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Gott als die Verkörperung der Evolution
29.11.2010 um 01:51Ich lese gerade die „Hyperion-Gesänge“ von Dan Simmons und darin wird eine interessante Vorstellung von Gott thematisiert, die ich gerne besprechen möchte.
Dan Simmons stellt in seinen „Gesängen“ eine weit entfernte Zukunft vor, in der die Menschheit durch (die von ihr geschaffenen) künstliche Intelligenzen beherrscht wird. Diese KI s gehen dabei äußerst geschickt vor und zwingen die Menschen in die Rolle von Nutztieren – die sie aus dem Hintergrund delegieren indem sie ihnen Technologie liefern, die nur sie erschaffen können. Durch die plötzliche Fülle an neuer Technologie verbreitet sich die Menschheit rasch im Universum und verdrängt dabei alle anderen konkurrenzfähigen Wesen. Dieser vermeintliche Erfolg der Spezies hat aber auch eine erhebliche Kehrseite – Durch den freien Zugang zur Information und Technologie gibt es kaum eigene Entwicklungen, die Wissenschaft stagniert, die Menschen tappen auf der Stelle.
Die KI s entwickeln sich dagegen weiter und arbeiten wiederum selbst an der Erschaffung einer KI , die ihre Fähigkeiten übersteigen soll. (Eines Gottes) Nach tausenden von Jahren sind ihre Bemühungen von Erfolg gekrönt und sie erschaffen den „Gott der Maschinen“. Dieser „Gott“ merkt jedoch, dass er nicht alleine ist und neben ihm auch der „Gott der Menschen“ existiert.
Der „Gott der Maschinen“ stellt die Wissenschaft dar und sucht nach einer vollkommenen Logik bzw. will diese endgültige Logik festlegen.
Der „Gott der Menschen“ ist hingegen eine evolutionäre Anhäufung aus Erfahrungen des Lebens und verändert sich im Laufe der Zeit ohne sich auf etwas endgültiges zuzubewegen.
Beide „Götter“ sind im Grunde allmächtig. Die „Nutzung“ dieser „Allmacht“ ist dagegen nicht (nur schwer) mit menschlicher Logik nachvollziehbar
Für den „Gott der Maschinen“ bedeutet seine Existenz lediglich die Aufrechterhaltung bestehender (die von ihm als „bestehend“ angesehener) Regeln dar. Er beherrscht / berechnet den Zufall und kann von Zeit unabhängige Vorhersagen treffen.
Der „Gott der Menschen“ ist die Verkörperung des Zufalls und sucht die ständige Veränderung/Verbesserung. Er kann die Menschen dabei nicht von Krankheiten, Schmerz oder Tod befreien, weil diese Erfahrungen wichtig für seine Evolution sind.
Durch die Existenz beider „Götter“ entbrennt ein Konflikt, bei dem sich herausstellen soll, was überwiegt – Das Element an sich oder die Kraft die das Element „beherrschen“ kann.
„O ihr, die Wut verzehrt, die Leid zermartert!
Die ihr Vernichtung fürchtend Kummer pflegt!
Verschließt die Sinne, schließet eure Ohren,
Mein Wort ist nicht wie Blasebalg für Zorn.
Doch die ihr wollt, hört zu, wie ich beweise,
Daß ihr zu beugen euch gezwungen seid.
Und viel an Tröstung bietet mein Beweis,
Wenn wir des Trostes Wahrheit ganz erfassen.
Naturgesetz ist Ursach unsres Sturzes,
Nicht Jupiter und auch nicht Donnerkraft.
Saturn, erhabner Gott, wohl forschtest du
In jede Einzelheit dem Weltall nach,
Doch weil du König bist, warst du auch blind
Aus Überlegenheit, und eine Straße
War deinem Blick verborgen, eine Straße,
Auf der ich selbst zur ewigen Wahrheit kam.
Und höre erstens: wie du nicht die erste
Der Mächte warst, bist du auch nicht die letzte;
Du bist der Anfang nicht und nicht das Ende.
