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Journalismus und Verbrechen - Recherche in krim. Millieus

5 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Verbrechen, Journalismus, Reportage ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
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Journalismus und Verbrechen - Recherche in krim. Millieus

30.11.2018 um 13:02
Angeregt durch einen Bericht von ,,Strg f" (ein Recherche-Format des NDR) geht es in dieser Diskussion um folgendes:

Im angesprochenen Bericht recherchiert eine Journalistin ein wenig in der Welt der Wettmafia und erhält, obwohl scheinbar nur sehr oberflächlich, Einblick in die dortigen Abläufe. In die Strukturen der Wettmafia, darüber, wie auf manipulierte Spiele gewettet wird.
Ihre Kontaktperson sind ein Typ namens ,,Ron" und ein Kumpel von diesem. Die beiden achten extrem, fast schon paranoid (?) auf Anonymität. Sie sind ,,Runner" und stehen damit auf der untersten Stufe der kriminellen Organisation, mit der sie arbeiten.

Ein so genannter Runner sitzt rum und wartet, bis er einen Tipp und eine Anweisung erhält, eine bestimmte Wette auf ein bestimmtes Spiel in irgendeiner Sportart zu setzen, dessen Ergebnis manipuliert wurde. Das Geld fließt zunächst an den Tippgeber, einen Mittelsmann in der ,,Mafiahierarchie", der wiederum anteilig Gelder weitergibt an die Führungsriege der kriminellen Organisation.

Während der Recherche fliegt das Journalistenteam auch nach England und spricht dort mit dem Unternehmen Sportradar, welches unter anderem sportliche Begegnungen auf mögliche Manipulationen untersucht und angeblich in der Lage ist, sehr gut solche Manipulationen zu erkennen.
Während des Treffens werden dem Gesprächspartner von Sportradar die Informationen über manipulierte Spiele gezeigt, welche die Journalistin bis dahin gesammelt hat. Zunächst zeigt sich lediglich, dass Sportradar anscheinend wirklich eine gute Arbeit leistet, die laut den Unterlagen von ,,Ron" manipulierten Spiele werden auch von Sportradar als solche erkannt. Doch als dem Gesprächspartner originale Chats und weitere Informationen gezeigt werden, wird dieser auf einmal äußerst ernst und legt dem Journalistenteam eindringlich nahe, sich nicht weiter (so unbedarft) mit dem Thema und der Szene zu beschäftigen.
Dies sei hochgefährlich, für die Journalisten, aber auch für ihre Informanten.

Unter anderem mit der Begründung ,,Quellenschutz" landen die während der Recherche gesammelten Informationen zum Ende der Reportage sämtlich unter Verschluss. Selbst Strafverfolgungsbehörden werden sie, angeblich, nicht ausgehändigt.

Hier gibt es die Reportage, wer sie sehen will:

Youtube: Exklusiv: Mitglieder der Wettmafia packen aus | STRG_F
Exklusiv: Mitglieder der Wettmafia packen aus | STRG_F
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Was mich interessiert und was hier diskutiert werden soll, sind mehrere Fragen:

Wie gefährlich ist die Welt der manipulierten Wetten tatsächlich? Waren die Reaktionen des Spezialisten von Sportradar und das fast paranoide Verhalten von ,,Ron" nur Show oder besteht tatsächlich hohe Gefahr für ,,Verräter" und zu neugierige Journalisten?
Wie ist es überhaupt, als Journalist in kriminellen Millieus zu recherchieren, offen oder undercover? Wie geht man dort mit Verbrechen um?
Meldet man sie (am Ende) Strafverfolgungsbehörden oder gilt: keine Zusammenarbeit mit der Polizei, um Quellen und Reputation nicht zu gefährden?

Habt ihr selbst gar Erfahrungen gemacht mit journalistischen Recherchen in kriminellen Millieus oder kennt jemanden, der anonym darüber berichten kann?
Was bewegte euch zu euren Recherchen?

