siri76 schrieb am 03.05.2019:Bzgl.der fehlenden Etiketten - mit der Entschuldigung, falls es schonmal erwähnt wurde: Wenn B-Ware verkauft wird (z.B.Lagerverkauf) kann es sein, dass die Label entfernt werden, um einen Umtausch unmöglich zu machen.
Ein guter Hinweis. Möglicherweise entsprach das der damaligen Rechtslage. Gemäß aktueller Textilkennzeichnungsverordnung sind alle Textilerzeugnisse, die in den Verkehr gebracht werden sollen, ordnungsgemäß im Sinne der Verordnung zu kennzeichnen. Hiervon ist auch die B-Ware umfasst, also neue ungebrauchte Ware mit kleineren Mängeln, die mit einem Nachlass verkauft wird. Ausgenommen sind gebrauchte, konfektionierte Textilerzeugnisse, sofern sie ausdrücklich als solche bezeichnet sind. Es könnte sich also um Second Hand oder ausgesonderte Ware handeln. Eventuell hat JF die Kleidung auch als Mitarbeiterin eines Kaufhauses preisreduziert erworben.
Im Hotelzimmer wurden zahlreiche Kleidungsstücke und Gegenstände gefunden. Hier eine Übersicht (es fehlt der Ring):
Original anzeigen (0,2 MB)Die Uhr und der Lauf der Waffe haben eine individuelle Seriennummer, so dass der Händler oder sogar der Käufer grundsätzlich feststellbar wäre. Nur autorisierte Behörden können diese Daten in begründeten Fällen einholen. Die Kripos hat zwar eine Abfrage durchgeführt, dabei nach meinem Eindruck aber nicht alle Möglichkeiten genutzt. Ich nehme an, dass Citizen Tokyo auch heute noch den Weg der Uhr bis zum Händler nachvollziehen kann. Gleiches gilt für die Herstal-Group als Hersteller des Laufes.
Aber auch die Kleidung könnte uns Informationen liefern, wo JF möglicherweise eingekauft hat. Ich finde bspw. die Lederjacke sehr interessant. Trotz intensiver Suche ist es mir aber nicht gelungen, im Netz eine identische Jacke zu finden. Der schwarze Mantel bzw. Trenchcoat ist vermtl. aus Nappa Leder und hat einige besondere Merkmale: (Das Foto mit geringer Auflösung wurde im Kontrast etwas angehoben.)
1) Entferntes Etikett
2) Stehkragen mit Reißverschluss
3) Vertikale Nähte bis zur Schulter
4) Goldene Reißverschlüsse
5) Innenseitiges Etikett / Lederlabel ?
6) Schwarzes Innenfutter
7) Ball Zipper oder Griffstück am Ende abgewinkelt ?
Folgende ähnliche Jacke habe ich gefunden. Diese wurde unter dem Label „JOY“ bei C&A verkauft.
Original anzeigen (0,2 MB)Hathora schrieb am 04.05.2019:Nein, sie sammeln nur die Fakten, mehr oder weniger. Der Staatsanwalt ist derjenige, der dann sagt: Das war Suizid, Akte schliessen. Denn Ermittlungen, besonders über die Landesgrenzen hinaus sind sehr zeitaufwändig, kosten viel Geld und Personal und erfordern einen riesigen bürokratischen Aufwand. Der Staatsanwalt hat nur begrenztes Volumen an Personal, Zeit und Finanzen vorrätig und muss abwägen, ob es sinnvoll ist, bei einem anscheinenden Suizid dieses zu verschwenden.
Ja, so sehe ich es auch. Der als Suizid deklarierte Fall wurde bereits in die Kategorie „ungelöst“ eingeordnet und es besteht nur eine geringe Bereitschaft, weitere personelle und finanzielle Ressourcen aufzuwenden. Eine öffentliche Suche nach über zwanzig Jahren deutet aber darauf hin, dass die neue ColdCase-Group sich erneut mit dem Fall befasst hat.
Morny schrieb am 07.05.2019:Was mich immer noch wundert ist, dass es irgendwie nicht möglich war die von JF gewählten Telefonnummern zu ermitteln. Sowas ist in Zeiten der heutigen Massenspeicherung nur schwer vorstellbar.
Sämtliche Telefonbücher stehen im Staatsarchiv in Brüssel. Die Suche ist sicherlich sehr aufwendig, kann aber erfolgreich sein.
