Im Zeugen-Jehova-Thread entspann sich eine Diskussion über den Naturalismus im Kontext zum Atheismus. Um dort vom Thema nicht abzulenken, stelle ich meine Antwort auf einen Diskussionsbeitrag von
@perttivalkonen hier ein. Es ging um die Frage, ob aus der naturalistischen Prämisse, dass die Natur sich selbst vollständig begründet, zugleich folgt, dass die Existenz von Übernatürlichem wie z.B. Gott oder Göttern ausgeschlossen ist oder ob es denkbar ist, dass es Naturalismus auch mit Übernatürlichem geben kann.
Als bedeutsam hat sich herausgestellt, dass man zwischen methodologischem Naturalismus und ontologischem Naturalismus unterscheiden muss. Daran anknüpfend habe ich folgende Antwort formuliert:
perttivalkonen schrieb:
Eben! Ich habe nicht jenes Apriori. Zätz ze difference! Was Du da aber unterschlagen hast.
Ich hatte vergessen, klar herauszustellen, dass ich vom Naturalismus als Weltanschauung spreche. Beim Naturalismus als Methode ergibt sich keine Schlussfolgerung bezüglich der Existenz von Übernatürlichem. Ich bin aber bereits darauf eingegangen, dass ich hier nachlässig gewesen bin, da ich in meinem Gespräch mit
@Bishamon stets vom Naturalismus als Weltanschauung ausgegangen bin, Dein Einwand sich aber nicht darauf beschränkt hatte, sondern auch den Naturalismus als Methode mit eingeschlossen hatte.
perttivalkonen schrieb:
Du hast behauptet, die Prämisse würde schon den Ausschluß mit sich bringen, aber das stimmt eben nicht.
In Bezug auf den Naturalismus als Methode hast Du recht. In Bezug auf den Naturalismus als Weltanschauung hatte ich gesagt, dass ich mir da nicht ganz sicher bin. In diesem Zusammenhang habe ich geschrieben, dass der Naturalist zwar nicht expressis verbis aber dennoch de facto das Übernatürliche ausschließt, weil er ausschließlich die Natur selber sich selbst begründen und in ihren Wirkungen zur Erscheinung bringen lässt. Daraus ergibt sich dann als naheliegende Schlussfolgerung der nicht nur methodische sondern auch ontologische Ausschluss von Übernatürlichem. Was ich bislang über Naturalismus (als Weltanschauung!) lesen konnte, entspricht dieser Sichtweise: Es gibt nur und ausschließlich Natur.
perttivalkonen schrieb:
Weiß ich, weil ich ebenfalls mit dieser Prämisse arbeite. Dazu muß ich doch kein Hardcore-Naturalist sein, um zu wissen, daß diese Prämisse nicht das ergibt, was Du ihr zuschusterst.
Das liegt aber daran, dass Du den Naturalismus als Methode anwendest, aber kein Naturalist als Weltanschauung bist. Man muss hier differenzieren, worauf man die Prämisse (Natur wird nur mit Natur begründet) anwendet: Naturwissenschaft oder Metaphysik. Bezüglich der Naturwissenschaft ist gewiss, dass die Prämisse sich nur auf die angewandte Methodik bezieht und darüber hinaus auf nichts weiter. Bezüglich der Metaphysik ergibt sich die Folgerung, dass - wenn die Natur sich selbst genügt, kein Grund gegeben ist, über die Natur hinaus noch weitere Gründe zu suchen, die der Natur ihr Sein verleiht. Die Konsequenz ist also, dass es nur Natur gibt.
Allerdings - und hier komme ich Dir entgegen - ist diese Konsequenz eine Entscheidung, die man trifft, nachdem man die Existenz von Übernatürlichem als unbegründet in Bezug auf die Natur erkannt hat. Der Naturalist kann nicht wissen, ob es dennoch etwas Übernatürliches gibt, aber er entscheidet sich aus Gründen der nicht gegebenen Notwendigkeit zugleich dafür, die Existenz von Übernatürlichem abzusprechen und allein der Natur die Existenz zuzusprechen.
perttivalkonen schrieb:
Die Prämisse ist klar und deutlich, und die unterscheidet sich nicht methodologisch-ontologisch.
