@Gibson RoseHunter schrieb:
Wenn etwas darauf angelegt ist, dass es wirkt, ist es ein gutes Argument, wenn es wirkt.
Homöopathie ist auch aufs Wirken angelegt.
Wo ist der Themenbezug?
Deine Aussage war, dass es nicht heißt, dass die Psychoanalyse richtig liegt, wenn sie wirkt. Ich finde, dass das doch der Fall ist.
RoseHunter schrieb:
Naja, das Bild verstehe ich, aber du willst jetzt nicht mit der Nummer kommen, dass gutes Zureden alle Wunden heilt, oder?
Nein, aber einige. Die eigentliche Aussage war aber: Es liefert Erklärungen und solange die zufällig stimmen - es gibt nur eine richtige, aber mehrere treffen zu - werden sie als richtig angesehen. Das ist falsch.
Hm, warte mal: Und du hast so die Gesamtüberischt?
Du weißt zwar nichts, von den gravierenden Veränderungen der letzten 40 Jahre, meinst aber, das abschließend beurteilen zu können, interessant. Zum einlesen:
Wikipedia: ObjektbeziehungstheorieGibson schrieb:Was ich eigentlich dazu meine: Diese Hypothese ist eben eine sehr eigenwillige, die man durch beliebige andere ersetzen könnte.
Mach doch mal.
Vor allem, mach dich schlau, worüber überhaupt geredet wird.
Gibson schrieb:Das stimmt. Aber wenn du die Hypothese aufrecht erhalten willst, musst du von angeborenen Bedrüfnissen ausgehen. Denn ohne diese und einen evtl. Vergleich wäre für ein Kind sowas gar nicht erkennbar. Und die "moderne Wissenschaft" habe diese Unterscheidung ja glücklicherweise - wie du meintest - aufgegeben.
Auch da müsstest du genauer hinschauen.
Bestimmte Vorgänge sind einfach zum Lebenserhalt notwenig. Zellteilung, Atmen, Nahrungsaufnahme. Nicht alle davon sind mit einem inneren Gefühl verknüpft, die meisten empfinden beim atmen in der Regel nichts besonderes.
Essen und Ausscheiden sind mit Lust verknüpft und es hat bereits eine soziale Komponente.
Was dann kommt, sind Dispositionen zu bestimmten Basisaffekten, zu denen auch die sexueller Erregbarkeit gehört. Darüber lagern sich andere, sekundäre Affekte die Themen wie Sexualität (oder auch Essen) überhaupt erst kompliziert machen.
Gibson schrieb:Die beste Erklärung ist nicht die, die am meisten Fälle erklärt oder am leichtesten anwendbar ist. Tautologische Aussagen wirken aufgrund ihrer Form wahr: In Systemtheorie in der Soziologie hat man Kategorien, in die man so gut wie alles einordnen kann... Und man siehe und staune: Die Theorie ist so perfekt, so stark, so treffend, dass sie alles erklärt! *Ironie aus*
Diese Kritik kann ich durchaus teilen, aber die Schwäche der Systemtheorie ist gerade, dass sie das emprische und vor allem das subjektive Element unbeachtet lässt.
Luhmann hat mit Freud seine Schwierigkeiten, weil bei Letzterem das Ich so eine starke Rolle spielt und die Systemtheorie hat das Kunststück vollbracht, dass Ich vollständig zu eliminieren.
Freud hat das "das arme Ich" ja stärken wollen, das er zwischen den Mühlsteinen, Es, Über-Ich und Realitätssin zermalmt sah, Luhmann hat dann ernst damit gemacht und sinngemäß (wenn auch nicht explizit) gefragt, was so ein Ich (psychisches System) überhaupt noch erklärt, wenn doch einerseits das biologische System, die ganzen unbwussten Abläufe erklärt und andererseits, der Mensch, sobald er redet oder sonstwie interagiert den Spielregeln sozialer Systeme unterworfen ist?
In der Tradition der Systemtheoretiker (also der radikalen Konstruktivisten) stehen ja dann auch die modernen Hirnforscher, die denselben Unsinn auf ungleich niedrigerem theoretischen Niveau erzählen. Wozu ein Ich, sind doch alles Hirnprozesse?
