023 um 09:16
@Kohlhaas
@Rick_Blaine

Ich glaube, dass fehlende einschlägige Lebenserfahrung nicht unbedingt der richtige Begriff ist.

Ich habe mich oben gezeigt, dass das Gericht bei der Bewertung des Alibis nur an der Oberfläche gekratzt hat. Dabei wäre es sich in der Lage gewesen, hier auch noch weiter zu untersuchen und hätte dann wahrscheinlich auch zu dem obigen Ergebnis fast schon kommen müssen.

Warum hat es die Gedankengänge nicht weiter? Warum ist es nicht weiter gegangen, waren diese Gedankengänge wirklich so schwierig? Warum versucht man nicht der Sache vollständig auf den Grund zu gehen und versucht beispielsweise sich zu fragen, warum überhaupt diese hohe Menge von Binden-Packungen im Schrank waren. Das ist doch der entscheide Punkt. Und diese Frage zu klären, werden Richter mit hoher Sicherheit ausreichend Lebenserfahrung haben.

Dagegen ist der Sturz in die Wanne mit einschlägiger Lebenserfahrung nicht zu beurteilen bzw. zumindest Richter werden dei kaum haben

Also die einschlägige Lebenserfahrung kann es nicht sein. Was war es dann? @Rick_Blaine sagt, das Gericht habe den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen. Ja das trifft es schon, aber warum?

Es gibt Fälle, da kann man Indizien in die eine oder andere Richtung deuten. Dann ist es richtig, dass sich dann im Gesamtbild das Gericht die Deutung aussucht, die im Gesamtbild am wahrscheinlichsten ist. Trotzdem ist das etwas schwierig, weil es einen falschen Eindruck erwecken kann. Erfolgt das das bei Indizien, welche man in zwei Richtungen deuten kann und die einzeln gesehen neutral sind, kann beim Leser eines Urteils durchaus den Eindruck erwecken, dass das Gericht voreingenommen ist. Das findet man gehäuft im Darsow-Fall. Manchmal ist weniger eben mehr. Das Urteil hätte im Darsow-Fall sicher keine 300 Seiten haben müssen. Dieses Urteil hat mindestens zwei massive Säulen, deren Blick durch eine recht leichtgewichtige Fassade etwas verdeckt wird.

Für den dritten Punkt, den ich genannt habe, dass G direkt nach dem Besuch einkaufen gefahren war, den kann man in zwei Richtungen deuten. Das heißt man kann ihn im Gesamtbild auch möglicherweise belastend deuten, obgleich es auch andere lebensnahe Gründe als Erklärung dafür gibt.

Aber das gilt nicht für die Sache mit der Vorlage des Kassenbons und der hohen Anzahl von Binden. Bei beiden Indizien liegen schwere gedankliche Fehler vor, die Indizien hätte es so (belastend) nicht bewertet werden dürfen.

Und das Thema ist auch nicht gerade belanglos gewesen, es betraf ausgerechnet die Bewertung des Alibis, was bei richtige Bewertung zusammen mit der DNA durchaus dazu geführt haben können, dass es mit den DNA-Spuren doch zu Zweifel am Gutachten hätte fast führen müssen, zumal es ein anderes Gutachten (das der Verteidigung gab).

Natürlich hätte auch bei richtiger Bewertung dieser Indizien G verurteilt werden können, das Opfer hätte beispielsweise schon vor der Tat diesen Auftrag gegeben haben können und dann hätte es auf die fehlerhafte Bewertung ganz verzichten können, aber es hat durch die fehlerhafte Bewertung einen vermeintliche Bestätigung seiner Ansicht gesehen, was wirklich nicht zutraf.

Aber warum hat es bei der Bewertung der Indizien die Sache nur ganz oberflächlich angekratzt. Warum? Hierfür gibt es für mich nur eine Erklärung, es hat dann aufgehört weiter zu kratzen, als es seine Ansicht bestätigt gesehen hat.

Das kann dann wirklich dazu geführt haben, dass es wahrscheinlich den Wald nicht gesehen hat.


