2r2n schrieb:Ich selbst werde mich an dieser Diskussion nicht beteiligen, weil für mich interessanter ist, was NICHT im Urteil steht. Da ist zum einen die Frage nach den Mittätern. Auf die nimmt das Urteil verständlicherweise keinen Bezug. J und die Frau von M müssten in der Logik des Gerichts Mittäter sein. Aber J wurde im Urteil nicht beleuchtet. Frau M wurde freigesprochen.
Nun, es geht hier immer noch um Dinge, die beweisbar sind. Frau M. wurde sogar angeklagt, aber mangels tragfähiger Beweise freigesprochen. Was die anderen Beteiligten angeht, so denke ich, haben Polizei und Staatsanwaltschaft da schon ihre Meinungen. Ich auch. Aber das Gericht war vorsichtig genug, um im Fall von Frau M. eben tragfähige Beweise zu fordern. Mir wäre auch lieb, man hätte den oder die Mittäter, Beihilfer usw. alle beweiskräftig benennen und verurteilen können, aber dem ist nun mal nicht so, unter anderem auch deshalb, weil mindestens einer eben verstorben ist. Dass hier eine Frage, die nach dem oder den Mittätern unbeantwortet bleibt, schliesst aber nicht per se aus, dass man einem Täter, hier dem M., die Tat beweisen konnte.
2r2n schrieb:Zum anderen ist die Waldkunde und das unbemerkte Vorbereiten der Tat von Bedeutung. Hierauf geht das Urteil auch nicht ein. Bzw. geht es davon aus, dass es irgendwie funktioniert haben muss. Die Wahl des Entführungsortes und des Vergrabungsortes, das unbemerkte Graben des Loches, das Ausschneiden der Pfade, die Installation des Klingeldrahts, die unsichtbare Bewegung im Wald und überhaupt die Wahl des Waldes (sowohl für die Entführung als auch für die Verwahrung des Opfers, was in der Geschichte der Entführungen völlig ungewöhnlich ist). Das waren keine Themen.
Egal wer es am Ende war, es gelang nun mal dem Täter, all diese Arbeiten unbeobachtet auszuführen. Das ist nun mal eine der wenigen unumstösslichen Tatsachen: die Kiste wurde gebaut, verbuddelt, das Kind wurde dorthin verbracht usw. Das kann ja nicht ignoriert werden, nur weil es niemand beobachtet hat. Es "muss" also nicht irgendwie funktioniert haben - es hat funktioniert. Das aber macht die Beweiswürdigung der restlichen Indizien nicht unmöglich.
Edelstoff schrieb:Vielleicht muss man die Aussagen live im Gerichtssaal verfolgt haben, um darin einen Sinn zu erkennen.
Das wäre sicherlich von Vorteil.
Edelstoff schrieb:Als Ingenieur hätte ich einfach einen Abgleich mit den gefundenen Bändern und dem Gerät vorgenommen, um zu untersuchen, ob die Bänder mit genau dem gefundenen Gerät aufgezeichnet worden sind.
Es hat ja nie jemand behauptet, dass die vorgefundenen Bänder mit diesem Tonband bespielt wurden. Weder Verteidigung noch Anklage. Im Gegenteil, M. selbst hat ja ausgesagt, dass er die Bänder bereits bespielt erworben hat. Insofern ist diese Frage komplett irrelevant.
Seps13 schrieb:Das wusste ich bisher auch nicht. Es hieß hier, soweit ich das mitbekommen habe, dass gerade kein Bezug zu Mazurek in irgendeiner Form hergestellt werden konnte.
Dem ist aber nicht so, im Gegenteil, das Gericht hat durchaus zu mehreren verwendeten Materialien Beweise erhoben und aus diesen den Schluss gezogen, dass sie M. zuzuordnen waren.
Seps13 schrieb:Oder geht aus dem Zusammenhang hervor, dass der tatsächliche Radioempfang irgendeine andere hintergründige Bedeutung hat?
Nein. Der ist ebenfalls komplett irrelevant.
Ich verstehe, dass es für manche etwas frustrierend ist, nicht einmal das Urteil komplett lesen und auf sich wirken lassen zu können. Aber man darf doch hoffentlich noch einem bayerischen Gericht unterstellen, sich mit den einzelnen Indizien befasst zu haben. Im Einzelfall kann man das bei manchen Urteilen vielleicht anzweifeln, aber gerade bei diesem hier habe zumindest ich nicht den Eindruck gehabt, das Gericht habe hier ins Blaue hinein fabuliert. Insofern kann ich mich hier in diesem Fall keiner pauschalen Kritik am Gericht anschliessen. In anderen Fällen sehe ich das auch anders.
Aus den mir vorliegenden Dingen, von denen ich etwas verstehe, ist mir nichts aufgefallen, was mich an den Schlussfolgerungen des Gerichts zweifeln lässt. Von der Tonbandtechnik verstehe ich nichts, daher kann ich das nicht beurteilen. Mir fällt lediglich auf, dass ich den Eindruck habe, das Gericht hat keineswegs sich ausschliesslich auf dieses Tonband und das umstrittene Gutachten gestützt. Auch das ist m.E. hier anders als in einem derzeit ebenfalls diskutierten Fall.
Letztens sei mir die Bemerkung gegönnt, dass ich durchaus die Problematik verstehe, wenn man Zeugen nicht mehr direkt vernehmen kann und den - in unserer Rechtsordnung nun mal zulässigen - Urkundsbeweis bemühen muss. Ich kann natürlich von meiner Position nicht beurteilen, wie glaubwürdig und tragfähig nun diese "Urkunden" und Aussagen der beteiligten Ermittlungsbeamten sind, aber auch hier unterstelle ich erst einmal, dass sich das Gericht der Problematik ebenfalls bewusst war und es nach bestem Wissen entschieden hat. Es hat auch in der Hinsicht nachvollziehbar seine Meinung begründet. Es hat dies gerade im Hinblick auf Pfaffingers Aussagen m.E. getan.
Isofern verstehe ich Kommentare auch nicht, die von "Beurteilung nach Aktenlage" sprechen und dies als unseriös darstellen. Ich glaube es ist eher realitätsfern zu glauben, dass die 5 beteiligten Richter hier die in Akten auf vermutlich tausenden Seiten zusammengetragenen Ermittlungsergebnisse der Polizei ignorieren, und sich auf allen Vieren aufmachen sollen, selbst jegliches Indiz nachzuermitteln. Meint man z.B. die Richter sollen hier selbst in der Grube im Weingartengebiet mit Massband herumkrabbeln und alles nachmessen?