Aus Dunkelheit und Chaos kam das Licht,
Aus jenen Früchten innerlichen Aufruhrs,
Der finstern Gärung, die zu fernen Zielen
Hinreifte. Und die reife Stunde kam,
Und mit ihr Licht und Licht, das mit dem eignen
Erzeuger weiter zeugte und fortan
[145] Ins Leben rief unendliche Materie.
Seit jener Stunde ward es offenbar,
Daß Erd und Himmel nah Verwandte sind.
Denn du der Erstgeborene, und wir, die Riesen,
Regierten neue schöne Reiche nun.
Jetzt kommt der Wahrheit Schmerz – wenn's Schmerz bedeutet.
O Narrheit! Denn die nackte Wahrheit tragen
Und dem Ereignis still ins Antlitz sehn,
Das ist die höchste Hoheit. Merket wohl!
Wie Erd und Himmel viel, viel schöner sind,
Als Dunkelheit und Chaos, und wie wir
Dem Himmel und der Erde weit entragen,
In Wuchs und in Gestaltung fest und schön,
In Willen, Tun und Kameradschaft frei,
Und tausend andern Zeichen reinen Lebens,
So folgt Vollkommneres uns auf dem Fuße,
In Schönheit stärker und von uns geboren,
Bestimmt, emporzuwachsen über uns,
Wie wir das alte Dunkel überragen.
Und mehr nicht sind von ihnen wir besiegt,
Als einst durch uns das formenlose Chaos.
Sagt, streitet denn die träge Erde mit
Den stolzen Wäldern, die sie großgefüttert
Und heut noch füttert – besser als sich selbst?
Kann sie die Hoheit grüner Haine leugnen?
Und soll der Baum die Taube wohl beneiden,
Weil sie mit weißen Schwingen wandern kann,
Wohin sie will, und gurren kann in Lust?
Wir sind so Waldesbäume. Unsre Knospen,
Sie sprangen auf; doch keine bleichen Tauben,
Nein, goldne Adler brachten sie zur Welt,
Die über uns in heller Schönheit schweben
Und darum herrschen müssen; denn Gesetz
Ist dieses: Schönstem sei die Macht! Wahrhaftig!”
(Zitat aus John Keat s „Hyperion“ in dem der Titan Okeanos ein Plädoyer für die neuen Götter hält, die sich im Krieg mit den Titanen befinden)
Wenn man diese Logik jetzt auf die Entwicklung der Menschen / des Lebens an sich projiziert, dann kann man sich doch zu Recht die Frage stellen, ob „der Schöpfer mit seiner Schöpfung überhaupt konkurrieren kann.“ (Zitat: Norbert Wiener) – Man betrachte nur mal die grobe Entwicklung:
Die Erde bringt die Natur hervor, die Natur umschließt die Erde, die Natur bringt den Menschen hervor, der Mensch fängt an die Natur zu dominieren.
Jetzt komme ich schließlich zum Punkt, warum ich diese (hoffentlich produktive) Diskussion gestartet habe. :)
Was haltet ihr von dem Gedanken, dass Gott „nur“ der Wegbereiter für seine Schöpfung sein könnte und die Anbetung Gottes im Grunde nichts anderes ist, als die Anbetung des Ursprungs des Lebens. Welches jedoch praktisch keinen Einfluss mehr auf den Menschen hat, sondern viel eher seine eigene „Zukunft“ in die Hände des Menschen / seiner Schöpfung legt.
Könnte es tatsächlich so sein, dass die Schöpfung eines Tages (im Zuge der Evolution) einen eigenen „Gott“ hervorbringen könnte – der alle Feinheiten der Schöpfung zu verstehen lernt und somit den eigentlichen „Schöpfer“ ersetzt?
