Sector7 schrieb:Ich halte den Verurteilten nicht zwingend für unschuldig und die 3 Hauptpunkte des Auszugs des WAA (Zeugin, Todeszeitpunkt, Simulation) sind als neue Tatsachen / Beweismittel nur mäßig überzeugend. Dennoch tendiere ich in dem Fall zu einem möglichen Fehlurteil, weil ein aus meiner Sicht nicht ausreichend zweifelsfrei ausschließbarer Unfall als alles bestimmende Kardinal-Feststellung ein Beweisfehler wäre.
Die kausale Ursache der Verdeckungstat "Badewannenmord" - erst Mordversuch wegen entdeckter Unterschlagung, dann vorsätzliche Körperverletzung wegen Streit - konnte nicht ansatzweise bewiesen werden, auch nicht durch Ausschlussverfahren. Daher kann das Gericht in dem Punkt auch zu keiner Überzeugung gelangt sein. (seltsam ist, dass der Kontostand auf den beiden Bankkonten von LK nach dem Tod ihres Mannes 2007 bis Oktober 2008 - trotz 2000 EUR Rente - von 55k EUR auf fast null gesunken ist und der Verbleib des Geldes ungeklärt blieb)
Ein WAV wäre zu begrüßen, auch wenn es an neuen Tatsachen und Beweismitteln eher mangelt. Ein Unfallgeschehen, zumindest ein mehrstufiges (zB Wasser einlassen -> Stürzen am WC mit Kopfverletzung -> Stürzen in die Badewanne wegen Bewusstseinstrübung beim Abstellversuch), kann ich jedenfalls nicht ausschließen bzw. als völlig lebensfremd bewerten. Und ich vermute, das kann niemand.
Danke für eine sachliche und vernünftige Darstellung der Dinge in all der Polemik, die leider hier wieder massiv zuschlägt. Ich schliesse mich diesen Ausführungen an.
Der grösste Mangel dieses Urteils ist, dass das Gericht überhaupt keine Gründe für den angeblichen Streit mit erheblicher Körperverletzung nennen kann. Keine Indizien, die auch nur irgendwie auf einen Anlass des Streits hinweisen. Es wird fabuliert, dass das Opfer wegen der Besuchsabsicht des Verurteilten bei seiner Mutter verärgert gewesen sein soll - was laut Zeugenaussagen zum allgemeinen Charakter des Opfers zwar vorstellbar ist, aber: ebenfalls laut Zeugenaussagen ist der Verurteilte eben bisher gerade nicht dadurch aufgefallen, Widerstand zu leisten. Im Gegenteil, anscheinend hat er immer brav geschluckt, wie man ihn behandelt hat. Ausgerechnet nun aber soll er gleich dermassen heftig reagiert haben, dass sich ihm daraufhin nur ein Verdeckungsmord als Ausweg präsentierte.
Das ist dünn. Extrem dünn. Das Gericht braucht freilich diese Herleitung, um irgendwie einen Sinn in den Indizien zu sehen. Es hat die Kopfverletzungen, die es anscheinend nicht anders verorten kann (die auch noch ausgerechnet am Hinterkopf sind, also auch nicht gerade an einer Stelle, an der Verletzungen während einer angeregten Konfrontation zu erwarten sind). Es gibt sonst keinerlei Indizien für den Streit: man stellt sogar fest, dass die Wohnung mehr oder weniger unverändert seit dem Einlieferungstag ins Krankenhaus gewesen ist. Keine Spuren einer Auseinandersetzung, nichts. Freilich auch keine Tatwaffe.
So haben wir einen "Streit," der untypisch für den Verurteilten ist, der von keinen Zeugen wahrgenommen wurde, der keine Spuren in der Wohnung hinterliess, der zwei eher untypische Verletzungen an einer eher untypischen Körperstelle hevorgerufen haben soll.
Und dieser "Streit" ist aber unabdingbar, weil das Gericht im Prinzip klar zugibt, dass es sonst auch keine Erklärung dafür hätte, dass der Verurteilte die alte Dame ertränkt habe.
