@Gibson Gibson schrieb:Meine Aussage mit der Homöopathie ist dieselbe: Auch diese wirkt manchmal oder in bestimmten Fällen... Dann kann man mit ähnlichem Recht (nicht Begründung) sagen, sie wirke, weil der Vorgang dazwischen nicht beobachtbar ist. So wie bei der Psychoanalyse.
In der Psychoanalyse sind die Schritte ja durchaus beobachtbar.
Durch bildgebende Verfahren, vor allem aber durch Beobachtungen der Psyche selbst.
Man wird ja nicht über Nacht anders, sondern tastet sich vorwärts: Träume, Ängste, Phantasien, Beziehungen und so weiter ändern sich.
Mit allen Aufs und Abs dies es so gibt, aber dennoch sichtbar, spürbar, sagbar.
Gibson schrieb:Meine Ansicht dazu kennst du: Ich halte die Kategorien, in denen die meisten Psychoanalytiker denken, für verfehlt. Man kann jede Handlung auf einen Komplex zurückführen, man kann alles auf eine intakte/gestörte Mutter-Kind-Beziehung etc. usw. usf. zurückführen. Man muss nur das Theoriegebäude rundherum koheränt genuag aufbauen und sich die entsprechenden Begriffe passend über das zurechtlegen zurechtlegen, was man nicht kennt. Es ist, als würde man eine Maschine konstruieren, die scheinbar passgenau mit einer grundlegenderen zusammenarbeitet, aber sich bloß deren Kräfte zunutze macht und (in gewisser Weise) kopiert. (Ich drücke mich gerade aus wie Ingenieur Wittgenstein... :troll: )
Das ist aber
auch ein Teil der Geschichte.
Gibson schrieb:Die eigentliche Aussage war die: Man hat zwei Hypothesen und baut auf ihnen z.B. Therapieansätze auf. Beide wirken. Doch sie sind kontradiktorisch. Mit welchem Recht kann man noch von der einen sagen, sie sei die richtige? Mit keinem. Man kann bloß ausagen: Sie wirkt. Und so z.B. eine der Psychoanalyse.
Da gibt es mehrere Antworten, ich beschränke mich auf eine.
Was die Psychoanalyse (PA) abbildet ist vermutlich goldrichtig, aber nicht für alle Menschen und alle Störungen geeignet. So merkte man mit der Zeit, dass die PA therapeutisch eben nicht so wirkte, wie man es manchmal gerne gehabt hätte.
In diese Lücke stieß die Verhaltenstherapie (VT) als ein schnelles und effizientes Verfahren für alle, vor allem wurde sie zunehmend als eines vermarktet, das wissenschaftlichen Kriterien genügt, während man der PA allenfalls noch anekdotischen Charakter zubilligte. In so einer Mischung aus Glück, Geduld und weil die Zeit alle Wunden heilt, sollte dann auch so ein Verfahren wie die PA mal ab und zu einen Treffer landen, doch man war sicher, dass Weltbild dahinter sei alles Schrott.
Der Höhepunkt waren wohl so die 1970er bis 90er, in denen die PA eine wissenschaftliche Studie nach der anderen riss und in denselben die Erfolge der VT gefeiert wurden. Eine Methode für alles und jeden schien gefunden.
Die Tiefenpsychologen blieben skeptisch und auf einmal drehte sich der Studienwind.
Es kam raus, was zu erwarten war. Die VT war in erster Linie erfolgreich bei oberflächlichen und kurzen Störungen, wenn man sich nach einem Unfall nicht mehr ans Steuer traut oder dergleichen. Doch bei tiefgreifenden Störungen erwies sie sich nach und nach als wirkungslos.
Längst hatte Kernberg die Bühne betreten und begann die PA an die Kriterien der Wissenschaft anzubinden und die Aussagen der PA falsifizierbar zu machen.
Das Ende von Lied war, dass die klassische PA Freuds in etlichen Punkten widerlegt wurde (was nach Popper angeblich nicht möglich sein sollte), aber zugleich blieb soviel erhalten, dass es immernoch Freuds PA war. Kernberg sieht sich als Freudianer, selbst wenn er viele Punkte deutlich benennt, in denen Freud sich irrte.
Durch eine Verschiebung in der Therapie, die aber noch immer aufdeckend und deutend arbeitet, gelang es Kernberg und anderen Krankheiten systematisch zu heilen, die als vollkommen unerreichbar galten und mit Kernberg wurde das ganze riesige Kapitel der schweren Persönlichkeitsstörungen überhaupt erst aufgeklappt.
Man kann das Über-Ich en detail betrachten, man kann Gegenübertragungen analysieren, da sind immens viele Türen geöffnet worden und du verbaust dir da einfach selbst spannende Wege, wenn du das ignorierst.
Gibson schrieb:Man könnte eine Quatschtherapie erfinden: Wenn sie wirkte, wäre sie die richtige.