Ein netter Ausflug, dennoch wollen wir ja das Thema nicht ganz vergessen und das wird überhaupt erst zu einem weil natürliche Bedürfnisse (Es) und soziale Vorgaben (Über-Ich) miteinander im Clinch liegen.
Gibson schrieb:Man kann also nicht von der scheinbar treffenden auf eine beste Erklärung schließen. Das ist ein Zirkelschluss: Allein aufgrund der Tatsache, dass man eine Theorie mit gewissen Prämissen ansetzt und diese verifiziert werden, ist die Theorie nicht bestätigt. Denn mit anderen Prämissen wäre sie ebenso erklärbar. Doch diese widerstreiten den erst angebrachten. Und nun? Beide erklären Dasselbe bestens.
Wenn dich ernsthaft diese Frage umtreibt (was mich freuen würde, weil es eine gute Frage ist), dann findest du die Antwort bei Wittgenstein und in moderner Interpretation bei Brandom.
Das Problem ist, dass Theorien, wie du richtig sagst, sich abkapseln und sich in ihre eigene Sphäre zurückziehen. Andererseits, und noch wichtiiger!, ist es nicht möglich, den Empirismus empiristisch zu begründen, weil dieser bereits voraussetzt, was er erst herleiten möchte.
Dennoch müssen die beiden Bereiche einander berühren, ein Problem seit alten Zeiten.
Die Lösung ist, dass es stets ein Subjekt ist, das die Regeln oder Theorien anwendet oder interpretiert, just so, wie es sie versteht. Dadurch setzt sich das Subjekt der Öffenlichkeit und der Kritik aus. Man könnte sagen: "Nein, so war das nicht gemeint, das macht man doch ganz anders." Diese Kritik befeuert den öffentlichen Diskurs und so steht die Interpretation jedes Subjekts im Fadenkreuz einer öffentlichen Bewertung.
Im Grunde ist die sozial aktuell gültige Interpretation (die, bei der die Öffenlichkeit stillschweigend abnickt, statt kommentierend oder sanktionierend einzugreifen) genau die, die dann (noch einmal durch die eigenen Eltern mit einer speziellen Note versehen) ins Über-Ich einsickert.
Es ist ja ein altes Thema, dass meine ureigensten Überzeugungen so verdächtig ähnlich den Werten sind, die die Eltern vorgaben.
Noch mal auf den Punkt gebracht: Was in der Philosophie unter Detranszendentalisierung läuft (sozusagen das Abrüsten der Sphäre des Reingeistigen, seien es die "Dinge an sich" bei Kant oder des Weltgeistes bei Hegel) wird inzwischen primär als sozialperspektivische Gesetzmäßigkeit gesehen.
Die Pointe für unser Thema ist, dass diese Wende exakt auch in der Psychoanalyse stattgefunden hat, d.h. von der Ich-Psychologie Freuds hin zur Objektvbeziehungstheorie, kurz und gut, die intersubjektivistischen Theorien dominieren überall, im Moment.
Gibson schrieb:Du solltest genauer lesen - dachte ich mir schon öfters. Ich schrieb, dass Teile der Soziologie und Politikwissenschaft und Psychoanalyse Mumpitz sind.
*hüstel*
Vielleicht solltest du nicht mit dem Holzhammer argumentieren und zugleich erwartet, dass man auf feinste Differenzierungen achtet, die man dann mit viel nachträglicher Anstrengung reindeuten muss. Wie wäre der Vorschlag?
Entweder pure Polemik oder sachlich.
Gibson schrieb:Meine Aussage war: Ich halte diese Unterscheidung aufzugeben für Schwachsinn: Setzt man solche Unterscheidungen außer Kraft, verläuft man sich in pseudowissenschaftliche Theoriegebilde, die man wiederum solange hinbiegen muss, bis sie passen. Ähnlich dem Behaviourismis, der innere Vorgänge gar nicht beachtet, da sie angeblich rein privat seien und man sie nicht verifizieren oder beschreiben könne.
Ich erspare uns jetzt Zeilen zum Behaviorismus, den ich ebenfalls kritisch sehe.
Aber wenn du diesen und seinen Gegenpart, die Psychoanalyse und theorielastige Ansätze kritisierst, welchem Ansatz folgst du denn überhaupt?
Ein Radiklaskeptizismus derart, dass man eigentlich nichts in der Welt irgendwie erklären kann, ist ja nun auch nicht gerade epochal.
;)