Seps13 schrieb:Wie es im französischen Recht ist, wissen wir wohl alle nicht, aber ausschließen kann man da mE. noch nichts.
Bevor hier wieder seitenweise deutsche Rechtsvorschriften zitiert werden, die für diesen Fall ja vollkommen irrelevant sind, möchte ich einen kleinen Einblick in die französische Ansicht dieser Dinge geben.
Seit 1804 existiert in Frankreich eine quasi-Gefährdungshaftung für Schäden, die von Tieren, ausser von wilden Tieren, verursacht werden, wenn man den deutschen juristischen Begriff mal verwenden will.
Geregelt ist das im § 1243 des französischen Zivilgesetzbuches, dem Code Civil, in der seit 2016 gültigen Fassung. Vor 2016 war der gleiche Sachverhalt im § 1385 festgeschrieben:
Le propriétaire d'un animal, ou celui qui s'en sert, pendant qu'il est à son usage, est responsable du dommage que l'animal a causé, soit que l'animal fût sous sa garde, soit qu'il fût égaré ou échappé.
https://www.legifrance.gouv.frDer Besitzer eines Tieres, oder derjenige, der es nutzt, ist, während der Nutzung, verantwortlich für den Schaden, welcher von dem Tier verursacht wird, sowohl während das Tier unter Aufsicht ist, als auch wenn es entlaufen oder verloren ist.
Die Vorschrift ist relativ berühmt in der französischen Rechtsgeschichte, denn es war das erste Mal, dass das oberste Gericht Schadenshaftung als Gefährdungshaftung interpretiert hat. Das bedeutet, der Besitzer oder Nutzer des Tieres ist haftbar für den Schaden, auch wenn ihn keine Schuld, zum Beispiel Fahrlässigkeit, für das Verhalten des Tieres trifft. Dies hat der Cour de Cassation de Paris, das oberste Gericht Frankreichs, im Jahr 1885 im Fall
Montagnier v. Leydon festgestellt.
Montagnier v. Leydon, Cass, civ., 27 Oct. 1885, 1886 D.P. Jur. I 207, 1886 S.Jur. I 33. F
Der Besitzer oder Nutzer des Tieres haftet für jeglichen durch das Tier hervorgerufenen Schaden, ausser in den wenigen Fällen, in welchen der Schaden durch, wie wir im Deutschen sagen, "höhere Gewalt" (
force majeure) hervorgerufen wurde, die unabwendbar gewesen ist oder durch das Verhalten des Opfers selbst.
Hierbei handelt es sich um eine zivilrechtliche Vorschrift des Schadenersatzrechts, es hat also erst einmal nichts mit strafbarem Verhalten oder Bestrafen zu tun. Das Gesetz will hier dafür sorgen, dass jemand der durch ein Tier eines anderen einen Schaden erleidet, diesen ersetzt bekommt.
Eine sehr ähnliche Vorschrift gibt es im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), wie schon weiter oben zitiert.
So. Das ist das eine. Daher haben natürlich alle Beteiligten hier ein gewisses Interesse zu klären, wessen Hunde und damit welcher Besitzer oder Nutzer für den Tod des Opfers verantwortlich sind.
Ob dies geklärt werden kann ist eine ganz andere Frage, ich bin da skeptisch, und ob dies zu einer Schadenersatzpflicht eines Halters führt ist gar noch eine dritte Frage, da eben das Verhalten des Opfers auch eine Rolle spielen könnte.
Interessant ist hier im französischen Recht, dass es keine Rolle spielt, ob der Besitzer tatsächlich die gegenwärtige Aufsicht über die Hunde besass, als der Schaden passierte oder nicht. Hatte ein von ihm beauftragter Nutzer diese, ist dieser ebenfalls verantwortlich (hier darüber zu diskutieren, wie das Recht solche doppelte Haftung behandelt geht hier zu weit). Besonders gilt dies aber auch, wenn das Tier entlaufen oder sonstwie unter keiner menschlichen Kontrolle steht - nur wenn dieser Umstand duch unverhinderbare höhere Gewalt eingetreten wäre, würde eine Haftung negiert.
