Emotionsträger Körper
Wie kommt es nur, dass die meisten amerikanischenSchauspieler so universell, so klar und schnell erfassbar in ihrem Ausdruck sind? Einesolide Schauspiel-Ausbildung und das Grundwissen um die wichtigsten Techniken ist sicherVoraussetzung, aber das ist nicht alles. Ein wichtiger Schlüssel dazu ist sicher dertraumtänzerisch sichere Umgang mit Körpersprache, mit Signalen, die wir alle unbewusstals Informations- und Emotionsträger begreifen.
Schauspiel ist stets eineganzheitliche, viele Ausrucksebenen berührende Arbeit. Die im Folgenden erwähntenBeispiele sind deshalb nur einzelne Bausteine und individuell auf die darzustellendenSituationen hin abzustimmen. Sie können stets nur in ihrem Rollenkontext und imZusammenwirken mit der dargestellten Befindlichkeit wirken. Eine Geste allein überzeugtmit Sicherheit nicht, wenn der übrige Ausdruck des Schauspielers diese nicht unterstützt.
Die Wissenschaft der Körpersprache nennt sich Kinesie und stützt sich letztlichauf Beobachtungen.
Körperhaltung
Machtanspruch: viel Raum einnehmen,Raum ergreifend, ruhig und gelassen auftreten; breitbeinig, breitschultrig; geradeHaltung, zurückgezogene Schultern
Schwäche: enge, schüchterneKörperhaltung, schmale Fußstellung, abgewinkeltes Bein, schräg gestellter Kopf
Etwas verbergen, nicht offen sein: Hände in Hosentaschen
Geringes Durchsetzungsvermögen: Beine gekreuzt
Nervosität, unbefriedigteSehnsüchte: mit Gegenständen herumspielen, Papierkügelchen formen, Kugelschreiber rollen
Verschlossen oder enttäuscht: Arme über Brust gekreuzt
Rückzug, Aufgabe: Arme hinter Rücken verschränken
Der Abstand zwischen zweiMenschen ist ebenfalls ein klassisches Ausdrucksmittel. Jeder Mensch hat seineindividuelle Hoheitszone, seinen symbolischen Schutzraum, der ihn umgibt. Die Annäherungdurch einen oder mehrere andere Menschen stellt immer ein Eindringen in diesen Bereichdar. Die stärkste Annäherung ist die Berührung. Man kann sie zulassen, man kann sie aberauch billigen, in einer Liebesbeziehung etwa. Ein Abstand von 30, 40 Zentimeternerscheint uns als Minimum, wenn wir uns in einer Menschenmenge aufhalten. Ein bis zweiMeter sind der Abstand, den Geschäftspartner oder Kunde und Händler zueinander haben.Zwei bis vier Meter Abstand repräsentieren die unterschiedliche Stellung von Menschen,Vorgesetzte und Untergebene zum Beispiel.
Das Gesicht
Verblüffung: Augenbrauen hochgezogen, Augen weit geöffnet, offener Mund
Trauer, Enttäuschung: hängende Mundwinkel
Lüge: Blickrichtung häufigwechseln, dem Blick des Anderen nicht standhalten, ihm ausweichen; beim Sprechen den Mundverdecken, sich an der Nase reiben
Langeweile: Blick wandert langsamsuchend herum; oder Augen wandern im Kreis (rollen); unübersehbar: Seufzen, tief Ausatmen
Freude: Lächeln und strahlende Augen
Unsicherheit: Händeöffnen und schließen, Auge wandert zwischen zwei Punkten hin- und her; oder mit demFinger kurz die Nasenspitze berühren
Einen Entschluss gefasst haben: Naseleicht heben
Hoffnung: aufschauen, emporschauen
Gestik
Zuneigung, Sympathie: eigene Körperhaltung der des Gegenübers immerwieder angleichen
Wenn zwei Personen sich gegenüber sitzen und die Beineübereinander geschlagen haben, so bedeutet die gleiche Richtung der Beine Zuneigung, dieentgegengesetzte Distanz.
Linke Hand steht für Emotion, rechte fürRationalität.
Aufrichtigkeit und menschliche Wärme: Bewegungen, die vomKörper wegführen
Gehemmtheit, Verschlossenheit: Bewegungen, die von außenzum Körper hinführen
Großspurigkeit, Dämagogie: Die Hände in Halshöheausstrecken, weite ausholende Bewegungen
Eitelkeit und Stolz: Kragenmehrfach mit dem Zeigefinger lockern
Unruhe: wiederholt die Hände reiben
Suche nach Selbstbestätigung: Krawattenknoten grundlos nachbessern
Schüchternheit: Nacken am Haaransatz reiben oder über den Hinterkopfstreichen.
Zustimmung, Übereinstimmung: sich wohlgefällig übers Haarstreichen
Kritisch und skeptisch: Kinn in Hand stützen
Selbstverständlich spielt auch die Haltung zu der realen Welt, zu den Gegenständen,den Räumen eine große Rolle bei der Darstellung von Befindlichkeiten. Wie man geht, wieman ein Glas hält, isst, trinkt oder raucht (ein ewiges Filmklischee), lässt ebenfallszahllose Ausdrucksvarianten zu. Doch das ist schon wieder ein eigenes Kapitel.
Körpersprache „sprechen“ und „verstehen“ wir instinktiv und unbewusst. Deshalbschreiben wir diesen Informationen eine besonders hohe Glaubwürdigkeit zu. Eine Qualität,die sich Schauspieler weltweit zu eigen machen. Achten Sie bei Ihrem nächsten Kinobesuchmal bewusst auf die Körpersprache der Darsteller. Sie werden überrascht sein, wieintensiv auf dieses Mittel gesetzt wird.
[Quelle:
http://www.movie-college.de/filmschule/schauspiel/koerpersprache.htm (Archiv-Version vom 21.05.2006)]