capslock schrieb:Der Preis von Unehrlichkeit ist Einsamkeit. Viele wissen vorher aber nicht, wie sich Einsamkeit anfühlt und sehen sowas nicht kommen, bis es soweit ist. Abgesehen von der ständigen Angst doch noch ertappt zu werden. Das muss grauenvoll sein.
Es ehrt Dich, dass Du auf eine ausgleichende Gerechtigkeit hoffst. Ob es sie gibt, dazu komme ich gleich noch.
Empathie mit dem Täter halte ich nicht nur für legitim, sondern sogar für notwendig, wenn man Ermittler, StA oder Richter ist. Man muss doch so eine Person ergründen, das kann man nicht einfach an den forensischen Psychiater abgeben. Und wenn professionelle Empathie zulässig ist, dann natürlich auch individuelle.
Bei vielen Taten frage ich mich: Was hat den Täter nur geritten? Was ging in seinem Kopf vor? Von welchen Gefühlen war er überwältigt? Ging es ihm um Macht, um Gier, hatte er Angst, hatte er einen Tunnelblick oder hat er alles lange geplant und eiskalt durchgezogen? Und natürlich auch: Wie hat er mit seiner Schuld gelebt? Hatte er überhaupt so etwas gespürt? Konnte er die Tat aus seinem Kopf kriegen?
Ich habe mich über das Thema schon recht breit eingelassen:
Beitrag von Origines (Seite 6.468)Beitrag von Origines (Seite 6.469)Erst vor Kurzem (ich denke, es war ein MDR-Podcast) ging es um einen Täter, der zwei junge Frauen getötet hat. Die eine hat er vergewaltigt, geschlagen und in einem Fluss ertränkt. Die andere hat er in seiner Wohnung stundenlang gequält und vergewaltigt, bevor er sie tötete. Der psychiatrische Gutachter sprach (sinngemäß) von einer "narzisstischen Persönlichkeitsstörung" (wobei die "dissoziale Persönlichkeitsstörung" m.E. besser passen würde). Der Täter war jedenfalls stolz auf seine Taten. Sie gaben ihm Macht und innere Anerkennung. Dass er allein lebte, war für ihn nicht problematisch, sondern unterstrich für ihn sein "Besonderssein". Er war nicht fähig, sich in die Gefühle anderer Menschen hineinzuversetzen, weil er sie selbst nicht empfand. Er hatte keine Angst, war nicht traurig, er war nicht einsam und als er verurteilt wurde, nahm er es ungerührt zur Kenntnis.
Gibt es also eine Form von Gerechtigkeit, ein Leiden des Täters an seiner Tat? Manchmal ja. Je nach Motiv und Typ. Nicht wenige zerbrechen an ihrer Tat und/oder an ihrer Strafe und nehmen sich im Gefängnis das Leben. Zu viele, auch wenn es dann gerne heißt: "Er hat sich selbst gerichtet".
Viele aber, so scheint es mir, haben nicht die Gefühle, die Du
@capslock bei Dir spürst und auf den unentdeckten Täter überträgst. Als müsste er wie Du empfinden. Ich sagte schon mal zu Dir: "Deshalb bist Du kein Mörder". Leider sind wir Menschen nicht alle gleich. Man wird auch nicht zum Mörder geboren. Es gibt immer den Punkt, wo der Täter weiß, dass er Unrecht tut. Und er sich anders entscheiden könnte. Das nennen wir Schuld.
Trotzdem kann keine Strafe der Welt wieder Gerechtigkeit herstellen. Wenn Rebecca tot ist, ist sie tot. Das Unrecht kann zum Teil gesühnt werden, aber den Menschen, der verloren ist, bringt das nicht zurück.