In den Medien wird es leider teilweise fälschlicherweise so dargestellt, als ob der simulierte Sturz nun als geklärte Ursache festgestellt wurde. Da wird postuliert: "Es war ein Sturz" und "MG hat zur Tatzeit ein Alibi".
Hier zum Beispiel Das ist natürlich nicht der Fall.
Zum Todeszeitpunkt und den Gutachten der Verteidigung hierzu hatte ich schon etwas geschrieben, hier wird m.E. die Zeit des Wassereinlaufs eine entscheidende Rolle spielen und dann die Bewertung der ggf. geänderten Tatumstände. MG hat mMn. die bewusstlose Frau Kortüm in die Wanne gelegt, den Hahn leicht aufgedreht und danach die Wohnung verlassen. Sie ist später erst gestorben, als der Wasserstand hoch genug war.
Hinsichtlich der Computersimulation hat die Staatsanwaltschaft bereits richtig erkannt, was beim Sachverständigengutachten fehlt, nämlich eine fundierte und nachvollziehbare Wahrscheinlichkeitsaussage.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.11.2019 (in der er auf Einwände der Staatsanwaltschaft eingeht)
erläutert der Sachverständige, dass durch die Computersimulation "ein Urteil über die Wahrscheinlichkeit gefällt werden" könne; deren Höhe anzugeben, erfordere jedoch weitere Simulationsstudien, die sofort durchführbar, aber ...
sehr zeitaufwändig" seien.
Quelle: OLG-Beschluss (wiki)
Die Strafkammer hatte bereits damals einen von den gehörten Gutachtern als möglich eingeräumten Sturz mit einer Ausgangsposition vom rechten Rand ausgeschlossen, weil sie diesen als "lebensfremd" beurteilte und daher nicht berücksichtigen musste.
Sollte es sich wegen seiner Seltenheit bei dem mit Hilfe von Computerprogrammen nun gefundenen Sturz ebenfalls um einen lebensfremden Sturz handeln, wäre dieser genauso unbeachtlich und im Ergebnis ein Sturzgeschehen auszuschließen.
Es braucht daher eine nachvollziehbare (!) Wahrscheinlichkeitsaussage zu diesem Sturz. Dafür reicht es nicht, wenn der Sachverständige einfach nur behauptet, ein oder speziell dieser Sturz sei sehr wahrscheinlich. Die Ermittlung der Wahrscheinlichkeit muss anhand einer fundierten Datenlage plausibel objektiviert werden. Ohne eine solche fundierte Wahrscheinlichkeitsaussage ist das Gutachten evtl. sogar als nicht verwertbar anzusehen.
Bei der DNA-Analyse sind Wissenschaft und Rechtsprechung in dieser Hinsicht schon weiter, eine Wahrscheinlichkeitsangabe (und ggf. Darlegung) ist Pflicht:
Die Darstellung der Ergebnisse einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung ist so auszugestalten, dass die Wahrscheinlichkeitsberechnung für das Revisionsgericht nachvollziehbar ist.
BGH 1 StR 499/18 - Urteil vom 6. Februar 2019
Bei standardisierten Verfahren (ein solches haben wir hier gerade nicht) genügt die Mitteilung des numerischen Ergebnisses, vgl. BGH 1 StR 79/19 - Beschluss vom 22. Mai 2019.
Die Wahrscheinlichkeitsberechnung wird mMn. eine wichtige Rolle spielen.