Wieso wird man immer nach seinen Interessen beurteilt?

FerneZukunft schrieb:Von den Interessen einer Person kann man Charakter und Intelligenz herauslesen – glaubt man zumindest.

Es ist ein Puzzleteil. Nicht mehr und nicht weniger.

@hallo-ho

Ich fürchte, aus den einzelnen Interessen einer Person kann man nicht auf die Gesamt-Persönlichkeit schliessen. Ich würde in unterschiedlichen Kreisen auch immer unterschiedliche Interessen von mir betonen - und manche verschweigen. Glücklicherweise verfüge ich da über ein breites und zum Teil widersprüchliches Spektrum.

Doors schrieb:Ich fürchte, aus den einzelnen Interessen einer Person kann man nicht auf die Gesamt-Persönlichkeit schliessen.

Na ja, wie gesagt, es ist ein Puzzleteil. Natürlich reicht es nicht, ein paar Interessen einer Person zu kennen, um sie einschätzen zu können. Jemand kann vorgeben, sich wahnsinns für Literatur, Philosophie, anspruchsvolle Filme, klassische Musik und weiß ich was zu interessieren, man bekommt die Vorstellung einer kultivierten, intelligenten Person - und dann findet man raus, dass diese Person von alledem, womit sie sich auseinandergesetzt haben will, überhaupt nichts verstanden hat und alles nur Fassade ist.
Oder jemand engagiert sich in x Einrichtungen und Ehrenämtern, macht einen auf sozial, aber das wahre Motiv seines Handelns ist Geltungssucht, weil es für ihn/sie schön ist, regelmäßig im Gemeindeblättle aufzutauchen und im ganzen Dorf bekannt zu sein. Das Soziale selbst ist dieser Person aber scheißegal. (Bevor es Missverständnisse gibt: Nein, ich meine absolut nicht dich damit, das soll kein doofer Seitenhieb zwischen den Zeilen sein, sondern nur ein Beispiel, dass ein Ausschnitt von Interessen nur einen begrenzten Aussagewert über eine Person hat.)

Umgekehrt helfen gemeinsame oder ähnliche Interessen, Zugang zu einer Person zu finden. Mein Schwiegervater z.B. ist sehr monothematisch aufgebaut, er kann nur über ein einziges Thema reden. Wenn man zufällig auch über dieses Thema reden kann, ist man binnen 5 Sekunden sein Kumpel. Wenn man über mehrere andere Themen reden kann, aber eben nicht über das eine Thema, dann wird man selbst als Schwiegertochter seit weit über 10 Jahren nichtmal mit dem Arsch angesehen. Was wiederum charakterliche Rückschlüsse auf beide Seiten zulässt.

In Interessen, die jemand hat und auslebt, lässt sich ein Stück weit ein Rückschluss ziehen (permanent lesende Couchkartoffel versus Typ, der jeden Tag 10 Stunden Sport macht), der aber von weiteren Dingen ergänzt werden muss. Um einen ersten Eindruck von einer Person zu bekommen, halte ich ein Augenmerk auf deren Interessen nach wie vor für sinnvoller als z.B. Hautfarbe.

Ich esse gerne Grosshirnpizza,quäle Tiere und vergehe mich an Toten,meine Güte,seid doch nicht so pingelig,sind doch nur Teilaspekte von mir

@hallo-ho
Wie dein Schwiegervater war ich auch sehr lange drauf :D

Irgendwann kapierte ich dann aber, dass Themen nie so wirklich getrennt voneinander betrachtet werden können, wodurch sich das Interesse ausbreitete - gleichzeitig bekam ich auch mehr Input von außen, weil ich mehr auf Leute zuging.
Wenn man sich zB für Religionen interessiert, dann muss man sich auch für Geschichte und Ethnologie interessieren, teilweise sogar für Psychologie oder Soziologie, weil all das eine Rolle bei der Entstehung von Religionen spielt und wieso Menschen sie überhaupt wollten und warum eine Religion eines bestimmten Volkes so und nicht anders ist usw.

Was das Verbinden angeht merk ichs aber auch immer stark wie Interessen und teilweise auch nur flüchtiges Wissen hilft. Man braucht halt immer Ansatzpunkte um ein Gespräch anzufangen. Durchs Studium kam/komme ich halt spontan an die meisten Nahöstler/Vorderasiaten ran. Bin ich im Taxi (Taxifahrer sind hier zu 99% Pakis oder Iraner) gehts extrem schnell, man wird oft gefragt was man so mache und wenn man ne Ausgrabung erwähnt geht ein meist enthusiastischer Dialog los. Wissen kann aber auch helfen. Zum Beispiel wenn man was über das Land weiß woher die Person kommt oder ne spezielle Frage stellt, eben weil man ein grobes Wissen drüber hat. Darüber freuen sich auch viele. So gesehen sind Interessen oder Wissen (aber Wissen kommt meist aus den Interessen) für Leute wichtig, weil sie bestimmen mit wem ich überhaupt was anfangen oder reden kann und wem nicht.

