GhOuTa schrieb am 09.02.2020:Wie gesagt, wenn man die ganze Serie verfolgt, bei der ja so gut wie alle Fälle in Frankreich stattfinden, findet man auch Fälle, wo es zu drei Gerichtsverfahren kam. Das französische Justizsystem ist nicht das deutsche. Man müsste das schon ganz genau wissen.
Da hast Du Recht und ich habe auch keinerlei Kenntnisse wie das in Frankreich gehalten wird, es würde mich lediglich wundern, wenn ein erneuter Prozess trotz Freispruch dort möglich ist, aber das ist nur eine persönliche Einschätzung, keine Faktenkenntnis.
GhOuTa schrieb am 09.02.2020:Um zu wissen, wie es in Frankreich aussieht, und ob und welche Hintertüren die Strafprozessordnung da kennt, reicht so ein allgemeiner Rechtsgrundsatz wie 'Ne bis in idem' glaub ich nicht aus.
Natürlich reicht das nicht aus um einen Fakt draus zu machen, ich hätte deutlicher machen sollen, dass es nur eine Einschätzung meinerseits ist, die natürlich auch falsch sein kann.
GhOuTa schrieb am 09.02.2020:Was den Fall angeht, so fand ich die Hinweise auf diesen Knoten, den nur erfahrene Segler kennen (und der TV ein solcher ist, im Film wird das so ab Minute 27 beleuchtet), und dass das Opfer aber immer nur Schuhe mit Klettverschlüssen trug, weil sie Schwierigkeiten mit dem Zuknoten hatte, schon ein recht starkes Indiz.
So unterschiedlich können Eindrücke sein, denn mich überzeugt das gar nicht.
Die Frau war erwachsen und wir leben nicht mehr in der Steinzeit.
2 Minuten Google, 10 Minuten Youtube und ich binde Dir auch die kompliziertesten Knoten und ehe ich mich aufhänge würde ich genau das tun: Einen Knoten aussuchen, der sicher hält und das man da mit Knoten aus der Schiffahrt gut beraten ist ist auch kein Geheimwissen.
Der angeblich so unmögliche Bademantelknoten hat mich sehr an meinen ersten Krawattenknoten erinnert.
Für den hatte ich mir auch eine Anleitung gesucht und ihn vorm Spiegel gebunden, heraus kam hier ebenfalls ein Knoten, der perspektivisch "falsch rum" war als habe ihn mir jemand gebunden der mir gegenüber stand.
Es ist eine statistische Tatsache, dass Frauen bei der Selbsttötung oft Wert darauf legen nicht entblößt aufgefunden zu werden, deswegen schrillen bei Ermittlern auch alle Alarmglocken, wenn ein weiblicher Suizident unbekleidet oder anderweitig entblößend positioniert ist.
Sie hätte also einen verdammt guten Grund gehabt an genau diesem Tag ihren Bademantel so zuzubinden, dass er sicher nicht offen ist wenn man sie findet.
GhOuTa schrieb am 09.02.2020:Dann dass er trotz Kontaktverbot am Tatort war, laut Handyeinbuchungen
Wenn Du die gleiche Stelle meinst die ich nun im Kopf habe, dann wurde gesagt, dass sein Handy "in der Gegend eingebucht war".
Funkzellen sind alles andere als präzise. Das heißt nicht, dass er dem Haus auch nur nahe gekommen ist.
GhOuTa schrieb am 09.02.2020:Dass sei von einem Dritten ermordete wirkt für mich sehr theoretisch
Das das unwahrscheinlich ist ist korrekt, aber ich habe mal in einer Krimidoku (ich glaube es war "betrayed") genau so einen Fall gesehen.
Unschöne Beziehung zum Ex, paar andere Tatverdächtige im Umfeld und am Ende war sie doch nach allem was sie durchgestanden hatte das Zufallsopfer eines ihr völlig fremden Täters.
Bei der Folge wurde mir nochmal bewusst wie fix da ein Unschuldiger hätte im Knast landen können, vor allem in einem Jurysystem hätte das schnell passieren können, weil man da nicht so sehr mit Beweisen arbeiten muss sondern es viel wichtiger ist was die Jury glauben möchte.
In einem fairen Prozess darf es deswegen nicht heißen ob solch eine Alternative wahrscheinlich ist, sondern ob sie möglich ist.