Da gibt es ein einfaches Gegenargument.
Man könnte, aber kann nicht.
Dieses Klischee, aufdeckende Verfahren seien geeignet für gelangweilte Hausfrauen, die im Prinzip nichts haben außer zu viel Zeit und Geld ist gründlich falsch.
Gerade Kernberg (anders als Kohut, der zeitgleich wirkte) behandelte die schwersten Fälle. Setz dich mal mit einem harten Paranoiker, mit einem Borderliner einem Narzissten mit antisozialen Tendenzen hin und rede ein bisschen über die Welt und warte darauf, dass es dem, in einer Mischung aus Geduld und Glück und Zeit von selbst besser geht. Ich verrat dir was: Da kannst du lange warten.
Nichts tut sich da von selbst und bei einigen dieser Erkrankungen wird die Spaltung immer schlimmer.
Gibson schrieb:Hab ich doch: Die Töchter wenden sich in der frühkindlichen Phase vom Vater ab, weil sie sich aufgrund seiner Dominanz bedroht fühlen zur Mutter hin und entwickeln in späteren Jahren lesbische Züge. Das würde den Sonderfall der Homsexualität bei Frauen erklären und die Neugier, die Frauen zum selben oft Geschlecht verspüren. Nur ein Beispiel. Mit solchen Kategorien erklärst du alles.
Wenn Wissenschaft so stark sein soll, dass man wie du möchtest guten Gewissens sagen kann: "Die Wissenschaft sagt xy", dann darf sie sich auf solche Erklärungsmuster einfach nicht verlassen.
Du hast Popper offenbar tatsächlich nicht verstanden.
Es reicht nicht irgendeine Erklärung nachzuschieben, dies wäre ein induktiver Ansatz, sondern es gilt die Hypothese falsifizierbar zu machen.
Neben dem was daran alles nicht stimmt, ist das die starke Seite.
Gibson schrieb:Meine Gedanken dazu waren bloß: Du hast gemeint, es sei sinnvoll, dass die Unterscheidung zwischen angeboren und erworben in der modernen Wissenschaft aufgegeben worden sei. Aber ich sagte, wenn das so ist, und du dir erklären willst, wieso sich die Kinder so entwickelt haben, musst du angeborene und bereits sehr komplexe, abstrakte, kognitive Fähigkeiten voraussetzen, um eine solche Hypothese zu halten. Und ich glaube nicht, dass diese vorhanden sind.
Das ist begrenzt richtig.
Selbst Säuglinge sind bereits überraschend komplex. Daniel Stern hat das erforscht.
Gibson schrieb:Aber da diese Unterscheidung ja wegfallen soll, verliert die These (sexuelle Frustration etc.) nicht mehr, außer, die Babys verglichen ihre erhaltene Zuneigung: Was eine sehr krude These wäre, besonders bei Einzelkindern. Man könnte auch hier wieder sehr starke Gegenthesen zu den psychoanalytischen aufsetzen.
Nein, es ging mir um Folgendes. Es gibt die Ansicht, dass Menschen bereits mit biologischen Trieben und Instinkten auf die Welt kommen und sich da im Grunde nichts mehr verändert.
Die ganzen quatschigen Biologismen bauen darauf auf.
In Wirklichkeit ist der Mensch äußerst instinktarm, aber reich an Affekten und Affekte sind die Bausteine der Triebe. Die Affektdisposition ist angeboren, die Schwelle, Dauer, Intensität ist indiviuell verschieden, vor allem aber ist die Umwelt, diie das Kind erlebt, verschieden.
Da werden dann die inneren Repräsentanten gebildet und was dann Jahre später durchaus biologisch manifestiert ist, ist in großen Teilen ein Resultat frühkindlicher Erfahurngen, auf wenn die aversiven und Wiederholung wollenenden Reaktionen der Kinder auf bstimmte Reize angeboren sind. Das ist von Beginn an ineinander verschlungen und nicht zu trennen und das meinte ich.
Gibson schrieb:Nun, in diesem Fall sehe ich eben, dass man sich da sprachlich koheränte Systeme aufbaut (Ich, Über-Ich, Es), die nicht sprachlich gut aufeinander abgestimmt sind, aber nicht die Realität treffen. Aber da kommen wir nicht mehr zusammen.
Dann beschreib doch mal "die Realität".
Du führst doch da einen Begriff mit dir, den du dann auch ausführen musst.
Gibson schrieb:Ja, Wittgenstein übt eine Faszination aus. Und genau das ist doch seine Annahme. Das mit dem öffentlichen Diskurs dürfte dann noch an Wittgensteins Überlegungen angegliedert sein... Aber schon David Hume hat auf das Induktionsproblem hingewiesen.
Ja und?
Inwieweit ist das relevant?
Hume ging es um die Zurückweisung der Induktion als logisch zutreffend.
