Lento schrieb:Du übersiehst das wesentliche.
Hallo Lento,
ich glaube, jetzt verstehe ich deinen Gedankengang. Ich versuche diesen mit meinen Worten zusammenzufassen, bitte korrigieren: Dein Vorwurf an das Gericht (2010 bzw. 2012) ist, dass man die Frage, ob MG die LK auf den Armen tragen kann (ohne dass die Füße auf dem Boden schleifen), bejaht hat, ohne dafür einen Gutachter einzuholen. Da das Gericht die Frage ohne Gutachter beantwortet hat, siehst du darin einen Rechtsfehler, weil es eine komplexe Frage sei, für die das Gericht nicht die nötige Expertise gehabt habe. Soweit korrekt?
Als juristischer Laie kann ich nicht sagen, ob dein Gedankengang korrekt ist, aber ich finde deinen Einwand berechtigt. Eine Analogie: Im Fall Parkhausmord wurde ja auch die Frage aufgeworfen, ob ein Linkshänder 25 heftige Schläge mit der rechten Hand gegen den Kopf des Opfers führen konnte. Die Kammer hatte damals Gutachter angehört, die zu dem Schluss gekommen sind, dass die möglich sei. Das Gericht hatte diese Frage nicht für sich selbst beantwortet, sondern Gutachter gehört. Und das, obwohl die belastenden Indizien wirklich erdrückend waren. Im Fall MG sind die Indizien weniger eindeutig, sodass man in dieser Frage womöglich gründlicher hätte arbeiten müssen.
Wo die Grenze zwischen "freier richterlicher Beweiswürdigung" und "Rechtsfehler" verläuft, kann ich als Jurist nicht sagen.
Wenn es sich dabei um einen Rechtsfehler gehandelt haben sollte und dieser 2010/2011 im BGH-Urteil ebenfalls gerügt worden wäre, dann denke ich trotzdem, dass es 2012 zur Verteilung gekommen wäre, denn:
- Hätte der Gutachter gesagt, dass MG in der Lage wäre, die LK einfach mit den Armen zu tragen (ohne Schleifen), dann hätte das Gericht 2012 an der entsprechenden Version festhalten können.
- Hätte der Gutachter dies ausgeschlossen, dann glaube ich, dass das Gericht den Streit ins Badezimmer verlagert hätte (mit der Begründung, dass MG sagte sie sei vielleicht "irgendwo im Bad dagegen gerumpelt"). Das hätte man mit "Zur Überzeugung der Kammer..." "begründen" können. Ich glaube hingegen nicht, dass das Gericht allein deswegen vom Schuldspruch abgerückt wäre. Denn offenbar war sich die Kammer sicher, dass die zwei Hämatome + Lage der Leiche nicht alleine durch einen Sturz erklärbar seien. Sobald man davon überzeugt ist, folgt fast zwangsläufig, dass es Schläge auf den Kopf gegeben haben muss und ein Sturz in die Badewanne vorgetäuscht wurde. Das wiederum wäre nur mit einem Streit erklärbar, der dann wohl im Bad hätte stattfinden müssen.
Und weil du mich noch selbst fragst:
Lento schrieb:etzt die Frage an Dich, kannst Du das beurteilen? Welche Expertise hast Du, diese Frage zu beurteilen. Nur ein Massen-Vergleich ist dazu garantiert nicht geeignet, das ist Dir als Physiker sicher klar.
Ich kann diese Frage letztendlich nicht seriös beantworten. Zwar kann ich ein Modell entwerfen mit Hebeln und Drehpunkten und entsprechend die Drehmomente ausgleichen, allerdings habe ich keine Ahnung von Anatomie und speziell von der Statur von MG. Insoweit wäre ohne weitere Daten mein Modell reines Zahlenbingo. Ich kann allenfalls von meiner Körperkraft bzw. der meiner Kollegen vom Sport auf die Körperkraft von anderen schließen wollen, aber auch das ist unseriös, weil MG zum Tatzeitpunkt erheblich älter war als ich es jetzt bin. Grundsätzlich finde ich die Annahme, dass ein 81 kg schwerer Mann, der einer eher körperlichen Arbeit nachgeht, eine 75 kg schwere Frau auf den Armen tragen kann, plausibel. Aber sauber analysieren, ob MG das wirklich konnte, kann ich nicht. Touché.
Danke nochmal für deine Erläuterung!
(Es wäre interessant, wenn ein Jurist etwas zu Rechtsfehlern vs. freier richterliche Beweiswürdigung sagen könnte.)