GhOuTa schrieb am 09.02.2020: v.a. mangels eines Motivs und mangels aller Spuren diesbzgl.
Motive sind eh so eine Sache.
Was heute normal oder allenfalls unerfreulich ist, ist in einem unklaren Todesfall schnell als Motiv akzeptiert.
Da ist man dann tatverdächtig, weil der Verstorbene eine Lebensversicherung hatte und zwar ohne jede Rücksicht darauf, dass eine Lebensversicherung absolut nichts Ungewöhnliches ist.
Die Frage nach den Spuren ist aber interessant, denn davon gab es auch keine vom Tatverdächtigen.
Er hatte Kontaktverbot.
Jedes Haar von ihm am Tatort, jede Hautschuppe an dem Seil oder so hätte eine gute Erklärung von ihm eingefordert.
Aber die Doku erwähnt nicht auch nur eine solche Spur.
GhOuTa schrieb am 09.02.2020:Ein Selbstmord ist angesichts der seelischen Dauerbelastung durch den Verdächtigen auch denkbar,
Muss nicht mal deswegen sein.
Manchmal wird solchen Menschen auch schlagartig klar, dass die Scheidung sie zwar aus dieser Ehe befreit, aber andere Probleme bestehen bleiben, man vor sich selbst dann keine "Ausrede" mehr hat diese anzugehen. Auch das endgültige aus einer extrem unglücklichen Ehe kann für Betroffene eine beängstigende Veränderung sein, sie wird ja nicht aus Spaß zu einem Arzt gegangen sein, der ihr dann Antidepressiva verschrieb.
GhOuTa schrieb am 09.02.2020:Juristisch ist es wohl richtig, dass wenn die Indizien vom Richter als nicht ausreichend bewertet werden, dass dann in-dubio-pro-reo anzuwenden ist.
Aber das beinhaltet eben auch die Option, dass eine reale kapitale Straftat nicht aufgedeckt und bestraft worden sein kann.
Das ist korrekt und ich verstehe auch, dass diese Tatsache für manche Menschen schwer zu verkraften ist, aber ja ein funktionierendes Rechtssystem bedeutet eben auch, dass ein Täter davonkommen muss, wenn ihm die Tat nicht nachgewiesen werden kann.
GhOuTa schrieb am 09.02.2020:Hhm in dem Film kommt das nicht vor, dass die Ermittler versuchten, dem Mann die Tat "anzuhängen" und das angeblich auch zugegeben hätten. Da sollte @Fraukie erst einmal mal verraten, woher sie oder er das hat, finde ich.
Die ganze Doku baut darauf auf.
Pathologe und Ermittler bekräftigen beide ganz deutlich, dass sie den Tod als Suizid eingestuft haben, weil es keinerlei Hinweise auf eine Fremdeinwirkung gab.
So wie der Pathologe sich äußert hat er auch genau das getan was bei einem Suizidopfer sinnvoll ist: er hat die Auffindesituation gut dokumentiert und bei der Obduktion darauf geachtet ob irgendetwas nicht zu eben Dieser passt bzw ob es irgendwelche Spuren gibt, die nicht da sein sollten.
Ein Ermittlungsverfahren wurde also nicht etwa angestoßen, weil die Ermittlung zu dem Schluss führte:
"Da stimmt etwas nicht, hier könnte eine Fremdeinwirkung vorliegen." sondern weil die Angehörigen der Verstorbenen Anzeige erstattet haben und zwar gegen den Ehemann, der dann auch umgehend zum einzigen Tatverdächtigen war.
Einziger Verdächtiger eines Tötungsdeliktes bei dem keine Hinweise darauf gefunden wurden dass es sich überhaupt ereignet hat.
Einzige "Alternative" zu einem Suizid, der von Angehörigen auch ohne miesen Ex sehr oft nur ungern akzeptiert wird.
In einem ordentlichen Verfahren kommt erst der Hinweis darauf, dass ein Tötungsdelikt vorliegt und dann die Frage wer tatverdächtig ist.
In der Doku heißt es immer nur "Selbstmord oder Mord durch den Ehemann".
Bei Minute 31 heißt es auch ganz konkret sinngemäß "Hat er sie getötet, einen Selbstmord vorgetäuscht und lässt sich das beweisen?"
