Trimalchio schrieb:Danke für die Abschrift. Merkst du jedenfalls, dass sie genau das NICHT hält, was sie belegen soll? An keiner Stelle nennt Gardner den Abdruckvergleich "hogwash". Und das, was mit dieser Behauptung von Söring oder seiner Fanmeile suggeriert werden sollte, Gardner hätte seine Meinung geändert, stimmt gleich garnicht. Ein niederträchtiges Machwerk, niederträchtig ausgeschlachtet. Peinliche Nummer. Hat man dann wohl nötig.
Aber dazu wurde ja bereits hinlänglich ausgeführt.
Genau. Anscheinend wird hier immer noch nicht so recht verstanden, welche Bedeutung der Sockenabdruck im Verfahren hatte und wie die Beweiswürdigung funktioniert.
Erst einmal, ich halte ihn für den Ausgang des Verfahrens für durchaus relevant. Eine Jury sehnt sich immer in einem Fall nach in den Augen von Laien im Justizwesen nachvollziehbaren Beweisen. Es ist ein Problem heutiger Strafprozesse generell, dass sie fast nur noch, so kommt es einem vor, auf der Basis hochgelehrter Experten mit vielen Doktortiteln entschieden werden. Deren immenses, scheinbares, Wissen entspricht weder dem des typischen Juroren, noch dem des typischen Richters oder Schöffen in Deutschland. Wir sehen das hier in diesem Fall ja an der endlosen Diskussion über die DNA-Spuren. Kaum einer hier, vermute ich mal, kann sich auf diesem Gebiet total sicher fühlen. In der Regel vertraut man dann dem Experten, der es so darstellt, dass man es wenigstens halbwegs versteht. Das Problem ist freilich, dass es der Gegenseite oft gelingt, einen ebenfalls überzeugenden Experten mit der gegenteiligen Meinung zu finden. Und dann?
Dann sollte sich der Richter oder Schöffe oder Juror auf das besinnen, was von Anfang an in der modernen Rechtsprechung galt: nicht die Experten müssen den Beweis würdigen, sondern das Gericht.
Und das wird hier immer wieder nicht verstanden: Salopp gesagt soll das Gericht, in diesem Fall die Jury, feststellen ob es einen Wald gibt oder nicht. Und die JS fans bemühen sich hier redlich darum, dass der Beobachter den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht.
Dieser Sockenabdruck existiert ja nicht mutterseelenallein im Universum. Nur dann wäre tatsächlich zu zweifeln, ob JS hätte verurteilt werden können. Aber er ist nur ein einziger Baum im ganzen Wald der Beweise. Die Jury sollte ihn im Zusammenhang mit allen anderen Bäumen betrachten und dann über den Wald entscheiden. Das wird hier ganz richtig gesagt:
lucyme schrieb:Und der Jury war das bewusst. Ihr wurde zugestanden, Ähnlichkeiten oder Abweichungen mit eigenen Augen beurteilen zu dürfen. Dabei wurden die Abdrücke nicht manipuliert oder gefälscht, eben genau so wie Gardner das sagt.
Die Staatsanwaltschaft hat in diesem Prozess sehr viele Beweise vorgelegt. Der Sockenabdruck sollte diese als ein Indiz unter vielen unterstützen. Die Jury durfte zum Beispiel schon davon ausgehen, wir vergleichen diesen Sockenabdruck jetzt nicht mit den möglichen Abdruck aller 300 Millionen Amerikaner, sondern es geht hier um die Frage: Elizabeth oder Soering. Und da ist die Antwort klar: Definitiv eher Soering als Elizabeth war der Verursacher dieses Abdrucks. Und damit unterstützt er die Beweisführung.
Ist man sich nun dessen bewusst, welche Bedeutung er hat und nicht hat und wer die Beweise würdigen muss, werden einige red herrings der JS fans offensichtlich: es spielt in diesem Fall zum Beispiel gar keine Rolle, wie sehr der von der Staatsanwaltschaft präsentierte Zeuge nun Experte war oder nicht. Der Richter hat hier juristisch vollkommen korrekt verfügt, dass er gerade nicht als Experte aussagen durfte. Die Jury sollte sich einfach den Abdruck und das Vergleichsmuster anschauen und die Sache selbst beurteilen. Sie brauchte keinen Experten, der ihr sagen musste, was sie zu sehen hat.
Es stand damals der Verteigigung völlig frei, Zeugen zu benennen, welche die Übereinstimmung anfechten. Das hat sie offensichtlich nicht getan. Das heisst aber nicht, dass sie unfähig war, sondern sie hat vielleicht durchaus eingesehen, dass sie diesen "Kampf" nicht gewinnen kann. Es ist eine komplette Fehlvorstellung von einem Gerichtsverfahren, dass jede Seite jedes auch noch so abstruse oder fernliegende Argument präsentieren muss. Alles was man damit macht, ist die Jury gegen sich aufbringen. Als Verteidiger stehe ich in jedem Prozess vor der sehr wichtigen Frage: welche Dinge bringe ich durch Zeugen oder Sachverständige ein, und welche von der Gegenseite eingebrachten Dinge fechte ich an. Die Antwort ist so gut wie nie 100%. Der erfahrene Anwalt wird versuchen sich auf die relevanten Dinge zu konzentrieren und es der Jury leichter zu machen, seiner Argumentation zu folgen.