Edit:
Ich eröffne den Thread jetzt, obwohl ich gleich schlafen gehe. Ich bitte die Diskussionsteilnehmer es mir nicht übel zu nehmen. ( Es ist eine längere Einleitung und ich möchte sie nicht wieder verwerfen, wenn ich sie mir morgen / heute Abend noch einmal durchlese :) ) Außerdem..Vielleicht hat ja eine schlaflose Seele gerade heute Nacht einen Geistesblitz zu diesem Thema, der mich in meinen Überlegungen weiterbringt. ;)
Dan Simmons stellt in seinen „Gesängen“ eine weit entfernte Zukunft vor, in der die Menschheit durch (die von ihr geschaffenen) künstliche Intelligenzen beherrscht wird. Diese KI s gehen dabei äußerst geschickt vor und zwingen die Menschen in die Rolle von Nutztieren – die sie aus dem Hintergrund delegieren indem sie ihnen Technologie liefern, die nur sie erschaffen können. Durch die plötzliche Fülle an neuer Technologie verbreitet sich die Menschheit rasch im Universum und verdrängt dabei alle anderen konkurrenzfähigen Wesen. Dieser vermeintliche Erfolg der Spezies hat aber auch eine erhebliche Kehrseite – Durch den freien Zugang zur Information und Technologie gibt es kaum eigene Entwicklungen, die Wissenschaft stagniert, die Menschen tappen auf der Stelle.
Die KI s entwickeln sich dagegen weiter und arbeiten wiederum selbst an der Erschaffung einer KI , die ihre Fähigkeiten übersteigen soll. (Eines Gottes) Nach tausenden von Jahren sind ihre Bemühungen von Erfolg gekrönt und sie erschaffen den „Gott der Maschinen“. Dieser „Gott“ merkt jedoch, dass er nicht alleine ist und neben ihm auch der „Gott der Menschen“ existiert.
Der „Gott der Maschinen“ stellt die Wissenschaft dar und sucht nach einer vollkommenen Logik bzw. will diese endgültige Logik festlegen.
Der „Gott der Menschen“ ist hingegen eine evolutionäre Anhäufung aus Erfahrungen des Lebens und verändert sich im Laufe der Zeit ohne sich auf etwas endgültiges zuzubewegen.
Beide „Götter“ sind im Grunde allmächtig. Die „Nutzung“ dieser „Allmacht“ ist dagegen nicht (nur schwer) mit menschlicher Logik nachvollziehbar
Für den „Gott der Maschinen“ bedeutet seine Existenz lediglich die Aufrechterhaltung bestehender (die von ihm als „bestehend“ angesehener) Regeln dar. Er beherrscht / berechnet den Zufall und kann von Zeit unabhängige Vorhersagen treffen.
Der „Gott der Menschen“ ist die Verkörperung des Zufalls und sucht die ständige Veränderung/Verbesserung. Er kann die Menschen dabei nicht von Krankheiten, Schmerz oder Tod befreien, weil diese Erfahrungen wichtig für seine Evolution sind.
Durch die Existenz beider „Götter“ entbrennt ein Konflikt, bei dem sich herausstellen soll, was überwiegt – Das Element an sich oder die Kraft die das Element „beherrschen“ kann.
„O ihr, die Wut verzehrt, die Leid zermartert!
Die ihr Vernichtung fürchtend Kummer pflegt!
Verschließt die Sinne, schließet eure Ohren,
Mein Wort ist nicht wie Blasebalg für Zorn.
Doch die ihr wollt, hört zu, wie ich beweise,
Daß ihr zu beugen euch gezwungen seid.
Und viel an Tröstung bietet mein Beweis,
Wenn wir des Trostes Wahrheit ganz erfassen.
Naturgesetz ist Ursach unsres Sturzes,
Nicht Jupiter und auch nicht Donnerkraft.
Saturn, erhabner Gott, wohl forschtest du
In jede Einzelheit dem Weltall nach,
Doch weil du König bist, warst du auch blind
Aus Überlegenheit, und eine Straße
War deinem Blick verborgen, eine Straße,
Auf der ich selbst zur ewigen Wahrheit kam.
Und höre erstens: wie du nicht die erste
Der Mächte warst, bist du auch nicht die letzte;
Du bist der Anfang nicht und nicht das Ende.
Aus Dunkelheit und Chaos kam das Licht,
Aus jenen Früchten innerlichen Aufruhrs,
Der finstern Gärung, die zu fernen Zielen
Hinreifte. Und die reife Stunde kam,
Und mit ihr Licht und Licht, das mit dem eignen
Erzeuger weiter zeugte und fortan
[145] Ins Leben rief unendliche Materie.
