Lento schrieb:Ja, Du hast da schon recht, gerade am Anfang der U-Haft ist es wichtig, dass der Anwalt ein Vertrauensverhältnis aufbaut. U-Haft ist für einen Mandanten vollkommen neu und beängstigend.
Das ist zwar richtig, aber sagt nicht viel über die Realität der Arbeit eines Verteidigers aus. Ja, am Beginn soll und muss eine gewisse Zeit aufgebracht werden, um Vertrauen herzustellen, dann aber muss der Verteidiger seine Arbeitszeit effektiv nutzen und das findet nicht im Besucherraum der U-Haftanstalt statt.
Wenn ich einen neuen Mandanten in UHaft habe, besuche ich ihn so bald es geht und verbringe meist 2-3 Stunden im Gespräch. Dazu kommt aber, dass mit An- und Abfahrt und dem langwierigen Durchlaufen der Sicherheitskontrolle noch weitere 2-3 Stunden pro Besuch fällig werden - also jeder Besuch mich mindestens einen halben Arbeitstag kostet. Ausserdem, wenn gewünscht und vorhanden, lade ich in der Regel die engste Familie in meine Kanzlei ein, weil mir wichtig ist, auch bei den Angehörigen ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, was auch noch mal einige Stunden bedeutet.
Dann aber beginnt die eigentliche Arbeit an einem Fall, und die findet an meinem Schreibtisch statt und
nicht im Besucherraum. Oder im Polizeipräsidium oder im Büro des Staatsanwalts. Sobald es konkrete Ergebnisse meiner Arbeit gibt, bespreche ich diese wieder persönlich mit dem Mandanten. Das kann aber dauern, bis es wirklich etwas zu besprechen gibt.
Vor jedem Gerichtstermin besuche ich den Mandanten auch wieder, um ihn darauf vorzubereiten und Angst zu nehmen, obwohl das oft nur Routinetermine sind - aber das weiss ich, der Mandant nicht unbedingt. Da nehme ich mir dann auch viel Zeit und halte nichts davon, wie manche Kollegen es handhaben, erst 15 Minuten vor dem Termin im Gericht schnell mit dem Mandanten zu sprechen.
Aber so etwas wie ein wöchentlicher Besuch ist sehr unrealistisch. Ich hatte einmal eine Mandantin, die am liebsten ein bis zwei Besuche pro Woche gehabt hätte und mir dabei Tips geben wollte, wie ich die Richter überzeugen sollte, dass sie ein Unschuldsengel sei. Eine herzensgute Frau, aber das wäre wirklich vollkommen ineffektiv gewesen.
Sie hat mich beauftragt, weil ich als Profi besser weiss, auf was es in einem solchen Verfahren ankommt. Dann ist es wichtig, mir auch die Zeit zu geben, meine Arbeit zu machen. Wenn ich das effektiv tue, baue ich damit erfolgreicher ein Vertrauensverhältnis auf, als wenn ich alle Nase lang mal zum Kaffeklatsch im Gefängnis vorbeikomme, zumal der Kaffee dort schlecht ist.
Ja, UHaft ist für den Mandanten schrecklich, besonders, wenn er oder sie unschuldig und unerfahren ist, aber ihnen ist mit effektiver Arbeit am meisten gedient. Zum seelischen Aufbauen ist vor allem die Familie da, daher beteilige ich diese auch so weit es geht und ermuntere sie, den Inhaftierten zu besuchen so oft es geht.