Als Nachschlag noch eine weitere Reportage, diesmal geht es um Undercover-Recherche auf Neonazi-Konzerten:

Youtube: Undercover: Was passiert auf Nazi-Konzerten? | STRG_F
Undercover: Was passiert auf Nazi-Konzerten? | STRG_F
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Journalismus und Verbrechen - Recherche in krim. Millieus

30.11.2018 um 14:40
Zitat von KcKc schrieb:Wie ist es überhaupt, als Journalist in kriminellen Millieus zu recherchieren, offen oder undercover? Wie geht man dort mit Verbrechen um?
Meldet man sie (am Ende) Strafverfolgungsbehörden oder gilt: keine Zusammenarbeit mit der Polizei, um Quellen und Reputation nicht zu gefährden?
Hier würde ich differenzieren zwischen Boulevardjournalisten auf der einen Seite, deren Intention es ist, ihre Leser bzw. Zuschauer den Kopf schütteln zu lassen, was es nicht alles gibt, und aktivistischen Journalisten wie https://www.occrp.org/en auf der anderen Seite.

Aktivisten wollen Missstände nicht nur offenlegen, sondern beseitigen helfen. Dagegen haben klassische Boulevardjornalisten keinerlei Anreiz, sich durch eine Kooperation mit den Behörden selbst in Gefahr zu bringen und zugleich ihren guten Ruf als Quasi-Beichtväter für allerlei kriminelle Milieus zu verspielen.

Aktivisten leben gefährlich. Ob die Wettmafia auch so agiert, entzieht sich meiner Kenntnis, aber die Zielgruppen, die z. B. in den "Panama Papers" thematisiert werden, ziehen alle Register, hetzen solchen Aktivisten sofort Top-Anwälte und Privatdetektive auf den Hals (und später vielleicht auch noch Killer).


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Journalismus und Verbrechen - Recherche in krim. Millieus

04.12.2018 um 10:21
@Kc

Undercover-Recherchen sind immer riskant. Natürlich hängt das davon ab, wo man recherchiert. Wenn man sich, wie einst Wallraff bei Firmen oder BILD einschleicht, dann drohen einem höchstens jahrelange und sauteure Prozesse. In anderen Milieus allerdings schon mal Prügel oder sogar der Tod. Bei Auslandsrecherchen, siehe Türkei, kannst Du auch einfach nur im Knast landen.

Wenn Du dann Dein Leben für eine knallharte und sauber recherchierte Enthüllungsstory riskiert hast, kannst Du das Pech haben, dass Dein Chefredakteur Dir sagt: "Hast Du ganz prima gemacht - aber können wir nicht veröffentlichen. Zu brisant! Ausserdem ist der Verleger dagegen, dass Du seine Freunde blossstellst. Und erstmal die Kollegen von der Anzeigenabteilung. Von denen leben wir schliesslich!"

Ja, dann packst Du Deinen Kram zusammen - und wenn Du Glück hast, landest Du bei einem Kleinstblättchen mit einer Monatsauflage von 2.000 Exemplaren, die das dann veröffentlichen, weil sie keine Angst haben müssen, dass das jemand liest.


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Journalismus und Verbrechen - Recherche in krim. Millieus

04.12.2018 um 11:12
@Doors
Da muss man schon eine Menge an Enthusiasmus mitbringen, um trotzdem so etwas zu machen.

Dabei ist Enhüllungsjournalismus - sofern da gewisse moralische Aspekte berücksichtigt werden und nicht nur zielorientiert die Quote des Brötchengebers erhöht werden soll - eine wichtige Stütze der Demokratie.


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Journalismus und Verbrechen - Recherche in krim. Millieus

04.12.2018 um 11:17
@kleinundgrün

Ohne investigative Journalisten wäre eine Menge unentdeckt geblieben. Das war schon immer so, von Zolas "J’accuse…!" in der Dreyfus-Affäre bis hin zu den Panama-Papers.

Wie viele Journalisten wurden im Laufe der Zeit als "Nestbeschmutzer" beschimpft, verfolgt, ausser Landes getrieben, eingesperrt, gefoltert, ermordet.

Wer sich wirklich an die grossen und kleinen Verbrechen und Verbrecher wagt, lebt gefährlich.

Eine Menge Informationen dazu finden sich hier:

https://www.reporter-ohne-grenzen.de/


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