Morny schrieb am 08.05.2019:Es gibt doch zig Gründe, wieso keiner JF vermissen könnte:
Eltern tot, zurück gezogen gelebt.
Mein Zahnarzt oder Banksachbearbeiter würden mich auch nicht vermissen, denke ich.
Genauso gut könnte sie als Kind entführt worden sein und bis 1995 in den Klauen von irgendwelchen Machenschaften gewesen sein, die sich hüten werden sie als vermisst zu melden. Letzteres finde ich tatsächlich noch immer wahrscheinlicher als eine Geheimdienstverschwörung.
Sicherlich ist es nicht selten, dass der Kontakt unter Angehörigen oder engen Freunden im Laufe der Zeit abnimmt und schließlich ganz eingestellt wird. Dafür muss es auch keinen außergewöhnlichen Grund geben. Jeder lebt sein Leben und da es keine Informationen gibt, geht jeder davon aus, dass es dem anderen gut geht. So gesehen wird es vermutlich heute noch Menschen geben, die über das Schicksal des Kindes, der Schwester, der einstmals engen Freundin, der Mitschülerin oder Kollegin nichts wissen. Nach dieser Theorie hat sich JF langsam von ihrem engeren sozialen Umfeld verabschiedet und schließlich den Kontakt abgebrochen. Ebenso ist es denkbar, dass die Beziehung im sozialen Umfeld durch Konflikte oder andere Gründe belastet war.
Anderseits ist es durchaus möglich, dass JF aktiv gesucht wurde. Dabei sind die eingesetzten Mittel entscheidend. Bei der Polizei ist offensichtlich keine übereinstimmende Vermisstenanfrage registriert und der Eintrag wurde schon vor vielen Jahren gelöscht. Möglichweise haben die Angehörigen irgendwann resigniert aufgegeben. Als Alternative bietet sich heute natürlich eine Suchanfrage via Internet an. Aber auch hier haben sich bisher keine brauchbaren Hinweise ergeben.
Nehmen wir an, ein Geschwisterteil hat nach über zwanzig Jahren den Wunsch, mit der Schwester Kontakt aufzunehmen. Der übliche Weg wird sein, sich zunächst in den sozialen Medien umzuschauen oder ehemalige Freunde zu befragen. Ohne das Schicksal der Schwester und ihren erfunden Namen zu kennen, wird keiner auf den Plaza Fall kommen. Es verlangt schon eine intensive Suche, schließlich auf dem Doe-Network oder anderen Seiten für vermisste Personen weiterzusuchen.
In Deutschland hat sich bisher nur die Bild-Zeitung mit diesem Fall befasst. Dieses Blatt hatte im 1. Quartal 2018 eine tägliche Auflage von 1,94 Millionen Exemplaren. Davon wurden 1,48 Millionen Exemplare verkauft. Nach eigenen Angaben hat die Bild eine Reichweite von über 9,3 Millionen Lesern. Zu berücksichtigen ist, dass unter Reichweite bspw. auch eine kurze Kenntnisnahme der Schlagzeilen am Bahnhofskiosk zu verstehen ist. Die Online Ausgabe der Bild hat ca. 0,7 Millionen tägliche Zugriffe. Grob geschätzt dürften also ca. 2 Million den Plaza Fall gelesen haben. Auf jeden Fall müssen wir noch die vielen tausend interessierten Leser von Allmy hinzuzählen ;-)
Die 2 Millionen verteilen sich allerdings nicht gleichförmig über das Land. Während in Halle ca. 6% der Bevölkerung eine Bild Zeitung kaufen, sind es in Berlin lediglich 1,19%.
https://meedia.de/2014/08/05/bundes-statistik-wo-verkauft-sich-bild-am-besten-wo-am-schlechtesten/ (Archiv-Version vom 25.05.2018)Aber wieviel e Menschen müssten eine Bild-Zeitung kaufen, um statistisch mindestens eine Person zu erreichen, die JF identifizieren könnte ? Diese Frage ist mMn schwer zu beantworten. Es müssen Personen sein, die JF kannten UND auch bereit sind, dieses Wissen an die Behörden oder die Zeitungsredaktion weiterzugeben. Diesen Personenkreis würde ich auf Familienangehörige, Verwandte, enge Freunde und Schulkameraden, einige Bekannte, Nachbarn und Kollegen eingrenzen. Ich schätze, es werden ca. 20 bis 50 Personen sein. Diese Zahl würde in Halle ausreichen, um ein oder zwei Person zu finden - in Berlin allerdings nicht. Ausgehend von dieser Vermutung ist anzunehmen, dass eine Identifikation bisher erfolglos war, weil die öffentliche Suche in bestimmten Regionen nicht ausreichend viele Menschen erreicht hat. Zu diesen Regionen zählt u.a. auch der Kreis Barnim (1,4% Bild Käufe) und um diesen Kreis gibt es ebenfalls einen Hotspot bei der Isotopenanalyse.
