Denken heisst vergleichen
03.06.2006 um 21:20
DAS DENKEN
Lasst uns nun genau untersuchen, was denken ist. Einerseitshat es seine Bedeutung bei unserer täglichen Arbeit, wo es mit Sorgfalt, Logik undVernunft angewendet werden kann und aber jenes andere Denken, dass ohne jeden Wertist.
Solange wir nicht diese beiden Arten kennen, können wir unmöglichetwas verstehen, dessen Tiefe für das Denken unerreichbar ist.
Warum hat dasDenken in unserem täglichen Leben, in unserem zermürbenden, langweiligen, verängstigtenLeben eine so übermässige Bedeutung gewonnen? Fragen wir uns, warum ist man einSklave des Denkens, das so geschickt und verschlagen ist, das zu organisierenversteht, das Dinge in Gang setzen kann, das so viel erfunden hat, so viele Kriegeausgebrütet hat, so viel Furcht, so viel Kümmernisse erzeugt hat, das unentwegt Bilderaufbaut und seinem eigenen Schwanz nachjagt, das die Freuden von gestern genossen hat unddas diesen Freuden in der Gegenwart und auch in Zukunft Fortdauer verschafft, das Denken,das immer aktiv, geschwätzig, regsam, gestaltend ist, das wegnimmt und hinzufügt undMutmassungen anstellt?
Ideen sind für uns wichtiger geworden als die Handlung. Je gescheiter, je schwerer verständlich diese Ideen sind, um so mehr beten wir sieund die Bücher an. Wir sind diese Bücher, wir sind diese Ideen, so sehr sind wirihnen unterworfen. Ewig diskutieren wir Ideen und Ideale und spitzfindig bieten wirAnsichten und Meinungen feil. Jede Religion hat ihr Dogma, ihre Glaubensformel, ihreeigene Tribüne um zu den Göttern zu gelangen.
Wir fürchten uns vor dem Lebenund daher ist für uns die Vergangenheit in Form von Ideen so wichtig geworden
Wir können beobachten, wie der Gedanke eine vergangene Freude wach hält und siefortdauern lässt und wie der Gedanke auch das Gegenteil der Freude, nämlich die Furchtund den Schmerz aufrecht hält. [b] Somit ist der Erfahrende, der Denker selbst die Freudeund der Schmerz und auch das Wesen, das dieser Freude und dem Schmerz Nahrung gibt. Er sieht nicht ein, dass er in seinem Verlangen nach Freude zugleich Leid und Furchteinlädt. Der Wunsch, Genüsse zu bewahren löst die Frucht aus, sie zu verlieren.
Der Gedanke ist so verschlagen, so listig, dass er alles so hinbiegt, wie es ihmgerade passt, in seinem Verlangen nach Vergnügen schmiedet er seine eigenen Fesseln. DerGedanke ist die Brutstätte der Dualität in all unseren Beziehungen. Wir sind innerlichvoller Gewalttätigkeit, die uns Vergnügen bereitet, aber zugleich besteht das Verlangennach Frieden, der Wunsch, freundlich und zartfühlend zu sein. Das spiel sich ständig ab.
[b] Der Gedanke bringt nicht nur Dualität hervor und den inneren Widerspruch,sondern häuft auch im Gedächtnis die unzähligen Erinnerungen an vergangene Freuden undLeiden an - und aus diesen Erinnerungen wird er WIEDERGEBOREN
So ist derGedanke die Vergangenheit und da wir jeder Herausforderung, die immer neu an uns herantritt, mit Begriffen der Vergangenheit entgegen treten, wird unsere Begegnung mit ihrimmer unzulänglich sein. Daher kommt der Widerspruch und der Konflikt und das ganze Elendund Leid, deren Erben wir sind. Unser kleines Gehirn ist im Konflikt mit allem, was esauch tut. Ob es emporstrebt, nachahmt, sich anpasst, unterdrückt, sublimiert,Rauschmittel nimmt, um sich zu entfalten - was immer es auch tut, es ist in einem Zustanddes Konfliktes und wird weitere Konflikte hervorbringen.
[b] Eine neue Tatsachekann nicht durch das Denken wahrgenommen werden. Sie kann später durch das Denkendem Worte nach begriffen werden, aber das VERSTÄNDNIS für eine neue Tatsache ist demDenken nicht gegeben. Das Denken kann niemals ein psychologisches Problem lösen. Wieklug, wie geschickt, wie gelehrt es auch sein mag, was das Denken auch durchWissenschaft, durch ein Elektronengehirn, durch Zwang und Notwendigkeit erzeugen mag, derGedanke ist niemals neu und kann daher niemals eine brennende Frage beantworten.
[b] Das alte Gehirn kann das gewaltige Problem des Lebens nicht lösen.
Das Denken ist unredlich, weil es alles erfinden und Dinge sehen kann, die gar nichtda sind. Es kann die ungewöhnlichsten Winkelzüge machen und daher darf man ihm nichtvertrauen. Aber wenn wir das Denken in seiner gesamten Struktur verstehen, wenn wirsehen, wie wir denken, warum wir denken, welche Worte wir gebrauchen, in welcher Art wiruns im täglichen Leben benehmen, wie wir zu Menschen sprechen, wie wir Menschen behandelnund wie wir gehen, wie wir essen - wenn wir dieser Dinge gewahr werden, dann wird unsunser Geist nicht betrügen, dann gibt es nichts, das zu betrügen wäre. Dann gibt eskeinen Geist, der fordert, der unterdrückt, der Geist wird ausserordentlich ruhig,beweglich, einfühlsam, steht allein und in diesem Zustand gibt es keine Täuschungen mehr.
Wenn wir im Zustand vollkommener Aufmerksamkeit sind, hört der Beobachter, derDenker, das Zentrum, das Ich auf zu existieren. Im Zustand der Achtsamkeit beginnt dasDenken dahinzuschwinden. Wenn man den Wunsch hat, etwas klar zu sehen, muss der Geistsehr ruhig sein, ohne Vorurteile, ohne Geschwätz, ohne Zwiegespräche, ohne Vorstellungenund Bilder - das alles muss beiseite getan werden, damit man schauen kann. Und nur imSchweigen können wir beginnen, das Denken zu beobachten. Und nicht wenn wir suchen,Fragen stellen oder auf Antworten warten. Nur wenn wir vollkommen ruhig sind, bis in dieTiefe unseres Seins und uns aus diesem Zustand beobachten oder eine Frage stellen, werdenwir Verständnis und Erkenntnis erlangen.
[b] Wer aus der Stille heraus Fragenstellt, wird bemerken, dass er auf eine Herausforderung nicht mehr mit dem alten Gehirn,sondern auf völlig neue Art zu antworten weiss.[/b0][/b][/b][/b][/b]