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Palio ehemaliges Mitglied

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16.02.2023 um 09:37
Zitat von LentoLento schrieb:Dagegen ist der Sturz in die Wanne mit einschlägiger Lebenserfahrung nicht zu beurteilen bzw. zumindest Richter werden dei kaum haben
Darum wurden zu dieser Frage auch Sachverständigengutachten eingeholt, die wiederum zu übereinstimmenden Ergebnissen führten:
Ein Sturz mit den gegebenen Parametern (Körperendlage mit trocken gebliebenem, aus der Wanne hängendem linkem Bein, Hämatome nur am Hinterkopf, Ertrinken bei mutmaßlicher Bewusstlosigkeit, daher keine Möglichkeit des Hochkommens) ist nur bei einer absurden Ausgangsposition vor der Wanne mit gleichzeitigem Überbeugen möglich. Die Abwegigkeit der Ausgangsposition hat das Gericht dann wieder selbst, in eigener Kompetenz festgestellt und die ist mMn. zutreffend bewertet. Es ist auszuschließen, dass die alte Dame hinter der Tür rechts von der Wanne stand und sich, ohne sich abzustützen, dort weit über die Wanne beugte.
Zitat von LentoLento schrieb:Ja das trifft es schon, aber warum?
Das frage ich mich auch. Hätten weitere Gutachten eingeholt werden sollen oder wurden die eingeholten falsch gewürdigt? @Rick_Blaine, wo lag deiner Meinung nach der Fehler?


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16.02.2023 um 10:00
Zitat von PalioPalio schrieb:Ein Sturz mit den gegebenen Parametern (Körperendlage mit trocken gebliebenem, aus der Wanne hängendem linkem Bein, Hämatome nur am Hinterkopf, Ertrinken bei mutmaßlicher Bewusstlosigkeit, daher keine Möglichkeit des Hochkommens) ist nur bei einer absurden Ausgangsposition vor der Wanne mit gleichzeitigem Überbeugen möglich. Die Abwegigkeit der Ausgangsposition hat das Gericht dann wieder selbst, in eigener Kompetenz festgestellt und die ist mMn. zutreffend bewertet. Es ist auszuschließen, dass die alte Dame hinter der Tür rechts von der Wanne stand und sich, ohne sich abzustützen, dort weit über die Wanne beugte.
Du bewertest hier nur die eine Version des Sturzes der in einem relativ früh veröffentlicht wurde. Aus den OLG-Beschluss wissen wir, dass das Insitut weiter Simulationen erstellt hat. Wahrscheinlich auch, weil der Auftrag nun vom Gericht erfolgte bzw. mit Prozesskostenhilfe dann bezahlt werden konnte.

Du versuchst daher etwas zu bewerten, wo Dir der Einblick fast vollständig fehlt.

Der aktuelle Stand ist der:
Ergänzend beruht die Entscheidung der Kammer auf einer computergestützten biomechanischen Simulation des Tatgeschehens. Danach wäre auch ein. Sturzgeschehen aus einer plausiblen Ausgangsposition möglich; dies hatte das sachverständig beratene Tatgericht noch nicht berücksichtigen können.
Quelle: https://www.justiz.bayern.de/gerichte-und-behoerden/oberlandesgerichte/muenchen/presse/2022/40.php

Nachdem das Gericht auch die vom Gericht bestellten Gutachter zu diesem Thema gehört hat.


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16.02.2023 um 10:03
Zitat von PalioPalio schrieb:@Rick_Blaine, wo lag deiner Meinung nach der Fehler?
Es ist nicht nur ein Fehler, sondern eine Reihe, die haben aber hauptsächlich mit der Situation im Bad zu tun.

Es fängt mit der für mich etwas apodiktischen Feststellung an, dass trotz gegenteiliger Aussagen das Gericht keinen Anlass sah, davon auszugehen, dass Frau K. eventuell doch eine Neigung zu Stürzen hatte.

Dann die Weigerung, für möglich zu halten, dass sie in der nicht alltäglichen Situation (Entlassung aus dem Krankenhaus mit verschmutzter Wäsche) diese vielleicht doch in der Wanne einweichen wollte.

Dazu die Meinung, dass Frau K. die Wanne eh nicht nutzen würde, obwohl nicht nur Spuren an der Batterie darauf hinwiesen, sondern auch verschiedene Gegenstände im Bad.

Dass es die angeblich einzige eingeräumte Möglichkeit zu stürzen, von der Position her als abwegig bezeichnete, obwohl zum Beispiel ein Handtuch in jener Ecke im Bad hing, das man genau und nur von dieser "abwegigen" Position erreichen konnte.