GhOuTa schrieb am 09.02.2020:Im Film wird das Bild gezeichnet, bzw sinngemäß gesagt, dass die Ermittler der Ansicht waren, genügend Beweise zusammen getragen zu haben
Aber keiner dieser Beweise wird erwähnt. Nur Indizien, die meisten davon recht schwach.
Wo ist der Toxscreen mit den Beruhigungsmitteln und wenn sie nicht betäubt wurde, wo sind die Kampfspuren?
Er hatte keine Kratzer oder Ähnliches und es werden keine weiteren Verletzungen bei ihr erwähnt (im Gegenteil, der pathologe sagt es gäbe Keine).
Ohne gekratzt und gebissen zu werden hängt man doch kaum ein Kind auf ohne vorherige Betäubung und hier soll eine erwachsene Frau ohne jede Spur von ihrem brutalem Ex aufgehängt worden sein?
Sicherlich nicht unmöglich, aber ohne Beweise doch nicht auch nur annähernd genug für einen Schuldspruch.
ThoFra schrieb am 09.02.2020:Das zeichnet schon ein gewisses Bild des Ehemannes, macht ihn allerdings nicht unbedingt automatisch zum Mörder.
Exakt. Die Darstellung des TV ist zwar so einseitig, dass sie mir nicht ausreicht um das wirklich alles so als Fakt anzunehmen, z.B. erscheint es mir merkwürdig, dass die Kinder die alt genug waren um über die Situation zwischen ihren Eltern zumindest teilweise Bescheid zu wissen.
Wenn der Vater also wie behauptet so ein "Allroundarschloch" war und Onkel und Großvater (die ja auch die Anzeige gemacht haben) die edlen Beschützer der Familie.
Warum rufen die Kinder als sie ihre Mutter vermissen nicht diesen Onkel, den Großvater oder die Polizei an, sondern ihren Vater der uns als brutales Monster serviert wird und von dem sie vermutlich auch wussten, dass er nicht zu ihnen kommen darf?
MichaelK. schrieb am 09.02.2020:Wenn man einen Mord als Selbstmord durch erhängen vertuschen will, wie auch immer das funktionieren soll ohne Spuren zu hinterlassen, die Frau lässt sich ja nicht grad mal so an den Balken hängen, und selbst wenn wenn Sie schon Tod gewesen währe, dann hätte der eigentliche Mord Spuren hinterlassen.
Eben und das hätte man in der Pathologie feststellen müssen, vor allem ein Pathologe der sich offenkundig an die Regel "Jeden Suizid zunächst wie einen Mord behandeln" gehalten hat und nicht nur bei der Obduktion auf andere Hinweise geachtet sondern seine Ergebnisse auch mit selbst angefertigten Fotos von der Auffindesituation abgeglichen hat.
Wo sind denn die Einblutungen unter der Haut von festen Griffen, Genmaterial des Täters unter ihren Nägeln, Fasern von Haaren oder Kleidung des Täters die bei sowas unvermeidbar übertragen werden?
Wo sind die Spuren von einem Betäubungsmittel das erklären könnte warum es keinen Kampf gab (das aber die Abwesenheit von Spuren des Täters immer noch nicht erklären würde)?
MichaelK. schrieb am 09.02.2020:Und dann diese komische Haltung, ein Fuß berührt leicht den Boden und der andere hängt da so grad noch an dem Stuhl, wer würde denn auf so eine bescheuerte Idee kommen wenn das möglichst schlüssig aussehen soll.
Auch das ist absolut korrekt.
Ein zu 100% stimmiger "Tatort" bei einem Suizid macht Ermittler sehr viel stutziger als kleinere Ungereimtheiten die es laut einem Freund bei der Polizei immer gibt.
Wer ein Tötungsdelikt begeht und anschließend einen Selbstmord vortäuscht, der neigt dazu nicht das "übliche Bild mit kleinen Ungereimtheiten" zu erzeugen, sondern drapiert seine exakte Vorstellung davon wie "sowas aussieht" (oft mit üblichen Fehlern die Darstellungen in Film und Fernsehen angehängt werden könnten oder falschen Vorstellungen die auf einem mangelhaftem Kentnisstand beruhen).
