Andante schrieb:Wenn Mitdiskutanten lieber von einer Theorie ausgehen wollen und dazu keine Fakten brauchen, sondern ihnen Vermutungen ausreichen, ist das ok.
Es ist zwar sehr großzügig, dass du eine derartige Herangehensweise ok findest, aber ich sehe keine Anhaltspunkte dafür, dass deine Mutdiskutanten von Theorien ausgehen ohne sie durch Fakten zu untermauern. Im Gegenteil: Erst durch Fakten, die nicht selbst fabuliert, sondern allesamt das Resultat der äußerst umfangreichen jahrelangen Ermittlungen sind, werden Widersprüche zum gefällten Urteil offenbar.
Ich denke, du hast dich nicht wirklich intensiv mit dem Fall beschäftigt, was natürlich nicht verwerflich ist. Aber dann solltest du auch den Ball etwas flacher halten - oder aber tiefer in die Materie einsteigen und dadurch eine angemessene Diskussion überhaupt erst ermöglichen.
Nur ein Beispiel: Die Lackbeschichtung der Abdeckhaube war nicht zufällig Gegenstand der bekannten XY-Sendung. Sondern durch (in ihrem Umfang beeindruckende) akribische Ermittlungsarbeit der Polizei und das Heranziehen von Experten verschiedener Fachbereiche stellte sich damals heraus, dass dieser Lackbeschichtung in ihrer Zusammensetzung eine so große Einzigartigkeit zugrunde lag, dass der „Beweiswert als sehr hoch eingeschätzt“ (Zitat des verantwortlichen Ermittlers) wurde.
Kurz: Sowohl die Zusammensetzung des Bitumenlacks (er enthielt maritimes Kieselgur) als auch die Kombination der Farben war eine einzigartige Spur (DAS würde ich einen „Fingerabdruck“ nennen!) Die Ermittler setzten alles dran, einen Betrieb oder Hersteller zu finden, der diese Zusammensetzung verarbeitete oder einsetzte (oder wenigstens kannte), es wurden über 1700 Firmen überprüft. Allerdings konzentrierte man sich auf Dachdecker und Hersteller von Abdichtungsmaterial etc. Die besagte Firma für Straßenmarkierungen wurde nicht überprüft, obwohl sie im Landkreis war, weil man wohl nicht die Verbindung herstellte. Es war damals eine neuere Entwicklung bei Beschichtungen, man experimentierte herum mit stabilisierenden Füllstoffen, seit man wusste, dass Asbest extrem gesundheitsschädigend ist. Dieser Ermittlungsansatz ging also ins Leere, obwohl sehr große Hoffnungen daran geknüpft waren.
Wenn man nun Jahrzehnte später feststellt, dass diese Zusammensetzung bei Straßenmarkierungen Anwendung fand/findet; wenn man zudem konstatiert, dass der damalige Eigner der besagten Firma selber gern und viel experimentierte mit Beschichtungen, auch zahlreiche Patente anmeldete; wenn man noch weitere Dinge herausfindet (z.B. die Firma bildete mit dem Wohnhaus der Familie einen gemeinsamen Gebäudekomplex; diese spezielle Kieselgur stammte laut der Analysen aus einem Land, zu dem der Firmeninhaber exzellente und enge Beziehungen pflegte) und wenn man feststellt, dass der Sohn des Firmeneigners nicht nur damals junger Erwachsener in einer Schule unmittelbar beim Tatort war, sondern im Zusammenhang mit dem Fall in den Akten auftaucht (als Finder des Klingeldrahts), dann sind das alles erstmal nichts anderes als: Fakten.
Es ist also mitnichten so, dass irgendeine Theorie gebacken wird, für die man statt Fakten luftige Vermutungen in die Manege treibt. Vielmehr sind es teils jahrzehntelang bekannte Fakten, teils kürzlich im Rückblick recherchierte Fakten, die entweder ganz zufällig zusammentreffen, ohne irgendeine Bedeutung oder aber deren Koinzidenz einen inhaltlichen Zusammenhang hat, also eine Theorie untermauern.
Womit man wieder bei Wahrscheinlichkeiten ist.