Dann die gegen jede Lebenserfahrung sprechende Annahme, dass die Lage aller Dinge im Bad genau der Lage entsprach, die sich vor eintreffen der zahlreichen Personen im Bad ergeben hatte. Die komplette Missachtung der Aussage des Notarztes, dass er sehr wohl den Körper in der Wanne bewegt hatte.

Gerade die beiden letzten Punkte wage ich aus meiner Erfahrung als Rettungssanitäter zum Beispiel zu bezweifeln, da meine Erfahrung ist, dass man nicht nur in einer solchen Situation keinerlei Rücksicht auf den "Tatort" nimmt, wenn es um Rettung geht, sondern dass es ganz normal ist, wenn mehrere Retter sich um ein Opfer kümmern wollen, man störende Gegenstände aus dem Weg räumt - was zum Beispiel die Lage von Stock und Schuhen zweifelhaft macht. Auch zu glauben, dass niemand der, angesichts der Enge im Bad doch zahlreichen, "Zeugen" irgendetwas verändert hätte. Aber unter dieser Annahme wurde das einflussreiche Gutachten gemacht.

Weiter das Abhaken der Tatsache, dass sich trotz aller Bemühung der Staatsanwaltschaft eben kein deutliches Motiv zeigen liess, so dass das Gericht einfach einen "Streit" vorausgesetzt hat, damit die beiden Kopfverletzungen erklärbar wurden. Und das, nachdem sich das Unterschlagungsmotiv bereits in Luft aufgelöst hatte.

Dann die eigenwillige Interpretation des Einkaufsbons usw.

Meiner Meinung nach ist die Spurenlage hier höchstens diffus zu nennen. Und daher hätte das Gericht einräumen müssen, dass eben doch zahlreiche Zweifel an der Schuld des Angeklagten existieren und begründbar sind - und das hätte zu einem Freispruch "in dubio pro reo" führen müssen.

Es wird ja öfter mal in anderen Fällen davon gesprochen, dass "man so nicht hätte verurteilen dürfen." In den auch hier im Forum diskutierten Fällen Darsow, Toth usw. bin ich nicht der Meinung, aber in diesem Fall hier sehr wohl. Ich bin der Meinung, das Gericht hat sich von dem Gutachten blenden lassen und daher nicht mehr alle Indizien vorurteilslos bewertet.


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Palio ehemaliges Mitglied

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16.02.2023 um 10:13
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Ich bin der Meinung, das Gericht hat sich von dem Gutachten blenden lassen und daher nicht mehr alle Indizien vorurteilslos bewertet.
Nur darauf kommt es an. Lento fordert Sachverständigenrat an allen Ecken und Enden. Das hat die Kammer hier ja getan, das musste sie auch tun.
Wie hätte sie diese übereinstimmenden Gutachten "ungeblendet" revisionsfest anders würdigen sollen? Als fehlerhaft? Oder den Sturz von rechts nicht als lebensfremd betrachten?
Der Sturz von rechts vor der Wanne setzt allerdings ein Überbeugen über die Wanne in Richtung Armaturen voraus, nicht in Richtung Handtuch.


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16.02.2023 um 10:29
@Palio

Du greifst gerade mal ein Punkt aus den vielen heraus, den @Rick_Blaine genannt hat.

Soweit ich noch weiß, hat das Gericht grundsätzlich diese Position ausgeschlossen. Es gibt an der Stelle jedoch nicht nur ein Handtuck sondern auch eine Aufhängmöglcihkeit für Wäsche an der Wand. Sie kann sich durchaus nach dem Händeabtrocknen dorthin gedreht haben und sich nach dort vorgebeugt haben. das ist auch lebensnah. Die Zeugen waren sich auch nicht sicher, ob die Tür vollständig offen war, sie konnte auch angelehnt gewesen sein.

Trotzdem gehe ich davon aus, dass das Opfer - bei einem Unfall - weiter links stand, denn es wird den Griff mit der rechten Hand gegriffen haben und mit der linken Hand die Armaturen. Die DNA-Spuren legen das nahe. Das ist für einen alten Menschen schon eine etwas kritische Position, denn das Aufrichten erfordert auch relativ viel Kraft und bei einem geschwächten Zustand nach der Entlassung aus der Klinik, kann sie dann durchaus zu einem Schwächeanfall erlitten haben. Das ist nicht lebensfremd.