Im Bad haben wir dann eine Spurenlage, die mehr als zweifelhaft ist. Der Verurteilte soll sein Opfer also in die Badewanne gelegt haben und mehrere Minuten lang den Kopf unter Wasser gedrückt haben. Wieder keinerlei Spuren irgendwelcher Gegenwehr, ja, selbst der Badewannenrand soll ganz trocken gewesen sein, genauso wie der Fussboden. Hat nicht einmal der Verurteilte getropft, nachdem er sein Opfer untertauchte? - Ich weiss wohl, dass Spuren getrocknet sein können, dennoch ist das zu beachten.
Weltfremd ist es anzunehmen, dass all die Personen, die sich dann im Badezimmer tummelten, nicht nur das Opfer mehr oder weniger gar nicht berührt haben, sondern genau erinnern, wie das Opfer in der Wanne gelegen hat. Ein Rettungsassistent, der nicht einmal versucht wenigstens ein Vitalzeichen zu prüfen? Pflegerinnen, die nichts anrühren, als ob sie wüssten, dass dieses Verhalten einmal Thema in einem aufsehenerregenden Kriminalfall würde?
Der einzige, dessen Aussageverhalten normal erscheint, dem wird nicht geglaubt: der Notarzt, der m.E. ehrlich sagt, dass er es eben nicht mehr genau weiss, wie die alte Dame in der Wanne lag. Denn er hatte wichtigeres zu tun: zu schauen, nein, anzufassen, ob da noch etwas zu retten ist. Und das tat er. Und er kann, - wie auch kein anderer Zeuge - nicht bestätigen, dass er nach dem Anfassen und Anheben der Dame, deren Körper wieder in exakt die Position brachte, in der er ihn vorgefunden hatte.
Er hatte ebensowenig Grund anzunehmen, dass diese Frage einmal die Kardinalfrage in einem Strafprozess würde. Der einzige, der hier ehrlich sagt, dass es nicht mehr nachvollziehbar ist, wie die Dame genau in der Wanne gelegen hat, noch dazu ein professioneller und nicht persönlich involvierter Zeuge - dem wird nicht geglaubt.
Viel mehr wird geglaubt, dass all die Leute im Bad, ausser dem Notarzt, den Körper nicht angerührt und auch sonst nichts verändert haben, von der Lage der Schuhe, dem Gehstock usw. bis zur Lage des Körpers. Ich empfinde gerade das als extrem weltfremd.
Das Gericht aber kann nur so ausschliessen, dass es sich um einen Unfall handelte. Denn wenn es nicht wüsste, wie die Lage der Dame in der Wanne bei Auffinden wirklich war, kann es ein Sturzgeschehen nicht ausschliessen.
Es bedient sich zwar einiger Hilfskonstruktionen, aber auch die scheinen mir merkwürdig "gewürdigt." Es gibt zahlreiche dokumentierte Stürze dieser Dame, noch im gleichen Jahr, es gibt eine generelle Lebenserfahrung, dass 87-jährige Damen ab und zu stürzen, es ist kein gewöhnlicher Alltag, dieser "Tattag," sondern ein sicherlich anstrengender Tag der Krankenhausentlassung usw. - und doch schliesst das Gericht einen Sturz u.a. deshalb aus, weil es eben in letzter Zeit keine Stürze gegeben habe.
Kann ich bei einem Patienten einen Herzanfall ausschliessen, nur weil er noch keinen in diesem Jahr hatte? Diese Logik erscheint mir doch weit von der medizinischen Realität entfernt (das ist nur ein generelles Beispiel und nicht auf L.K. bezogen).
So, alles in allem: eine im Prinzip nicht vorhandene Beweislage hinsichtlich des auslösenden Moments für das Tatgeschehen, ein ebensowenig bewiesenes Motiv, ein Tatort, dessen Veränderung nicht nur wahrscheinlich, aber auf jeden Fall nicht mehr nachvollziehbar ist, und der kategorische Ausschluss eines Unfallgeschehens gerade wegen der Annahme, dass der Tatort nicht verändert wurde.
All das soll aufgewogen werden mit einer Bemerkung wegen "dagegenrumpelns" und einem Edeka-Kaufbillet, das unaufgefordert vorgezeigt wurde?
Mich überzeugt das jedenfalls ganz und gar nicht. Und auch wenn einige jetzt sicherlich gleich wieder rufen werden, das ist Majestätsbeleidigung und Grundgesetzmissachtung und was weiss ich nicht noch, ich schliesse mich
@Sector7 an und denke, hier ist ein Wiederaufnahmeverfahren angebracht.