Das was hier direkt auffällt also der nicht umgestoßene Stuhl, der eine Fuß auf dem Boden und der andere auf dem Stuhl ist ein Bild bei dem es sehr unwahrscheinlich ist, dass jemand der einen Selbstmord als Vertuschung nutzen möchte es so stehen lässt.
Viel wahrscheinlicher wäre es, wenn der Täter in diesem Fall den Stuhl umgestoßen und den Leichnam ohne Bodenkontakt der Füße aufgehängt hätte.
Natürlich machen diese Dinge einen Mord nicht unmöglich, aber sie sprechen mindestens mit gleicher Beweiskraft gegen ein Tötungsdelikt wie Kram wie "Solch einen Knoten hätte sie niemals binden können." für eine Fremdeinwirkung spricht.
MichaelK. schrieb am 09.02.2020:Man muss bei dieser Doku schon sehr aufpassen, ist zum teil schon ganz schön manipulativ.
Und zwar in einem Ausmaße, das schon bedenklich ist.
Erst heißt es, dass der Knoten unter Zug gebunden wurde, also die Schnur da mit einem Gewicht belastet war und danach direkt "Sie hing also schon dran als das Seil befestigt wurde!"
Diese Vermischung von vermeintlichem Fakt und aus der Luft gegriffener Behauptung ist extrem unseriös.
Ich kenne mich mit Segelknoten nicht aus, aber selbst wenn ich annehme, dass "wurde unter Zug gebunden" so stimmt, dann fallen mir massig alternative Erklärungen ein.
Etwa die, dass jemand der sich erhängt und sich darüber Gedanken macht (was sie zwangsläufig tun musste, wenn sie dazu erstmal einen Knoten für die Befestigung und einen der ihren Bademantel geschlossen hält lernen musste) die Vorstellung nach dem Erhängen noch Bodenkontakt mit den Füßen zu haben vermutlich eher nicht so einladend ist.
Sie könnte also genauso gut ein Gewicht an die Schnur gebunden haben, in dem (gescheiterten Versuch) die Länge des Seils so einzuschätzen, dass es lang genug ist um vom Stuhl aus noch dranzukommen, aber kurz genug um nicht mit einem Fuß auf dem Boden zu stehen.
Die Doku aber suggeriert durch die getätigte Aussage, dass nur diese eine Tathergangshypothese möglich ist.
Ab Minute 38 wird dann ziemlich manipulativ suggeriert, dass der TV seine "Alibigeschichte" ja nur wechselt, weil er schuldig ist.
Sicherlich ist ein Wechseln der Geschichte verdächtig und muss hinterfragt werden, aber es gibt anders als hier behauptet wird massenweise andere Gründe.
Der Häufigste ist wohl, dass viele Menschen sich abends kaum noch erinnern können was sie gefrühstückt haben und nun wird von ihnen erwartet, dass sie einen ganzen Tag bzw einen spezifischen Zeitraum komplett abdecken können, oft sogar für einen tag der bereits eine Weile zurück liegt.
Da ist es nicht unüblich, dass man erst das aussagt, was man glaubt getan zu haben und dann umschwenkt wenn das widerlegt wird.
Fun Fact: Wenn jemand zu detailliert vorträgt was er getan hat, dann ist das für die Polizei auch wieder verdächtig, denn dann
muss er sein Alibi ja konstruiert haben, denn so detailliert erinnert sich doch niemand.
Mit einem "Ich weiß echt nicht mehr was ich den Tag alles getan habe." (was auf die meisten Menschen für die meisten Tage zutreffen dürfte) geben sich die Ermittler ja auch nicht zufrieden.
Darüber hinaus kann er durchaus unschuldig am Tod seiner Frau sein und dabei ein Alibi haben, dass er nicht nennen möchte.
Immerhin erfahren das mitunter auch seine Kinder, da wäre es verständlich, dass man "Da war ich im Stripclub/bei einer Prostituierten/meiner verheirateten Geliebten/im Pornokino.." nicht so gern in der Akte hat.
Auch "Da hab ich mir ein bisschen Koks geholt und mal so richtig schön durch die Nase gezischt." wäre ein Alibi, dass man ggf lieber für sich behält, wenn man genug Vertrauen in ein Justizsystem hat um daran zu glauben, dass es mangels Täterschaft ja auch keine entsprechenden Beweise geben kann und folglich keinen Schuldspruch. (Ein Vertrauen mit dem immer wieder Leute auf die Schnauze fallen).