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16.02.2023 um 11:39
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Dann die gegen jede Lebenserfahrung sprechende Annahme, dass die Lage aller Dinge im Bad genau der Lage entsprach, die sich vor eintreffen der zahlreichen Personen im Bad ergeben hatte. Die komplette Missachtung der Aussage des Notarztes, dass er sehr wohl den Körper in der Wanne bewegt hatte.
Das wiederum halte ich für eine sehr freie Interpretation des Urteils. Darin steht nichts von einem Notarzt, der ausgesagt hat, den Körper in der Wanne bewegt zu haben.

Es wurde vielmehr ein Rettungsassistent vernommen, der eingetroffen war, nachdem die beiden Pflegerinnen Frau K. gefunden hatten. Der Zeuge gab an, Frau K gar nicht mehr berührt zu haben, da er gesehen hatte, dass Reanimationsmaßnahmen keinen Erfolg versprachen. Später traf dann noch eine Bereitschaftsärztin ein, die den Tod bestätigte (Urteil S. 36).


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Badewannenunfall von Rottach-Egern

16.02.2023 um 11:57
Auf Seite 38 unten wird es so geschildert, wie es @Rick_Blaine schon meinte.

Der Zeuge hatte sich nur bei verschiedenen Aussagen den Sachverhalt etwas unterschiedlich geschildert. Durch die leicht unterschiedliche Darstellungen hielt das Gericht dann die Aussage dieses Zeugen nicht für glaubhaft.

Ich sehe das schon als extremes Problem an, wenn ein Gericht einen Zeugen als nicht glaubhaft ansieht und dann davon ausgeht die Leiche wäre nicht bewegt worden. Aus meiner Sicht ist das ein grober Fehler. Richtig wäre es genau umgekehrt, wenn ein Zeuge nicht sicher ist, ob er eine Veränderung durchgeführt hat, dann kann muss man schon davon ausgehen, dass eine Veränderung vorliegt, denn eigentlcih ist eine Nichtveränderung zu belegen.

Es reicht grundsätzlich, dass eine einzige Person das Opfer bewegt hat um die Lage zu verändern. Da kann man nicht einfach so tun, als wäre der Zeige gar nicht am Opfer gewesen.

Sorry, ich sehe das auch als einen der grober, fast schon fahrlässiger Fehler in diesem Urteil. Jedenfalls das sagt mir mein "gesunder Menschverstand" oder auch Logik genannt.


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Badewannenunfall von Rottach-Egern

16.02.2023 um 12:10
Zitat von LentoLento schrieb:Es reicht grundsätzlich, dass eine einzige Person das Opfer bewegt hat um die Lage zu verändern. Da kann man nicht einfach so tun, als wäre der Zeige gar nicht am Opfer gewesen.
Die Frage ist aber doch, wann und in welchem Zusammenhang die Leiche bewegt worden ist. Wenn die beiden Pflegerinnen, die beiden Polizisten plus der Rettungsassistent angegeben haben, die Leiche nicht berührt zu haben und sie so wie auf den gefertigten Lichtbildern erkennbar vorgefunden zu haben, führt eine eventuelle spätere Änderung der Position ja nicht dazu, dass sich an der originären Auffindesituation im nachhinein etwas ändert.

Die Angaben des erst nach Pflegerinnen, Polizisten und Rettungsassistent eintreffenden Notarztes, wie immer man sie interpretieren will, helfen, was die Lage der Leiche bei Auffinden betrifft, also kaum weiter.


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Badewannenunfall von Rottach-Egern

16.02.2023 um 12:17
Zitat von LentoLento schrieb:Trotzdem gehe ich davon aus, dass das Opfer - bei einem Unfall - weiter links stand, denn es wird den Griff mit der rechten Hand gegriffen haben und mit der linken Hand die Armaturen.
Ist etwas darüber bekannt, ob Frau K. Links- oder Rechtshänderin war?


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Badewannenunfall von Rottach-Egern

16.02.2023 um 12:24
@Kohlhaas

Wenn die Lichtbilder vorher erstellt wurden, dann muss ich Dir Recht geben. Ich habe jedoch den genauen Zeitpunkt der Lichtbilder nicht finden können. Die Befragung des Zeugen wäre dann auch überflüssig gewesen, ein Bewegen hätte dann keine Rolle gespielt. Man muss daher beim Lesen des Urteils schon davon ausgehen, dass dei Aufnahmen später erfolgten.