Die Fake-Interessen die du erwähnst gibts natürlich auch. Aber das Gute dabei ist, dass man es sehr schnell merkt dass es Fake ist. Kenne so einige die eine Bücherwand haben und bei denen man schnell merkt, dass die nichts gelesen haben (manchmal sieht man Bücher auch noch eingeschweißt da stehen oder die Leute sagen selbst dass sie etwas "noch" nicht gelesen hätten).
Daher sollten Interessen auch nur dann positiv angesehen werden, wenn man mit der Person persönlich zu tun hat und es "verifizieren" kann. Etwas angeben oder so tun als ob kann halt jeder.

Warhead schrieb:Ich esse gerne Grosshirnpizza,quäle Tiere und vergehe mich an Toten,meine Güte,seid doch nicht so pingelig,sind doch nur Teilaspekte von mir

Sehr schön, dein Beispiel zeigt, was ich meine :) Wenn ich jemanden nicht abkann, weil er Tiere quält und Leichen vögelt, ist das für mich ein besseres Kriterium als zu sagen "Ich mag den nicht, der sieht mir zu südländisch aus."

Sixtus66 schrieb: Kenne so einige die eine Bücherwand haben und bei denen man schnell merkt, dass die nichts gelesen haben

So eine ähnliche Assoziation hatte ich auch, als ich das geschrieben habe. Von Kalkofes Mattscheibe kenne ich eine Szene, in der Kader Loth vor ihrem Bücherregal steht, u.a. mit Kafkawerken u.ä. und aus dem Originalgespräch total ersichtlich wird, dass die Bücherwand maximal eine Funktion als Deko wahrnimmt.

Sixtus66 schrieb:gleichzeitig bekam ich auch mehr Input von außen, weil ich mehr auf Leute zuging.

Genau das meinte ich. Über Interessen kann man Zugang finden. Wenn man ganz verbohrt nur auf ein Thema aus ist, ist man stark abhängig, dass das Gegenüber genau dieses eine Thema im Repertoire hat. Wenn nicht, passiert halt nix (teilweise über Jahre, siehe Vorpost).

Auf der anderen Seite, was mit Leuten sprechen bzw. Kontakt knüpfen angeht, da hab ich letztlich die Swingerclubeinstellung "alles kann, nichts muss" - wer kein Gespräch mit mir will, bekommt von mir auch keins aufgezwungen. Ich bin introvertiert und kann mich auch gut mir mir alleine beschäftigen.

@hallo-ho
Kader Loth und ne Bücherwand,das steht nicht nur diametral entgegen,das sind Ausschlusskriterien.
Ich hab sie mal auf ner Party kennengelernt,ich kannte die gar nicht,die wirkte ziemlich narkotisierend auf mich,ständig nervte sie Leute "bring mir dies,mach mir das,würdest du jenes"
Die waren alle zu höflich,ich nicht,ich hab sie angebrüllt,nach dem egomanisch-oberflächlichen Scheusal das ich sie nannte,heulte sie erstmal dramatisch rum bevor sie zu Hut und Mantel griff

Weil man immer " Fehler " sucht bei dem Gegenüber.

Ich zb, fing mit ca. 8 Jahren aktiv Schach spielen an , die meisten wendeten sich ab. Jetzt bin ich 26 Jahre, bin hier in Allmystery *gg* , Liebe meinen BVB, und bin allgm. die Ruhigere.

Die Beurteilung einiger aus meinen Verwandtenkreis...

- du bist kein Kind
- geh doch mal Party machen - saufen
- tue doch mal was normales was andere in deinem Alter tun
- etc

Dini1909 schrieb:Ich zb, fing mit ca. 8 Jahren aktiv Schach spielen an , die meisten wendeten sich ab.

Mit welcher Begründung ?

@Dini1909
Verwandte sind oft relativ borniert, das Schicksal teilen viele in irgendeiner Form.
Zudem widersprechen sich Punkt 1 und 2 in gewisser Weise, aber vermute mal das kommt von verschiedenen Personen. Was kritisieren die überhaupt?

Fußballfan sein ist nun nicht garde typisch für die Jugend (die meisten Fans kommen wohl aus der 60er Jahre Generation) oder nicht die allein, Junge zocken eher Games, ruhig sein ist ebenfalls eher typisch erwachsen und in Foren wie AllMist posten auch keine Kinder.
Was machen die denn in ihrem Alter?

