Tiergarten schrieb:Was sich mir nicht erschließt, ist jedoch, warum es eine „absolute Horrorvorstellung“ sein soll, in einem Mordfall als Zeuge auszusagen.
Das kann ich auch Null nachvollziehen. Das was ich mir als "absolute Horrorvorstellung" vorstelle ist, dass in meiner unmittelbaren Nachbarschaft eine junge Frau auf dem Rückweg einer Feier zu Tode kommt und nicht geklärt werden kann, wer dafür die Verantwortung oder sogar die Schuld trägt. Es würde mich zum einen verunsichern, ob ich oder meine Kinder sich noch sicher fühlen können, würde Misstrauen sähen, ob es "einer von uns" oder "ein Fremder" war und würde bei mir ziemliches MItleid mit den Angehörigen des Opfers auslösen, die nicht erfahren, wieso und wie ihre Tochter oder Schwester sterben musste.
In diesem Sinne wäre es mir ein Anliegen, dass der Täter gefunden wird und wenn ich dazu etwas beitragen könnte, würde ich das tun, und zwar - trotz des "mulmigen Gefühls" was einige Menschen befallen mag, wenn ihnen einen Vorladung der Polizei ins Haus flattert (und was ich durchaus nachvollziehen kann) - sehr viel lieber als damit leben zu müssen, dass in meinem kleinen Wohnort so etwas passiert ist und nie geklärt werden konnte.
XluX schrieb:Deine Schlussfolgerung , dass Zeugenbereitschaft und Schuld in irgendeinem Zusammenhang stehen, ist schlichtweg falsch.
Das hat ja auch überhaupt niemand behauptet. Und es hat ihm in dem Prozess auch niemand negativ ausgelegt. Genausowenig wie sein Schweigen.
Aber die Polizei wird natürlich hellhörig, wenn sich ein wichtiger Zeuge offenrsichtlich nur so widerwillig zur Aussage bereit erklärt, dass erst mal die Mutter (wohlgemerkt eines fast 21-jährigen!) anruft, um mitzuteilen, dass ihr Sohn der Jogger ist.
Das begründet ganz sicher bei den Ermittlern keinen Anfagsverdacht, nicht mal eine Voreingenommenheit. Aber sie werden sich das als Frage notieren, die sie in der Vernehmung gerne klären wollen: "Warum haben sie sich nicht gleich gemeldet, als sie von dem Aufruf erfahren haben?" Wenn dafür eine schlüssige Erklärung kommt, die vielleicht sogar noch nachprüfbar ist (wie z.B. "Ich habe Angst vor Behördengängen und offiziellen Terminen." ) oder man einfach den Eindruck hat, dass der junge Mann stark reifeverzögert ist und generell eher sehr schüchtern ist, dann macht man nach der Venehmung halt einen Haken dran.
Es gab diese Zeugin, die in der Tatnacht in einem Hotel geschlafen hatte und sich erst sehr spät als Zeugin gemeldet hatte. Bei der war aber klar, dass sie, das sie eigentlich in einemganz anderen Ort lebte, eben erst so spät von der Tat und der Suche nach Zeugen erfahren hatte. Und auch der Mann mit der Holzkernuhr hat sich nicht selber gemeldet, sondern wurde ermittelt, einfach weil er nie erfahren hat, dass er gesucht wird.
Aber wenn die Mutter eines erwachsenen jungen Mannes anruft und mitteilt, ihr Sohn sei der gesuchte Jogger, dann wird man sich als Polizist doch fragen dürfen und müssen, warum sich der nicht selber gemeldet hat.
XluX schrieb:Ich verstehe nicht, warum das Thema überhaupt noch hier diskutiert wird.
Weil die Mutter in der Spiegel-TV-Doku davon erzählt, dass sie den Sohn bei der Polizei als Zeugen gemeldet hat, weil sie der Meinung war, seiner (!!!) Bürgerpflicht nachkommen zu müssen.
Ich muss ehrlich sagen, dass ich die Frau sehr sympathisch in der Doku fand, dass sie auf mich einen sehr verzweifelten und traurigen Eindruck machte. Sie ist von der Unschuld des Sohnes überzeugt, was ich ihr als absolut ehrliche Aussage abnehme, obwohl ich einer andere Meinung zu dem Thema habe. Und ich denke, dass sie eine sehr schwere, traurige und sorgenvolle Zeit hinter sich und auch vor sich hat.
Aber bei allem Respekt: sie setzt sich halt ins Fernsehen und liefert so eine Steilvorlage, redet genau über diesen Aspekt, nämlich dass sie den Sohn gemeldet hat und nicht er sich selbst.
Da ist es doch wohl verständlich und legitim, dass so etwas hier diskutiert wird.
fassbinder1925 schrieb:Ich vermute und so hat es ja die Polizei zumindest auch dargestellt, dass man sich in dem Jogger nur Hoffnungen auf Hinweise gemacht hat, nicht um abzuklären, ob die Person harmlos ist oder nicht.
Sehe ich genauso. Die Partygäste konnte man konkret ansprechen ("Alle die in der Nacht im Eiskeller waren, sollen sich bitte melden!"). Alle anderen Personen, die in der Nacht in Aschau unterwegs waren, waren viel weniger konkret greifbar und man hat sich erst nach und nach ein Bild machen können, wer da wann und wo unterwegs war. Durch Zeugenaussagen und die Kamerabilder wusste man, dass da ein Jogger zur interessanten Zeit langgelaufen ist und das war es halt wichtig, mit dem zu sprechen, wen und was er in der Nacht so gesehen hat.