fassbinder1925 schrieb:Ist das wirklich so? Du wirst aus der Praxis, sicher besser beurteilen können, wie das gehandhabt und bewertet wird. Aber ich fände das schwierig und nicht weil es dem Angeklagten negativ ausgelegt werden könnte, sondern generell. Eine gewisse Korrelation kann man theoretisch gar nicht unbedingt wegdiskutieren. Es ist ja sogar öfter der Fall, dass Leute die wegen Gewalttaten oder Beziehungstaten vor Gericht stehen, sich in der Vergangenheit auch selbst verletzt haben. Sei es absichtlich oder auch aus Impulsivität. Aber wenn es sonst keine näheren Hinweise darauf gibt, dass jemand in der Vergangenheit schon mal das an Anderen Menschen ausgelassen hat, ist das eine brisante Annahme. Fast ein bisschen so, als würde man sagen, Homosexuelle vergreifen sich auch an Minderjährigen. Es sind tatsächlich zwei Paar Stiefel. Damit würde man vielen Menschen Unrecht tun und da müssten dann eigentlich einige Leute, gerade in der heutigen Zeit, sofort aufbegehren.
Na ja, all diese Sachen stehen ja nicht allein im Raum, sondern immer in einer Beziehung zu anderen Indizien und Aussagen. Und als Staatsanwalt würde ich auf jeden Fall diese Epiode nutzen, wenn die Verteidigung dem Gericht erzählt, der Angeklagte ist ein durch und durch herzensguter Junge, der niemals auch nur einer Fliege etwas zu Leide tun kann, der schüchtern ist usw usw.
Dann würde ich sagen: "ja, mag ja alles so scheinen, aber: wir haben Aussagen hier, dass er ausgerechnet bei Frauen anscheinend meistens abblitzt. Dass er keine Freundin hat, gerne eine haben würde. Dass er sogar "Umwege" auf sich nimmt, um eine Frau anzubaggern. Bisher aber offensichtlich erfolglos. Wie geht er mit Frustration um? Wie reagiert er auf Abweisung?
Wir haben keine direkten Zeugenaussagen für all die Fälle in welchen er bisher abgewiesen wurde, aber wir wissen aus dem Ereignis im Gefängnis, dass es auch bei ihm einen Punkt gibt, wenn der erreicht ist, hat er sich nicht mehr im Griff. Dann schlägt er zu. Ohne die Folgen zu bedenken. So kraftvoll er kann.
Natürlich wird er das bereut haben, da er sich selbst verletzt hat. Aber, es ist passiert. Wissen wir, was in jener Nacht der Grund für seine Gewalt an Hanna gewesen ist? Nein. Aber wir wissen, er ist nicht unfähig dazu, seine Kraft anzuwenden, Gewalt auszuüben, selbst wenn es rational gesehen keinen Sinn macht. Im Gefängnis war die unschuldige Mauer das Opfer, am Bärbach war es die unschuldige Hanna."
Irgendsowas in der Art. Die Episode gibt eben Munition gegen die Darstellung als absolut friedfertiges Unschuldslamm. Sie macht das Gegenteil denkbarer.