Wenn mich Leute sowas fragen frage ich zurück was ihre Hobbies sind, meist tun die außer Fernsehgucken nämlich nicht viel.

Laucott schrieb:Mit welcher Begründung ?

Naja, sie haben sich abgewendet, "das macht doch kein Mädchen" , "du bist ja langweilig" etc. ... Man sagt ja Kindermund tut Wahrheit kunt.

Sixtus66 schrieb:Was kritisieren die überhaupt?

Naja eben das ich mit meinen 26 Jahren eher Hobbys habe, die einem jugendlichen Jungen bzw jungen Mann habe. ... zocken, Fussball, Sport schauen.

Ich trete auch eher als jungen auf, liebe in der Freizeit meine Jogginghosen, bin eher chaotisch, hasse Shoppen, schminke mich nie, trage kurze Haare etc.

Meine Gleichaltrigen damaligen Klassenkameraden, leben mittlweile mit Partner zusamen, haben zum Teil geheiratet, haben Kinder oder planen Kinder. Haben einfach "Erwachsene Interessen"

Deshalb, bevorzuge ich auch den Kontakt zu wesentlich älteren Personen, wie du schon sagtest, 60er Jahre Generation, ich kann mich über Fussballtradtionsvereine, Geschichte oder auch andere interessante Themen die die Menschheit beschäftigt mit weitaus älteren Menschen teilen.

@Dini1909
Sowas hab ich in Deutschland so krass nie erlebt ehrlich gesagt :D
Ist normal dass Mädchen Raketen bauen, mit Autos spielen und zocken. Und Schach ist jetzt auch nicht gerade männlich - spielte ich auch mit 10 bis 15 etwa, dann verlor ich allerdings das Interesse.

Glaub du bist echt im falschen Umfeld. Aber kanns ansatzweise nachvollziehen da selber weiblich aber nur "Jungenhobbies" und Kleidung und so. Vielleicht merke ich von all dem wenig weil meine Freunde immer Männer sind, vielleicht wäre das bei dir auch besser. Kann man aber halt nicht so aussuchen und erzwingen. Bei mir ists halt einfach so dass ich in Gruppen automatisch bei den Männern lande, weil sich Frauen (hab ich das Gefühl) oft irgendwie abkapseln oder gezielt nur andere Frauen ansprechen, mich dabei aber immer übersehen. Vielleicht auch weil wirklich einfach die Art und Interessen anders sind. Nacherzählungen aus dem Alltag, VIP, Mode und co. interessieren mich auch nicht (falls es das sein sollte was die bereden, weiß es ja nie so recht). Denk es ist aber eher die Art nicht so die Themen, kenne auch Frauen die nur Frauen als Freunde haben aber dennoch harcore Egoshooter Zocker sind oder Kriegsbücher lesen.

Warhead schrieb:Kader Loth und ne Bücherwand,das steht nicht nur diametral entgegen,das sind Ausschlusskriterien.

Ich kenn die Frau nicht persönlich, aber so, wie sie sich im Fernsehen gibt, hätt ich sie jetzt auch nicht für eine große Kafkainterpretin gehalten.

Dini1909 schrieb:Weil man immer " Fehler " sucht bei dem Gegenüber.

Bei ähnlichen Interessen findet man Zugang zu einer Person. Wenn es umgekehrt ist (keine Gemeinsamkeiten) kann es bei mangelnder Toleranz schnell zum Urteil kommen "Der anders ist doof/unweiblich/unmännlich/pervers/langweilig/..."
Wo diese Toleranzgrenzen liegen, ist individuell - bei mir läge es in etea bei @Warhead genannten Beispielen.

PS Schach ist zwar nicht mein Ding (bin zu blöd dafür), aber ich finde es geschlechtsneutral und ich finde, es ist ein gutes Hobby.

- du bist kein Kind

Ach, das ist auch sehr relativ. Vor paar Jahren hätte kein Erwachsener in der Öffentlichkeit zugegeben, "Malbücher" als Hobby zu haben. Inzwischen bekommt man Malbücher für Erwachsene in jeder Buchhandlung hinterhergeschmissen und keiner kommt sich dabei blöd vor.

Dini1909 schrieb:Naja eben das ich mit meinen 26 Jahren eher Hobbys habe, die einem jugendlichen Jungen bzw jungen Mann habe. ... zocken, Fussball, Sport schauen.

Wing Tsun,Parcours,Gleitschirmfliegen,S-Bahnsurfen,Freeclimbing...was gelangweilte und unterforderte Frauen heute eben so machen

The Very Best Girls Parkour and Freerunning

Externer Inhalt
Durch das Abspielen werden Daten an Youtube übermittelt und ggf. Cookies gesetzt.