Etwa bei Minute 41 heißt es dann "Ergibt sich nun ein Tathergang."
Völliger Blödsinn, dafür gibt es doch den hübschen Begriff der "Tathergangshypothese".
Dem Zuschauer wird hier aber vorgegaukelt, dass es sich um bewiesene Tatsachen handelt.
Dann diese Behauptung des Anwaltes der Nebenklage "Dann hat er sie erwürgt oder erstickt...."
Er stellt das ebenfalls so da, als sei es eine Tatsache, dabei weiß er einfach nur, dass es völlig unglaubwürdig ist eine lebende, nicht betäubte, erwachsene Person mal eben aufzuhängen.
Aber welche Beweise gibt es, die diese Behauptung stützen?
Erwürgt man einen Menschen, dann erbricht der häufig und praktisch immer entleert sich bei Todeseintritt die Blase, wo sind diese Spuren?
Wo sind die Spuren die ein Kampf hinterlassen hätte, Verletzungen, übertragene Fasern usw?
Wo belegt ein Pathologe, dass es Strangulationsmale gab, die in Zugrichtung oder Abmessungen nicht zu dem Erhängen an dieser Schnur passen?
Die Darstellungen in dieser Doku... das ist schon fast nicht mehr manipulativ, das grenzt schon an Gehirnwäsche, denn permanent wird dem Zuschauer vorgegeben was er denken soll.
Indizien die für die Hypothese einer Tötung durch diese Person sprechen könnten werden aufgebauscht und als "handfeste Beweise" bezeichnet, die Abwesenheit von echten Beweisen, Ermittlungs- oder Pathologieergebnissen wird vollständig umgangen und darauf, dass der Pathologe nichts gefunden hat, dass die Mord-These stützt ist nie wieder die Rede.
Da fühl ich mich als Zuschauer schon irgendwie unwohl, denn von einer Doku erwarte ich, dass sie mir Fakten vorlegt, mögliche Hypothesen als solche kennzeichnet und es mir überlässt was ich damit tue.
Mit den hier gezogenen Mitteln zu versuchen mein Gehirn in die gewünschte Richtung zu drehen ist so not cool...
ThoFra schrieb am 09.02.2020:Gerade, wenn man annimmt, dass Chantal Ternik erdrosselt worden sein könnte, bevor sie aufgehängt wurde, wäre es evtl nicht ganz eindeutig zu unterscheiden von der Spurenlage her, vermute ich zumindest, bin allerdings natürlich kein Rechtsmediziner.
Kommt drauf an.
Wenn der Täter sich hinter sie gestellt hätte und sie mit der gleichen Schlinge aus exakt dem gleichen Winkel erwürgt wie sie später daran aufgehängt wurde, dann wäre es schwierig das zu differenzieren.
In jedem anderen Fall hätte es Spuren geben müssen.
Kannst Dir das so vorstellen:
Zum Erdrosseln (auch bei Erhängen) muss Kraft auf den Hals ausgeübt werden.
Dabei kommt es zu Einblutungen unter der Haut. Diese Einblutungen lassen ziemlich präzise Rückschlüsse darauf zu ob das Opfer mit bloßen Händen, einer schmalen Schnur, einem breiten Band, einem mehr oder weniger flexiblem Gegenstand gewürgt wurde und aus welcher Richtung diese Einwirkung kam.
Hätte er sie also erwürgt, dann würden dabei solche Einblutungen entstehen.
Wurde sie nach ihrem Tode aufgehängt, dann wäre es für einen halbwegs fähigen Pathologen sehr einfach zu sagen, dass die Würgemale in Lokalisation, Zugrichtung und je nachdem womit er sie erwürgt hat auch in Abmessungen und Beschaffenheit nicht mit der Auffindesituation vereinbar sind.
Wurde sie nur bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt und dann aufgehängt, dann würde es die "richtigen" Einblutungen, die mit der Auffindesituation übereinstimmen zusätzlich zu denen geben, die beim "Anersticken" entstanden sind und da, das ist sicher nicht überraschend, braucht man kein Pathologe zu sein damit die Alarmglocken schrillen und man einen Suizid eher ausschließt und eine Fremdeinwirkung als gegeben ansieht.
