Cassandra71 schrieb:Wenn jemand bei der Polizei was anderes aussagt, als vor Gericht, wird da natürlich nachgehakt...oft ist es aber auch so, dass wir nur die polizeiliche Aussage haben, weil die Angeklagten in der HV von ihrem Schweigerecht Gebrauch machen bzw. ihren Verteidiger für sich sprechen lassen.
Es geht nicht nur um die unterschiedlichen Aussagen. Es geht darum wie kommt es allgemein zu unterschiedliche oder gar falschen Aussagen?
Nehmen wir mal den Fall, an dass 3 Zeugen etwas beobachten. 2 Zeugen stimmen in ihren Aussagen halbwegs überein, der dritte ist so weit entfernt, dass es mit den bekannten Fakten nicht zusammen passt.
Bei Zeugen sagt man dann einfach, er ist unglaubwürdig. Hat er bewusst gelogen? Nein, in den meisten Fällen nicht, er hat sich aus seinen Erinnerungs-/Beobachtungsfetzen etwas (unbewusst) zusammengereimt.
Für den Zeugen wird so etwas nie als belastend angesehen, aber wie ist es bei einem Angeklagten? Im ersten Moment würde jeder sagen, au ganz verdächtig, aber beim Zeugen hat man das gar nicht als verdächtig angenommen. In Wirklichkeit können dort ebenfalls die gleichen Erinnerungsproblem hinter stecken und das Gehirn versucht durch Kombination diese Lücke zu schleißen.
Das ist eben das Problem vor Gericht, ein Angeklagter wird in Wirklichkeit schon immer etwas vorverurteilt, eben nur, weil er Angeklagter ist.
Jetzt wieder zu Anruf, selbst wenn G das noch wirklich richtig in Erinnerung hatte (was ich bezweifle), dann arbeitet ein Gehirn nie ganz so, wie man es erwartet. Es gib Sprichworte, die genau diese menschliche Eigenschaft charakterisieren: „Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht“.
Nein, die Erklärung für den Anruf ist alles andere als ein klares Indiz der Täterschaft, wahrscheinlich eher der Hinweis auf die Ungeeignetheit des Gehirns im Allgemeinen für solche Erinnerungen oder Handlungen, die in Wirklichkeit keine echte Bedeutung haben.
Cassandra71 schrieb:Hier muss ich mich korrigieren, das hatte ich falsch in Erinnerung.
Wobei wir wieder mal bei falschen Erinnerungen sind. Au, sehr verdächtig, Du siehst hier, selbst bei solch für einen Fall wichtigen Dingen, versagt manchmal das Erinnerungsvermögen. Wärst Du Angeklagte, wie würde das gedeutet werden?
Soviel in Sachen Gehirn.
Palio schrieb:Es ist das Gesamtbild, auf das es ankommt. Alles lief anders an diesem Tag. Keine Kontaktaufnahme zwischen den beiden mehr, keine Erinnerung an die Nummer des Pflegedienstes, erstmaliges Schlüsselsteckenlassen, überflüssiger Bindenkauf, nie dagewesene offene Geldkassette usw..
Eigentlich muss ich Dir darauf nicht antworten, weil Du angekündigt hast, dass Du Dich nach einem Freispruch aus der Diskussion schleichen willst, wenn die obigen „harten“ Indizien endlich vernünftig gewürdigt wurden, wofür die Gerichte damals blind waren. Das bedeutet, dass Du dazu nicht stehen willst, was Du heute behauptest. Gut, das bleibt Dir überlassen.
Aber hier wurde der Tagesablauf eines Menschen mikroskopisch untersucht. Würde ich meinen Tagesablauf untersuchen, würde ich sicher ähnliche Ungereimtheiten finden. Zu denen gibt es andere Deutungen von mir, das werde ich nicht mehr wiederholen.
Und woher willst Du wissen, dass das mit der Geldkassette nie vorgekommen sein soll, gib mir einen Zeugen an, der das für den wahrscheinlichen Zeitpunkt des Todes bezeugen kann? Hat sie, wenn sie kurz eine Zwischentätigkeit ausführt (Wasser in die Wanne laufen lassen) immer die Geldkassete weggestellt hat?
Und der Einkauf, der hat genau die Handschrift einer Frau, die gerade erschöpft aus dem Krankenhaus entlassen wird und kurz vor dem hinlegen ist. Sie hat nicht unbedingt die Lust nachzusehen, welche Dinge wirklich nachzukaufen sind. Sie will sich ausruhen und nennt die Dinge, die ihr wichtig sind. Dass dann ausgerechnet die Binden zu viel sind, passt genau zu diesem Bild. Auf alles kann man verzichten, jedoch kaum auf diese, daher ist es gerade von Anfang an wahrscheinlich gewesen, dass genau diese zu viel eingekauft werden. Sie ist gerade aus dem Krankenhaus gekommen, da hatte sie kaum Erinnerung an den aktuellen Stand, aber dann kauft man einmal lieber mehr die Binden ein als einmal zu wenig.
Da man so etwas überhaupt in das Urteil schreiben muss, zeigt, wie wenig es wirklich harte es belastende Indizien gibt. Da wurde gemeint „Masse statt Klasse“. Im Vergleicht man dazu den Umgang mit den obigen „harten“ entlastenden Indizien, welche aus meiner Sicht in Wirklichkeit so nicht behandelt werden durften (teilweise sogar ignoriert wurden). Heute sieht man doch, dass hier grobe Fehler gemacht wurden und sich das Gericht voll auf die Gutachter verlassen hat, die mit der Sache jedoch überfordert waren (das kann ich selber beurteilen, da ich ausreichend physikalische Vorstellungskraft besitze, aber auch erst mit Hilfe der Simulation).