@InsaneMajesty Zuerst mal wünsche ich Dir aufrichtiges Beileid zu Deinem Verlust. Zwei Jahre sind nicht genug, um über so eine Katastrophe hinwegzukommen.
Ich habe beide Eltern durch Krebs verloren (1987 und 2000), liegt offenbar in unserer Familie. In beiden Fällen war der Leidensweg grausam, ungerecht, verzweifelt und sinnlos. Und im Falle meiner Mutter unsäglich lange. Ich habe Jahre gebraucht, um das zu verarbeiten, ich wurde so sehr erschüttert, das ich die Nachwehen noch heute in mir spüren kann.
Und was habe ich dieses eingebildete, weltfremde Ärztepack gehasst, diese Quacksalber mit ihrer großen Schnauze, die ihre Patienten und deren Angehörige anlügen, die herumpfuschen und sich in Wirklichkeit einen Scheixx um die Leute kümmern. Zynische Metzger in meinen Augen, ich hätte das AKH in Wien (AKH = Allgemeines Krankenhaus, das größte Spital Österreichs und gleichzeitig Uni-Klinik) am liebsten in die Luft gesprengt.
Bis...
Tja, bis sich mir so langsam die Erkenntnis erschloss, dass ich ein paar Dinge falsch sehe. Bis ich erkannte, dass Ärzte Menschen sind, und sich sehr wohl um ihre Patienten kümmern. Das ihre Lügen Ausdruck sind ihrer Hilflosigkeit, aber auch ihrer Barmherzigkeit. Das ihr Zynismus der einzige Weg ist, das Leid der Patienten sehen zu können ohne den Verstand zu verlieren. Das das AKH nur ein Haus ist, und zwar eines, in dem jedes Jahr tausenden Menschen geholfen wird. Und das die Medizin ein äußerst großer und komplexer Bereich ist, der sich einem Laien kaum erschließt und der selbst für die besten Ärzte eine Herausforderung ist.
Ich lag also falsch.
Unter anderem, weil ich es mir nicht gestattet hatte, Fakten in meine Beurteilung einfließen zu lassen. Ich hatte mein Urteil auf rein emotionaler Basis getroffen. Es war ein Kind meiner Verzweiflung und meiner Hilflosigkeit, aber es war alles andere als gerecht. Ich wäre kein guter Richter gewesen.
Und in diesem Kontext bitte ich Dich, Deine Einschätzung zu hinterfragen. Sprich mal mit Ärzten über das Thema. Suche Dir Statistiken aus dem Netz. Versuche, objektive Daten zu erlangen.
Ich glaube, Du wirst dann feststellen, dass es eben doch nicht so ist, dass der Krebs immer wieder kommt (war übrigens bei meiner Mutter auch so, wenn auch mit einer krebsfreien Phase von mehreren Jahrzehnten).
Natürlich ist Krebs nicht immer restlos heilbar. Aber oft. Und...
Krebs ist nicht gleich Krebs. Es kommt immer darauf an, um welche Krebserkrankung es sich im konkreten Fall handelt. Bei einigen ist die Prognose - vor allem bei rechtzeitigem Erkennen - absolut positiv. Bei anderen ist Krebs selbst heute noch in den meisten Fällen ein Todesurteil.
Krebs ist bei Gott kein einfaches Thema. Weil es keine einfache Krankheit ist. Weil er so unheimlich ist. Weil wir (die nicht-Mediziner) so wenig darüber wissen. Weil auch so viele Mythen und Märchen darüber kursieren, auch heute noch.
Weil so viele Menschen, die wir so sehr lieben, an dieser verfluchten Krankheit so elend sterben müssen.
Weil wir ihn hassen.
Ja, etwas plakativ, gebe ich zu. Aber ich denke, Du merkst schon, wo ich hin will.
Tue Dir selbst einen Gefallen und finde eine Möglichkeit, den Tod Deines Freundes mit anderen Emotionen zu verbinden als Hass, Vorwürfe, Verbitterung. Es ist recht, um unsere Lieben zu trauern, und vielleicht sind sie - wenn es irgendetwas von ihnen noch irgendwo gibt - stolz auf uns, weil wir zu Trauer fähig sind. Aber würden sie wollen, dass wir verbittern?
Ich glaube nicht.
Ein Weg dazu könnte sein, sich möglichst objektive Informationen zu beschaffen. Der erste Schritt weg von einer Emotionalität, die nur Ängste schürt, hin zu einem klareren und - vielleicht auch - angstfreierem Bild dieser Geißel der Menschheit.
Ich kann Dir gleich sagen: das ist ein langer und schwieriger Weg. Aber allemal besser, als in dumpfer Verzweiflung zu ertrinken.
Ich hoffe, Du bist mir nicht böse über meine offen Worte. Ich kenne Deinen Schmerz nur zu gut und wollte helfen.