Nach meiner Überzeugung könnte JF auch nach dem Juni 1995 immer mal wieder im Raster der Behörden gewesen sein. Das kann eine Aufforderung der kommunalen Pass-/ und Meldestelle sein, die Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung, ein Gerichtsbescheid oder auch eine Erbschaftangelegenheit. In allen Fällen wird die Kontaktaufnahme erfolglos gewesen sein oder ein Brief kommt mit dem Vermerk „unzustellbar/Empfänger unbekannt verzogen“ zurück. Behörden haben auch auf Grundlage des Verschollenheitsgesetzes die Möglichkeit, bei den Landesmeldeämtern anzufragen. Ich gehe davon aus, dass die Anzahl der Damen mit einer bestimmten Größe, Augenfarbe, Geburtsjahr sowie seit 1995 ohne bekannten Aufenthaltsort nicht sehr groß ist. Immerhin ist es den deutschen Behörden auch nach der Tsunami Katastrophe von 2004 gelungen, hunderte Opfer sicher zu identifizieren.
Hathora schrieb am 08.05.2019:Ich vermute, J.F. stand unter grossem Druck.
Das sehe ich auch so. Der Weg nach Oslo scheint mir eine Flucht gewesen zu sein. Ich vermute, sie war tief verzweifelt und fühlte sich in Deutschland nicht mehr sicher.
musikengel schrieb am 08.05.2019:evtl. stammt sie doch aus einem anderen Land, Europa , dass wir noch nicht auf dem Schirm hatten...und sie nur in ihrer Kindheit evtl. in Deutschland wohnte, und dann in ein anderes europäisches Land gezogen ist...
Ich denke, es ist richtig, wenn auch andere Herkunftsländer nicht ausgeschlossen werden. Immerhin gab es in der ehm. DDR auch sogenannte Vertragsarbeiter aus verschiedenen Bruderländern, die dort für einige Jahre gelebt haben. Leider ist Kripos noch nicht auf die Idee gekommen, eine Isotopenanalyse der Haare durchzuführen, um ein Bewegungsprofil zu erstellen und den Aufenthalt in den letzten Monaten einzugrenzen.
Abschließend noch ein Bild, welches die möglichen Land- und Seewege zwischen Deutschland und Norwegen darstellen.
Es ist nicht bekannt, ob JF sich bereits vor dem 31. Mai 1995 in Norwegen aufgehalten hat. Wenn der 31. Mai aber der Anreisetag war, sie ihre Fahrt in Deutschland angetreten und sich direkt nach der Ankunft zum Hotel begeben hat, kann eine Seeverbindung und ein Fernreisebus ausgeschlossen werden, da diese regulär Vormittags in Oslo eintreffen. Die Flugverbindungen wurden von Kripos ergebnislos überprüft (hoffentlich haben sie nicht nur nach einer Jennifer Fergate gesucht). Daher vermute ich, dass JF eine Bahn-/Fährverbindung genutzt hat. Verfolgen wir die angenommenen Routen ausgehend von der Ankunftszeit und unter Berücksichtigung der Wegzeiten zum Hotel zurück, muss JF Helsingborg kurz nach 15 Uhr passiert haben. An diesem Bahnhof laufen mit Ausnahme zweier Fährverbindungen über Dänemark alle Bahnverbindungen zusammen. Die dänischen Verbindungen halte ich für weniger wahrscheinlich, da diese sehr umständlich sind. In der näheren Auswahl bleibt demnach eine Abfahrt von Travemünde und Puttgarden (s. Grahnert Bahn-Datenbank).
JF hat sich nach ihrer Ankunft noch bis tief in Nacht im Hotel bewegt. Das spricht mMn eher gegen eine lange, ermüdende Fernreise mit einem Nachtzug, sondern für eine Nähe zu diesen Häfen.