Wäre sie, wie der Anwalt ihrer Familie behauptet hat erstickt wurden (er sprach ja von "erstickt oder erwürgt), dann hätte der Pathologe mit hoher Wahrscheinlichkeit auf der Innenseite der Oberlippe deutliche Verletzungen festgestellt, die entstehen, wenn einem Mund und Nase zugedrückt werden und die Oberlippe dabei an die Zähne gedrückt wird.
Der Pathologe der diesen Fall bearbeitet hat ist sich diesen Fakten ganz offensichtlich nicht nur bewusst (er erwähnt extra die Übereinstimmung von Schnur, Knoten usw) er hat auch absolut vorbildliche Arbeit geleistet indem er die Auffindesituation fotografiert und seine Ergebnisse damit abgeglichen hat.
Ich darf also davon ausgehen, dass hier ein vorbildlich arbeitender Pathologe dran war, der ganz genau gewusst hat wonach er suchen muss und keiner der angeblichen Beweise gegen den TV können erklären warum die Obduktion auf einen Suizid ohne Fremdeinwirkung hinwies.
Das gibt mir tatsächlich am meisten zu denken bei dieser "Doku".
Meist kommen bei einem Tötungsdelikt irgendwelche Beweise aus der Pathologie oder aus dem forensischen Labor.
Aber in diesem Fall ist das nicht so. Es wird sogar betont, dass der nicht umgestürzte Stuhl und der Fuß auf dem Boden längst nicht so ungewöhnlich sind wie viele Zuschauer berechtigter Weise annehmen würden und es auch an der Leiche keinerlei Hinweise auf etwas Anderes als Suizid durch erhängen gab.
Statt schöner Beweise aus Pathologie und Labor gibt es hier Hörensagen ("Sie hätte so einen Knoten nicht binden können."), Mutmaßungen und nicht nachvollziehbare Rückschlüsse, die alles was gegen ein Fremdverschulden spricht wegschieben und alles was dafür sprechen könnte soweit aufbauschen, dass die Beweiskraft erheblicher wirkt als sie auch nur ansatzweise ist.
Rick_Blaine schrieb am 10.02.2020:Die zweite Todeszeitpunktermittlung hatte ein Problem: die Leiche stand längst nicht mehr zur Verfügung.
Das hab ich mich auch gefragt.
Warum werden solche Dinge in dieser "Doku" derart heftig umgangen?
Da es sich wie ein roter Faden durch die Doku zieht, dass nur "Beweise" aufgebauscht werden die für eine Tötung durch den Ehemann sprechen, während alles andere kleingeredet oder weggelassen wird muss ich annehmen, dass der zweite Todeszeitpunkt mit einer Kristallkugel oder einem ähnlich zuverlässigem Verfahren ermittelt wurde.
Denn wäre ein Todeszeitpunkt der außerhalb der Zeit liegt in der der TV ein Alibi hatte wirklich nachgewiesen wurden, z.B. durch ein:
"Auf den Fotos konnten Insekteneier identifiziert werden, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen Todeszeitpunkt belegen, der mehrere Stunden vor dem eigentlich angenommenen Zeitpunkt liegt."
Dann hätten die das in der Doku sicher verwurstet, dass sie nur das Ergebnis nennen, nicht aber wie es zustande kam und mit welchen Argumenten es das erste Ergebnis falsifiziert macht mich stutzig.
chorus schrieb am 10.02.2020:1. Kein Abschiedsbrief! (und ob es ein Testament gab, wurde nicht erwähnt)
Abschiedsbriefe werden im Falle eines Suzides sehr viel seltener hinterlassen als man meinen mag.
Man findet sehr unterschiedliche Statistiken.
https://agus-selbsthilfe.de/info-zu-suizid/tod-durch-suizid/zahlen-und-statistiken/wird von 60% gesprochen, allerdings mit der "Quelle" "unseren Erfahrungen nach", was die Aussagekraft massiv beeinträchtigt.
https://www.klaus-grawe-institut.ch/blog/suizidgefahr-mythen-und-facts/ , die verlässlichere Quellen angibt ist die Rede von 25% und in diesem
recht ausführlichem pdf ist auf Seite 34 nachzulesen, dass bei der hier erhobenen Statistik 59,8% der Suizidenten keinen Abschiedsbrief hinterließen.