Ich denke doch, dass es da einen Unterschied gibt, denn aus methodologischer Sicht bezieht sie sich auf das, was ich berücksichtigen darf und was nicht - hier wird also prinzipiell offen gelassen, ob es noch etwas Übernatürliches gibt oder nicht. Aus ontologischer Sicht bestimmt die Prämisse, was als seiend zu gelten hat - hier also die Natur. Vielleicht noch einmal anders:
Methodologisch: Die Natur kann allein mit Hilfe der Natur erkannt werden.
Ontologisch: Die Natur wird vollständig durch die Natur bestimmt.
Die methodologische Prämisse bezieht sich auf die Erkennbarkeit der Natur, während die ontologische Prämisse von vornherein festlegt, dass die Natur sich selbst bestimmt und nichts anderes, unabhängig davon, ob sie erkannt wird oder nicht. Aus der ontologischen Prämisse folgt dann das, was ich eben schon geschrieben hatte: Die Ausschließlichkeit der Natur als Grund für die Natur zieht als Konsequenz den Ausschluss alles Übernatürlichem nach sich.
perttivalkonen schrieb:
Sondern bei den einen steht sie für sich da, bei den anderen steht noch was hinter. Und das ist das Entscheidende.
Ja, und bei den anderen - also bei den weltanschaulichen Naturalisten - steht dann dahinter, dass aus der fehlenden Notwendigkeit von Übernatürlichem auf das Fehlen des Übernatürlichen geschlossen wird.
perttivalkonen schrieb:
Da hat die Prämisse überhaupt keinen Einfluß drauf, sie führt in keinem Falle zu diesem Ausschluß.
Doch, wenn ich die Prämisse ontologisch setze, führt sie zu diesem Ausschluss. Ob dieser Schluss logisch zwingend ist oder nicht, ist eine andere Frage, als Konsequenz aus der Prämisse ist er aber allemal naheliegend, wenn auch - das räume ich ein - wohl eher nicht logisch zwingend, dafür aber plausibel.
perttivalkonen schrieb:
Ein a priori ist niemals eine Folgerung, sonst wäre es ein a posterori.
Da hast Du natürlich recht, aber wie ich gestern schrieb, kommt mir dieses von Dir benannte Apriori eher wie eine Folgerung vor, die danach als Apriori vorangestellt worden ist, um die gezogene Schlussfolgerung noch einmal eigens zu rechtfertigen, was natürlich zirkelschlüssig ist.
perttivalkonen schrieb:
Und auch als a posteriori kann dies kann unmöglich gefolgert werden, wenn mit der Prämisse, Innerweltliches innerweltlich zu beschreiben, gearbeitet wird.
Jetzt argumentierst Du mit der methodologischen Prämisse. Ja, aus methodologischer Sicht kann man nicht auf die Existenz oder Nichtexistenz von Übernatürlichem folgern. Aus ontologischer Sicht kann man das, wie ich oben beschrieben hatte. Als Aposteriori ist der Schluss auf "Übernatürliches gibt es nicht." zumindest möglich, da die Beschränkung auf die Natur eben ontologisch festgelegt wird, so dass sich der Bezug zur Metaphysik eröffnet, der dann mit dem Übernatürlichen in Bezug gesetzt werden kann, um hier eine Entscheidung zu treffen.
perttivalkonen schrieb:
Dazu muß dann schon Reduktionismus als a priori vorangestellt werden.
Nachdem man ihm a posteriori zunächst erst einmal auf die Spur gekommen ist, indem man die Konsequenzen des ontologischen Naturalismus ausgelotet hat. So etwas soll hin und wieder vorkommen, ist aber kein Spezifikum der Naturalisten.
perttivalkonen schrieb:
Hier beißt sich der ideologische Hund in den Schwanz. Man kriegt nur raus, was man schon vorab hineingesteckt hat. Man sieht in der Welt, was man da drinnen von Anfang an gern sehen wollte. Und verkauft das anderen als überlegenes Weltsicht-System. Zum Kotzen!
Da gebe ich Dir uneingeschränkt recht. Hier bin ich voll bei Dir.