Mit anderen Worten: Bleiben wir bei meinem Beispiel oben: Die Jury soll entscheiden, ob es einen Wald gibt oder nicht. Wenn ich jetzt der Meinung bin, unter 100 Tannenbäumen gibt es auch einen schönen grossen Busch, der von Botanikern nicht als Baum sondern eben als Busch klassifiziert wird, dann kann ich nun einen Botaniker bringen, der die Jury drei Stunden lang langweilt oder gar verärgert oder ich kann sagen: selbst wenn sich da ein "Busch" unter 100 Bäumen befindet, wird die Jury sich dadurch wohl kaum davon abbringen lassen, zu entscheiden, dass da ein Wald ist. Da muss ich mir also was anderes überlegen.
Der Sockenabdruck unterstützt die These der Anklage, dass Soering am Tatort gewesen ist und damit die Schlussfolgerung, dass er der Täter ist. Nicht mehr nicht weniger. Zumal, wie es andere hier schon dargestellt haben, der Sockenabdruck sehr gut in weiteres von JS offenbartes Täterwissen passt.
Soering tut jetzt so, als sei das die relevanteste Frage: der Sockenabdruck ist ein Busch, kein Baum, daher kann es keinen Wald geben! Das ist aber Unsinn. Ein Busch unter lauter Bäumen negiert den Wald nicht.
Mr.Stielz schrieb:Und genau das ist hier geschehen. Wir haben ganau zwei Verdächtige, die bis über die Ohren in den Mord verwickelt sind. Elizabeth Haysom wurde als Verursacherin der Sockenabdrücke ausgeschlossen, aber der Abdruck Sörings (der angegeben hat, in Socken an den Tstort zurückgekehrt zu sein) passt augenscheinlich wie die Faust aufs Auge.
Was daran "hoigwash" sein soll, wird wohl das Geheimnis der Gail Maqrshall bleiben.
QED
Selene10 schrieb:Meine Begründung warum ich die Auswahl der Jury (mit vorgefestigter Meinung) unfair fand und finde habe ich bereits begründet.
Dass die Jury aus 12 Personen alle schon vor Beginn des Prozesses die vorgefestigte Meinung hatten, JS sei der Täter halte ich nicht nur für völligen Quatsch, sondern für eine recht bösartige Unterstellung.
Auch hier sollte man sich aber mal informieren, wie eigentlich eine Jury ausgewählt wird:
Im Strafprozess muss man 12 Bürger finden, die eine Jury bilden. Dabei wird heutzutage ein Register der Einwohner eines Landkreises herangezogen und sagen wir mal 150 Personen werden ausgelost. Sie müssen Staatsbürger sein, nicht vorbestraft, erwachsen usw.
Nach Herausfiltern aller, die schon jetzt nicht passen bleiben, sagen wir mal, 100 übrig. Diese werden vorgeladen. Jetzt werden noch mal 30 von ihnen dem Richter begründen, warum sie auf keinen Fall dienen können, die eine bekommt ein Kind, der andere ist auf Hochzeitsreise usw usw. Bleiben also noch 70.
Diese 70 bekommen nun einen von beiden Seiten, der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft erstellten Fragebogen. Diese Fragen sollen dazu dienen, schon einmal festzustellen, ob es Anzeichen gibt, dass der potentielle Juror in diesem Fall nicht fair sein kann. Als Verteidiger hätte ich z.B. die Frage gestellt, ob ein Juror schon mal in Deutschland gewesen ist, was seine Meinung zu Deutschland ist usw. Nur um mal ein Beispiel aufzunehmen, weil gerne behauptet wird, die Juroren wären antideutsch gewesen.
Dann setzt der Richter einen oder mehrere Verhandlungstage für das Voir Dire an, ein Begriff aus dem Altfranzösischen, der bedeutet, jetzt werden die Juroren vernommen.
Beide Anwälte, der Staatsanwalt und der Verteidiger können nacheinander jedem einzelnen potentiellen Juror, in meinem Beispiel hatten wir noch 70, Fragen stellen: z.B. wenn einer schrieb, sein Grossvater sei im zweiten Weltkrieg von Deutschen im KZ umgebracht worden. Da kann ich jetzt als Verteidiger nachhaken: was bedeutet das für unseren Angeklagten? Kann dieser Juror ein faires Urteil sprechen?
Schliesslich kann ich als Anwalt nun folgendes Tun: ich kann beim Richter beantragen, dass ein Juror wegen Zweifeln an seiner Unvoreingenommenheit ausgeschlossen wird. Bleiben wir mal bei diesem Beispiel: dieser Juror hätte gesagt, Deutsche sind für ihn alles Verbrecher. In diesem Fall schliesst der Richter den Juror "for cause" aus. Seine Unvoreingenommenheit ist mit Recht bezweifelt.
Nun aber noch mehr: jede Seite mag ein paar Juroren entdeckt haben, denen sie nicht traut, aber die nichts konkretes gesagt haben, an dem man Unvoreingenommenheit hätte feststellen können. In jedem Bundesstaat gibt es eine wechselnde Anzahl von Juroren, die von einer Seite ohne jede Angabe von Gründen ausgeschlossen werden können. Ob mir die Nase nicht passt, ob ich der Meinung bin, der Juror hat einen IQ von minus 25 oder sonst was, ich kann einfach sagen: den nicht.
Am Ende bleiben ca. 15 übrig, 12 plus 3 Ersatzjuroren, von denen beide Seiten wenigstens halbwegs überzeugt sind, dass sie ein faires Urteil sprechen können.
So funktioniert das.