Egal welche Zahl man sich nun "aussucht", die Abwesenheit einen Abschiedsbriefes ist keine Auffälligkeit, die gegen die Wahrscheinlichkeit eines Suizides spricht.
chorus schrieb am 10.02.2020:2. Hinweise/Aussagen fehlen (bzw. werden nicht erwähnt), die darauf hindeuten, dass der Suizid vorbereitet/geplant wurde!
Es wird diese 4 Monate zuvor bestellte Stele erwähnt, die sie "bestellt" haben soll und von der dann merkwürdiger Weise nie wieder die Rede ist, weil sie zur "Mordversion" nicht passt.
Das könnte man durchaus als Vorbereitung sehen.
Darüber hinaus bedarf es keiner Vorbereitung.
Ich lehne mich mal ganz weit aus dem Fenster und behaupte, dass niemand sich erhängt, weil es so ein angenehmer friedlicher Tod und ein so hübsches Bild für den Auffinder ist, sondern die Wahl auf Erhängen eher fällt, weil es eine der wenigen Methoden ist bei der man nichts planen, vorbereiten oder organisieren muss.
Strick, einen Ort zum Befestigen, ggf ein Stuhl, fertig.
"Angenehmere" Todesarten hingegen verlangen Planung, wenn man z.B. Tabletten besorgen möchte, die einen weit friedlicheren Tod ermöglichen.
chorus schrieb am 10.02.2020:--> Das Gegenteil war der Fall. Die langjährige Freundin berichtete u.a., Frau Ternik habe bereits Pläne gehabt, wie sie ihr Leben nach der Scheidung gestalten wolle.
Es ist leider absolut nicht selten, dass jemand der sich endgültig zum Suizid entschlossen hat auf sein Umfeld wirkt als sei er "endlich wieder glücklich". Das solch ein Mensch gradezu euphorisch herumrennt und ja auch Zukunftspläne schmiedet.
Mit dieser Entscheidung fällt von diesen Menschen eine Last ab, die ein Auftreten zur Folge hat das es den Hinterbliebenen noch viel schwerer macht einen Suizid zu akzeptieren, davon das "warum" zu verstehen gar nicht erst anzufangen.
Die Tatsache, dass ein Abschiedsbrief sehr viel öfter erwartet als verfasst wird macht das Ganze nicht einfacher.
Ich möchte nicht so verstanden werden als würde ich ein Tötungsdelikt vollkommen ausschließen und auch ob der Tatverdächtige schuldig ist oder nur in der Schusslinie stand weiß ich auch nicht.
Mir geht es um folgende Punkte:
- hier wurde nicht (wie sonst "üblich") erst ein klarer Hinweis auf Fremdeinwirkung gefunden und dann nach einem Täter gesucht, sondern der Suizid angezweifelt weil ein "passender Tatverdächtiger" zur Verfügung stand
- wenn es wirklich gute Beweise für eine Fremdeinwirkung generell und die Täterschaft des Mannes im Speziellen gab, dann wurden die in dieser Doku nicht genannt
- das was in der Doku an "Beweisen" vorgelegt wird darf in einem Rechtsstaat nicht genug für einen Schuldspruch sein
- das Verfahren in dem der Mann verurteilt wurde war kein fairer Prozess, die ganze Beweisführung spricht eher die Sprache einer Hexenjagd als die guter kriminalistischer und kriminaltechnischer Ermittlung, bei der "Beweislage" hätte es niemals einen Schuldspruch geben dürfen, dass erklärt auch, warum es nicht nur zu einem Berufungsverfahren kam, sondern auch warum dieses mit einem Freispruch endete.
- die Machart dieser Doku ist meiner Meinung nach extrem bedenklich, wie
@MichaelK. bereits schrieb ist die ganze Machart extrem manipulativ und in einem indiskutablem Maßstab darauf ausgelegt dem Zuschauer keine Fakten vorzulegen mit denen er dann sein eigenes Bild basteln kann, sondern die Gedanken in eine bestimmte Richtung zu lenken und das ist eine ganz schön fragwürdige Masche.