Rick_Blaine schrieb:Na, das wäre ja schön, nur braucht man weder Jurist noch Polizist oder sonstwer Besonderes sein, um zu wissen, dass die Realität leider doch etwas anders aussieht. Sonst könnten wir uns den ganzen Justizapparat sparen, und einfach zufrieden sein, dass wenn die Polizei jemanden verhaftet, das wohl auch der Täter sein wird.
Zwischen bloßer Zeugenvernehmung, Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, Haftbefehl mit Untersuchungshaft bestehen ja wohl gravierende Unterschiede. Ich wende mich gegen die wohlfeile Behauptung, dass „jeder“ hierzulande ganz plötzlich per Haftbefehl in der Untersuchungshaftanstalt landen und „jeder“ hier vom Zeugen zum Beschuldigten mutieren könne. Dieser Appell an irgendwelche tief verborgenen Urängste wird medial gerne geschürt. Ich erinnere mich an eine unsägliche ZDF-Doku zum Fall Toth. Der Aufmacher waren düstere Musik, ein sich quietschend öffnendes Gefängnistor mit Blick in einen dunklen Gang und eine raunende Stimme aus dem Off, wie schnell man in solchen finsteren Verliesen landen könne.
Du weißt doch besser als jeder andere hier, dass die meisten Ermittlungsverfahren bereits von der Polizei oder der StA eingestellt werden und dass nur die wenigsten Fälle überhaupt zur Anklage kommen. Und welche strengen Voraussetzungen es für einen Haftbefehl und die Anordnung von U-Haft gibt, weißt du auch sehr gut, ebenso, dass die allermeisten Zeugen solche sind und bleiben.
Palio schrieb:Es gibt nun neue Hiebe und Stiche und die schauen wir uns an. Dabei kann allerdings keine juristische Fiktion die Gehirne der Diskussionsteilnehmer resetten, so dass die Indizien, die Urteilsinhalte und das Vorbringen der Verteidigung inhaltlich diskutiert werden dürfen.
Das wird auch die neue Strafkammer tun. Die kann und darf natürlich nicht alles ausblenden, was in der bisherigen Hauptverhandlung passiert ist. Sagt zB ein Zeuge in der erneuten Hauptverhandlung anders aus als vorher, muss sie das prüfen, Vorhalte machen usw. Und natürlich wird sie sich nicht nur mit den neuen, sondern auch mit den alten Gutachten befassen müssen. Dass da ein kompletter Reset wäre und man so tut, als wäre bisher nichts an irgendwelchen Verhandlungsergebnissen gewesen, wäre eine falsche Vorstellung.