Die rechtsphilosophische Idee hinter der Gefährdungshaftung hier ist, dass es sich eben um eine inherente Gefahr handelt, die von einem Tier ausgeht, für welche der Besitzer grundsätzlich geradestehen muss, selbst wenn er selbst nicht schuldhaft handelt. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den man verstehen muss. Es ist vollkommen egal, ob z.B. der Tierhalter nicht aufgepasst hat, eine Tür offen gelassen hat, durch welche das Tier entwischt und dann den Briefträger im Garten beisst oder ob das Tierchen ganz brav an der Leine kilometerweit neben dem Besitzer hertrottet und dann auf einmal aus heiterem Himmel Tante Frieda, die gerade die Strasse überquert beisst. Der Gesetzgeber und das oberste französische Gericht sagen: das Halten eines Tieres beinhaltet grundsätzlich die Gefahr, dass es einen Schaden verursacht, und es wäre unfair, Tante Frieda und den Briefträger auf diesem sitzen zu lassen.
Soviel zum zivilrechtlichen Aspekt des Schadenersatzes.
Dann gibt es noch davon vollkommen separat strafrechtliche Aspekte. Im Strafrecht gibt es hinsichtlich der Tierhaltung in Frankreich keine automatische Schuld, die einer Gefährdungshaftung entsprechen würde. Hier muss also einem Täter, der strafrechtlich für den Tod von Elisa verantwortlich gemacht werden soll, also bestraft werden soll, nachgewiesen werden, schuldhaft gehandelt zu haben.
Wie in Deutschland auch kann der Täter durch Vorsatz aber auch durch Fahrlässigkeit schuldhaft den Tod eines anderen Menschen verursachen. Hinsichtlich der "fahrlässigen Tötung" wird diese in Frankreich im Strafgesetzbuch, dem Code Penal, beschrieben:
Le fait de causer, dans les conditions et selon les distinctions prévues à l'article 121-3, par maladresse, imprudence, inattention, négligence ou manquement à une obligation de sécurité ou de prudence imposée par la loi ou le règlement, la mort d'autrui constitue un homicide involontaire puni de trois ans d'emprisonnement et de 45000 euros d'amende.
En cas de violation manifestement délibérée d'une obligation particulière de sécurité ou de prudence imposée par la loi ou le règlement, les peines encourues sont portées à cinq ans d'emprisonnement et à 75000 euros d'amende.
§ 221-6
https://www.legifrance.gouv.frKurzgefasst übersetzt: Wer durch Unaufmerksamkeit, Unvorsichtigkeit, Rücksichtslosigkeit oder Verstoss gegen eine Sicherheitsvorschrift den Tod eines Menschen verursacht wird ... mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren und Geldstrafe bis zu 75000 Euro bestraft (je nach Umständen).
Hier muss also dem Täter Fahrlässigkeit nachgewiesen werden. Auch hier muss ein Kausalzusammenhang existieren, zwischen Tat des Täters und Tod des Opfers, der nicht unterbrochen werden darf. Das weiter zu diskutieren ist aber hier auch OT. Bleiben wir bei meinen beiden Beispielen von oben: weiss der Hundebesitzer, dass sein Hund extrem aggressiv auf Briefträger reagiert und weiss er, dass dieser meist gegen 10 Uhr in den Garten kommt, und lässt ausgerechnet um 10 Uhr aus Versehen die Tür offen, und der Hund beisst den armen Briefträger tot, könnte sich der Besitzer einer fahrlässigen Tötung schuldig gemacht haben. Im Beispiel von Tante Frieda hingegen wird die Sache schon weitaus schwieriger werden, wenn der Hund immer ein braver Schosshund war und nie auch nur einer Fliege etwas zu Leide getan hatte und der Besitzer ihn brav an der Leine hatte.
So, ich hoffe nun ist zumindest die juristische Seite etwas klarer.