Seit jener Stunde ward es offenbar,
Daß Erd und Himmel nah Verwandte sind.
Denn du der Erstgeborene, und wir, die Riesen,
Regierten neue schöne Reiche nun.
Jetzt kommt der Wahrheit Schmerz – wenn's Schmerz bedeutet.
O Narrheit! Denn die nackte Wahrheit tragen
Und dem Ereignis still ins Antlitz sehn,
Das ist die höchste Hoheit. Merket wohl!
Wie Erd und Himmel viel, viel schöner sind,
Als Dunkelheit und Chaos, und wie wir
Dem Himmel und der Erde weit entragen,
In Wuchs und in Gestaltung fest und schön,
In Willen, Tun und Kameradschaft frei,
Und tausend andern Zeichen reinen Lebens,
So folgt Vollkommneres uns auf dem Fuße,
In Schönheit stärker und von uns geboren,
Bestimmt, emporzuwachsen über uns,
Wie wir das alte Dunkel überragen.
Und mehr nicht sind von ihnen wir besiegt,
Als einst durch uns das formenlose Chaos.
Sagt, streitet denn die träge Erde mit
Den stolzen Wäldern, die sie großgefüttert
Und heut noch füttert – besser als sich selbst?
Kann sie die Hoheit grüner Haine leugnen?
Und soll der Baum die Taube wohl beneiden,
Weil sie mit weißen Schwingen wandern kann,
Wohin sie will, und gurren kann in Lust?
Wir sind so Waldesbäume. Unsre Knospen,
Sie sprangen auf; doch keine bleichen Tauben,
Nein, goldne Adler brachten sie zur Welt,
Die über uns in heller Schönheit schweben
Und darum herrschen müssen; denn Gesetz
Ist dieses: Schönstem sei die Macht! Wahrhaftig!”
(Zitat aus John Keat s „Hyperion“ in dem der Titan Okeanos ein Plädoyer für die neuen Götter hält, die sich im Krieg mit den Titanen befinden)
Wenn man diese Logik jetzt auf die Entwicklung der Menschen / des Lebens an sich projiziert, dann kann man sich doch zu Recht die Frage stellen, ob „der Schöpfer mit seiner Schöpfung überhaupt konkurrieren kann.“ (Zitat: Norbert Wiener) – Man betrachte nur mal die grobe Entwicklung:
Die Erde bringt die Natur hervor, die Natur umschließt die Erde, die Natur bringt den Menschen hervor, der Mensch fängt an die Natur zu dominieren.
Jetzt komme ich schließlich zum Punkt, warum ich diese (hoffentlich produktive) Diskussion gestartet habe. :)
Was haltet ihr von dem Gedanken, dass Gott „nur“ der Wegbereiter für seine Schöpfung sein könnte und die Anbetung Gottes im Grunde nichts anderes ist, als die Anbetung des Ursprungs des Lebens. Welches jedoch praktisch keinen Einfluss mehr auf den Menschen hat, sondern viel eher seine eigene „Zukunft“ in die Hände des Menschen / seiner Schöpfung legt.
Könnte es tatsächlich so sein, dass die Schöpfung eines Tages (im Zuge der Evolution) einen eigenen „Gott“ hervorbringen könnte – der alle Feinheiten der Schöpfung zu verstehen lernt und somit den eigentlichen „Schöpfer“ ersetzt?
Edit:
Ich eröffne den Thread jetzt, obwohl ich gleich schlafen gehe. Ich bitte die Diskussionsteilnehmer es mir nicht übel zu nehmen. ( Es ist eine längere Einleitung und ich möchte sie nicht wieder verwerfen, wenn ich sie mir morgen / heute Abend noch einmal durchlese :) ) Außerdem..Vielleicht hat ja eine schlaflose Seele gerade heute Nacht einen Geistesblitz zu diesem Thema, der mich in meinen Überlegungen weiterbringt. ;)