Aber der Schritt von der Logik in die Praxis durchbricht ja den Humeschen Bannkreis.
(Mal abgesehen davon, dass das was Hume dazu sagt, in jedem Bereich des Lebens ignoriert wird, im praktischen Alltag, beim Spracherwerb der Kinder, sogar in der Wissenschaft. Die Aussage, dass eine aus empirischer Beobachtung abgeleitete Regel niemals mit letzter Gewissheit richtig sein kann, stimmt, bleibt aber belanglos, da man dann einfach nach der besten Annäherung sucht.
Dazu kommt noch, dass am deutlichsten wohl Kripke nachgewiesen hat, dass auch die Deduktion, auf die Popper setzt, nur eine nette Illusion ist, da man niemals weiß, welchen Regeln man eigentlich folgt, sondern immer nur glaubt, man wisse es. Stichwort: Addition und Quaddition, bei Interesse.)
Gibson schrieb:Ja, kann man behaupten. Doch in sprachlche Wirrungen sickert eine ganze Menge ein.
Nein, anders.
Es geht nicht darum, dass die soziale Perspektive sich irren kann, sondern, dass man sie nicht umgehen kann. Wir haben sonst kein Kriterium und soziale Perspektive ist ausdrücklich
nicht mit einer schnöden Mehrheitsabstimmung gleichzusetzen.
Gibson schrieb:Doch - nur am Rande - Wittgenstein ist auch der Meinung, dass es sowas wie Intentionalität, Gerichtetheit des Bewusstseins nicht gibt, demnach könnte man in der Sprache der modernen Forscher nicht mehr reden.
Ich weiß nicht, ob Wittgenstein das so meint, aber neben allem Genie hat er auch mMn viel Unsinn geschrieben, sollte er das gesagt haben, würde ich das dazu rechnen.
Die druchaus verwirrende Tatsache, dass man sich seiner eigene Innerlichkeit erst mit den Mitteln des öffentlichen Diskurses bewusst werden kann, heißt nicht, dass nicht später eine echte Individualität und Eigenständigkeit erscheint.
(Ich will hier kein Namedropping betreiben, aber da ich das auch faszinierend finde: das hat Frege theoretisch erfasst und Chomsky hat es empirisch nachgewiesen, beides findest du in Brandoms "Expressive Vernunft", ein Buch, was nicht mal den flüchtigsten Versuch unternimmt, es dem Leser leicht zu machen. Also so eine Eiger Nordwand der Philosophie.)
Gibson schrieb::D Wieso Holzhammer-Polemik? Ich schrieb von Anfang an "Teile" der Soziologie etc. Aber ich verstehe, wenn man von leiser Polemik ein wenig abgelenkt werden kann. ;)
Teile die Stuss sind, findest du wirklich überall.
Wer will da den ersten Stein werfen?
Wie ich oben schrieb, ist Psychoanalyse für mich vom behaviouristischen Ansatz nicht weit entfernt, sondern baut darüber nur ein sprachliches Konstrukt auf. Und zwar, weil man das Hirn tatsächlich in gewissem Maße als Blackbox bezeichnen kann. Sie macht sich das zunutze. Ich streite aber nicht ab, dass sie einige Fortschritte erbracht hat, z.B. mit der Etablierung des Unbewussten als eine unserer Denk- und Sprachkategorien. Aber das war ja noch Freud.
Joa, Freud war eher der mit dem Unbewussten.
;)Gibson schrieb:Ich bin aber kein Radikalskeptiker, auch wenn viele meiner Aussagen auf Relativismus hinauszulaufen scheinen. :D Das halte ich für absolut verfehlte Position, die allein schon an den alltagspraktischen Notwendigkeiten scheitert, mithilfe derer man sich seine Position wieder schönreden kann, sobald man im stillen Kämmerchen sitzt...
Warum schönreden? Erklären.
Gibson schrieb:Ich finds aber mal angenehm, dass man hier auf Allmy mal mit jemandem echt diskutieren kann. :D Ist ja selten. Daher finde ich mich gewöhnlich auch in Randomdiksussionen oder mit -beiträgen wieder.
Wir entfernen uns vom eigentlichen Thema. Daher schlage ich nochmal vor: Wir lassen es so stehen, denn wir kommen nicht weiter zusammen. Der Platz und die Zeit reichen nicht aus.
Zeit und Platz kann man sich nehmen, hier ist ja sozusagen mein Thread. Ich finde diese off topic Trolle einfach nur dumm und lästig, die jeden Gedanken, der anscheinend nicht wie ein dumm geprügelter Teutscher Schäferhund bei Fuß gehen will, zusätzlich maßregeln wollen.
Sowas tötet Diskussionen, kein Wunder, dass sich hier so viele Spinner rumtreiben.
Heißt ja nicht, dass man sich dem klaglos ergeben muss.