Tsunami ausgelöst durch Nuklearexplosion?
09.09.2008 um 10:15Was sagt uns das jetzt? Tötet alle Schmetterlinge und wir haben Ruhe mit den Hurrikans. ;)
Nach der Katastrophe wittern Investoren das große Geschäft mit Strandgrundstücken - und versuchen, die Bewohner zu vertreiben.So ist das mit dem Business - wie ein bösartiger Tumor
Pronthip Khongsong führte ein kleines Restaurant dicht am Meer. Sie vermietete außerdem ein paar Strandhütten und besaß einige Kokospalmen. Dann riss das Meer alles fort - ihren ganzen Besitz sowieso, aber auch die Mutter, die Schwester und eine kleine Nichte.
Drei Monate nach der Katastrophe stapft die Thailänderin mit Tränen kämpfend über den Sand, auf dem einst das Dorf Laem Pom stand. Viel ist nicht übrig geblieben: einige Fundamente und Bäume. Matratzen liegen herum. An einem Baum hängen aus dem Wasser gefischte Fotos. Sie zeigen eine alte Frau, einen Mönch und einen blauen Bergsee.
Pronthip und ihre Nachbarn wollten eigentlich ihre Heimat sofort wiederaufbauen. Doch das erwies sich als schwieriger als gedacht. Es fehlt nicht nur das Geld. Ein mächtiges Unternehmen hat andere Pläne mit dem Land: Hier soll, so will es jedenfalls die Far East Company, ein neues Ferienparadies entstehen.
Deshalb herrscht Angst in Laem Pom. Seit dem Tsunami hat Pronthip das Gefühl, "von einer Mafia" verfolgt zu werden. Ihre Nachbarin Ratree Kongwatmai berichtet, kurz nach der Todeswelle hätten unbekannte Männer versucht, sie nicht mehr auf das zerstörte Land zu lassen.
Die etwa 50 Familien von Laem Pom möchten nun so schnell wie möglich vollendete Tatsachen schaffen. Um ihren Widerstand gegen die Pläne der Tourismusindustrie zu demonstrieren, haben sie ein kleines Zeltdorf errichtet, Grundstücke abgesteckt und Baumaterialien herangeschafft. "Ich will auf dem Land leben, auf dem meine Familie gestorben ist", sagt Yuphin Choprasi, eine hagere, in Schwarz gekleidete Frau, die vor ihrem blauen Zelt einen kleinen Opferschrein aufgestellt hat, um die Geister zu beschwichtigen.
Nicht nur in Laem Pom kämpfen Bewohner in diesen Tagen um das Land. Nachdem der Tsunami die Inseln und die thailändische Westküste zwischen Trang und Ranong zu großen Teilen zerstört hat, wittern Investoren die Chance, neue Strände für Bungalows und Hotelanlagen zu erschließen. Dabei gehen sie oft so rücksichtslos vor, dass nichts mehr an das sanfte Siam der Ferienprospekte erinnert.
Ein paar Kilometer nördlich von Phuket lebt eine Gruppe sogenannter Seenomaden im Dorf Taptawan. Auch sie sollen umsiedeln. Beamte kamen, um das Land zu vermessen. "Aber wir haben sie nicht gelassen. Was soll das?", sagt der Dorfälteste. "Vor dem Tsunami haben sie sich nicht blicken lassen, und plötzlich sind sie da."
Der Kampf um die besten Plätze an den weißen Stränden der Andamanensee begann bereits vor der Flutkatastrophe. Er wird erschwert durch das komplizierte Bodenrecht Thailands. So leben Millionen Menschen ohne Grundstückstitel auf öffentlichem Land. An der Küste siedeln Fischer und ehemalige Arbeiter der Zinnminen, die noch vor wenigen Jahrzehnten die Küste bei Khao Lak prägten.
Um Eigentumsrechte und Grundbücher hatten sich die Bewohner fast nie gekümmert. Die Seenomaden besaßen bis vor wenigen Jahren nicht einmal die thailändische Staatsangehörigkeit oder auch nur einen Familiennamen.
Oft wussten sie gar nicht, dass sich Investoren von außerhalb Rechtstitel auf ihre Grundstücke besorgten. Der Tsunami verschafft den Geschäftsleuten die Gelegenheit, das Land wirklich in Beschlag zu nehmen. Es geht um viel: Im Urlauberparadies Khao Lak erreichten die Quadratmeterpreise für Grundstücke vor der Flutkatastrophe umgerechnet bis zu 200 Euro.
Pronthip Khongsong war es vor zwei Jahren als einziger Bewohnerin von Laem Pom gelungen, ihr Landrecht vor Gericht durchzufechten. Das hat sie damals viel Geld gekostet - und hilft ihr heute kaum. Nach dem Urteil hatten Gangster gedroht, ihren Mann umzubringen, wenn sie ihren Anspruch nicht aufgäbe. Der flüchtete daraufhin mit dem gemeinsamen Sohn nach Bangkok. Pronthip zeigt das Zeitungsfoto eines berüchtigten Mafioso im Griff eines Polizisten: "Der war hier."
Einige Nichtregierungsorganisationen und Politiker versuchen, den Opfern zu helfen, ihre Häuser rasch wiederaufzubauen. Rund 10 000 Bewohner entlang der Küste und auf den Inseln, so schätzen sie, sind von der Vertreibung bedroht. Der Bangkoker Senator Kraisak Choonhavan sagt: "Ich bin entsetzt, dass unser Land so etwas zulässt. Es ist für die Bewohner wie ein zweiter Tsunami, herzlos und gemein."
Dass die Dorfbewohner den Konflikt auf Dauer durchstehen können, hält der Senator allerdings für wenig wahrscheinlich. "Sie haben keinen Einfluss, die Unternehmer können Rechtsanwälte, Geld und Verbindungen bis hoch zu Parlament und Regierung aufbieten." Außerdem glaubt Kraisak, sei das Grundstücksamt "die korrupteste Behörde im ganzen Land".
Auch die Regierung in Bangkok versucht, so schnell wie möglich wieder Touristen an die Strände zu locken. Etwas weiter vom Meer entfernt sollen die neuen Hotels von Khao Lak entstehen, wo jetzt noch Tausende von Flüchtlingen in Baracken leben.
Wie weit das Vorhaben, die Tourismusregion großzügiger und durchdachter neu entstehen zu lassen, wirklich umgesetzt wird, steht noch dahin. Auf der Insel Phi Phi zum Beispiel wehren sich Geschäftsleute, die das einstige Ferienparadies vor dem Tsunami mit ihren Booten, Bungalows und Bars in "einen Slum verwandelten" (Senator Kraisak), ihre Grundstücke am Strand aufzugeben und sich Richtung Berge zurückzuziehen. Wie die Fischer an den Stränden sehen auch die Kleinunternehmer hinter dem Projekt nichts als "eine Verschwörung von Beamten, Politikern und Großinvestoren", die sich die besten Plätze für später reservieren wollen.
(Quelle: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,348137,00.html (Archiv-Version vom 29.09.2005))