Badewannenunfall von Rottach-Egern
11.09.2019 um 12:35Sector7 schrieb:Also du kennst auch keinen Fall, wo nicht mind. 1 tatnahes Indiz ermittelt wurde.Ist ein "tatnahes Indiz" das Gleiche wie ein "auf das Kerngeschehen der Tat bezogenes Beweismittel"? Wenn ja, dann der Fall:
(BGH Urteil vom 30.14.12, 2 StR 439/13)
Fehlt ein auf das Kerngeschehen der Tat bezogenes Beweismittel, so kann die Überführung eines Angeklagten dadurch erfolgen, dass alle konkret in Frage kommenden Alternativen ausgeschlossen werden. Dies hat das Landgericht beachtet.Dann hatte ich auch schon mal diese Fälle zum Ausschlussverfahren gepostet, vermutlich gibt es da auch keine "tatnahen Indizien", sonst müsste man ja nicht das Ausschlussverfahren anwenden:
Als Hinweise auf die Täterschaft des Angeklagten S. K. hat es insbesondere gewürdigt,
dass er ein Tatmotiv hatte,
dass er in zeitlicher Nähe zum Verschwinden seiner Ehefrau Vollmachten für die Mitangeklagten ausgestellt hat, damit sie ihn im Fall einer Verhinderung bei der Versorgung des Kindes vertreten und den Wohnsitz des Kindes auf ihre Wohnung ummelden könnten,
dass er zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt vor dem 18. April 2007 das Schloss an der Tür der Wohnung ausgewechselt hatte, obwohl ein technischer Grund dafür nicht vorlag,
dass er die letzte Person war, die nachweislich Kontakt mit der Verschollenen hatte,
dass er den Sohn am 18. April 2007 zu sich nahm, obwohl dies nicht der übliche Tag für die Ausübung seines Umgangsrechts war,
dass er am frühen Morgen des 19. April 2007 Anrufe auf dem Telefon von L. K. tätigte, obwohl sie dann nach Annahme des Schwurgerichts bereits tot war,
dass am 19. April 2007 vor Arbeitsbeginn ausweislich der Funkzellenkontakte seines Mobiltelefons seine Wohnung verließ und kurz darauf dorthin zurückkehrte,
dass er im Laufe der polizeilichen Ermittlungen und gegenüber Dritten vielfach widersprüchliche Angaben zur Abwesenheit seiner Ehefrau machte,
dass die Ummeldung des Sohnes beim Einwohnermeldeamt auf seinen Wohnsitz bereits am 23. April 2007 erfolgte, als noch kein Hinweis auf eine Verschollenheit der Kindesmutter vorlag und
dass die polizeilich versiegelte Wohnung seiner Ehefrau in der Zeit vom 22. April bis 28. April 2007 ohne Beschädigung des von ihm ausgewechselten Türschlosses aufgesucht wurde.
Seps13 schrieb am 19.08.2019:In dem Zusammenhang ein Hinweis auf andere Urteile zum Ausschlussverfahren. In einem Fall von Mord ohne Leiche ist das LG Trier im Rahmen seiner Beweiswürdigung im Ausschlussverfahren davon ausgegangen, dass der verschollene K. ermordet wurde. Dies wurde rechtsfehlerfrei anhand der Gesamtumstände des plötzlichen Verschwindens mit Hilfe von Indizien festgestellt. Der Annahme eines Tötungsverbrechens steht die Tatsache, dass der Ablauf beim eigentlichen Tatgeschehen unbekannt geblieben ist, nicht entgegen. (BGH 2 StR 395/11)
In einem anderen Fall von schwerem sexuellem Missbrauch hat das LG Gera den Lebensgefährten der Mutter des missbrauchten Kindes verurteilt, obwohl keine Beweise für die Tat und den Täter vorliegen. Das Landgericht hat aufgrund des medizinischen Befundes darauf geschlossen, dass nur eine Penetration als Ursache für den Dammriss in Betracht kommt. Für einen Sturz des Kindes auf einen Gegenstand mit gespreizten Beinen als Alternative hat es keinen konkreten Hinweis gesehen. (2 KLs - 460 Js 14653/13) Vom BGH ist dieses methodische Vorgehen des Ausschlussverfahrens bestätigt worden.