Es KANN natürlich sein, dass es anders war und man dadurch etwas in die Irre geführt wird. Hast Du da einen Zeitpunkt? Es gibt auch meherer Aufnahmen, eine Aufnahme des Opfers, wo noch Wasser drin war, eine spätere, wo das Wasser abgelassen war. Die Zeugin muss zumindest vor der 2. Bildreihe eingetroffen sein. Ich könnte mir daher durchaus vorstellen, dass das Ablassen des Wassers erfolgte als der Photograph am Ort war und der Zeuge schon das Opfer untersucht hatte.


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Badewannenunfall von Rottach-Egern

16.02.2023 um 12:36
Zitat von emzemz schrieb:Ist etwas darüber bekannt, ob Frau K. Links- oder Rechtshänderin war?
Das ist eine gute Frage. Das ist mir nicht bekannt. Aber ein Detail legt das sogar nahe, die Dusche ist von irgendjemandem sehr wahrschlich mit der linken Hand auf die Armatur gelegt worden. Normalerweise hat ein Rechtshänder die in der rechten Hand. Wenn das von dem Opfer erfolgte, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Frau K. Linkshänderin war.

https://www.allmystery.de/bilder/km135399-66


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Badewannenunfall von Rottach-Egern

16.02.2023 um 12:45
Zitat von LentoLento schrieb:Es KANN natürlich sein, dass es anders war und man dadurch etwas in die Irre geführt wird. Hast Du da einen Zeitpunkt?
Leider weiß ich auch nichts über den genauen Zeitpunkt, wann die Aufnahmen gemacht wurden. Wenn die Zeugen, die als erste am Auffindeort waren, aber in der Hauptverhandlung nach Besichtigung der Fotos sowohl bestätigt haben, dass sie die Leiche so vorgefunden haben wie auf den Aufnahmen ersichtlich, als auch angegeben haben, dass sie an der Position nichts verändert haben, gehe ich davon aus, dass die Aufnahmen ziemlich früh gemacht worden sein müssen und die tatsächliche Auffindelage wiedergeben.

Man kann natürlich vertreten, dass sämtliche Zeugen nicht glaubwürdig und ihre Aussagen unglaubhaft sind. Hierfür hat das Gericht aber offenbar keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte gefunden. Die Schlussfolgerung des Gerichts, dass Frau K. in der beschriebenen Lage (und nicht irgendwie anders) aufgefunden wurde, scheint mir daher keine falsche Beweiswürdigung zu sein.


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Badewannenunfall von Rottach-Egern

16.02.2023 um 12:55
@Kohlhaas
Wir sollten da schon etwas aufpassen, ich persönlich sehe es so, dass die Lage nicht wirklich stark verändert wurde. Und es kann durchaus sein, dass die Zeugin wirklich so nach der Untersuchung die Leiche zurückgleiten lassen, das für wirklich die Lage als so ähnlich erschien, dass sie von der gleichen Lage ausgehen.

Eine solche Begründung hätte ich im Urteil auch durchaus vertretbar gehalten, dass das Gericht davon ausgeht, dass die Bilder halbwegs die richtige Lage wiederspiegeln.

Aber einfach den Zeugen als unglaubwürdig halten, dass kann ich dann wirklich nicht verstehen. Warum eigentlich? Wäre das Gericht guten Gewissens bei der Richtigkeit der Aussage des Zeugens doch nicht von einer unveränderten Lage ausgegangen? Weil einfach aus der Erfahrung heraus Zeugen nicht ein solch gutes Gedächtnis haben? Diese Bewertung des Zeugen werfen viele Fragen auf, die Gedanken des Gerichts dazu kann ich nicht wirklich nachvollziehen.

Gab es vielleicht mit der Präsentation der Bilder den Zeugen gegenüber ein Problem? Man darf nicht vergessen, Zeugen neigen dazu, dass sie bei solchen Bildern dann sagen, in dieser Lage haben sie die Person angetroffen. Man muss die Zeugen vor der Präsentation der Bilder nach der genauen Lage fragen, danach ist es zu spät. Dieser Fehler erfolgt gar nicht so selten.


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