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Was passiert mit Menschen, die "verschwinden" üblicherweise?

50 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Verschwunden ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Was passiert mit Menschen, die "verschwinden" üblicherweise?

28.12.2015 um 12:49
Wir haben selbst so einen jahrzehntelangen Vermisstenfall im Bekanntenkreis meiner Eltern ... es ist schrecklich, was für Auswirkungen das hat. Da sind alle so "reingerutscht". Hat bei uns im Dorf riesige Wellen geschlagen.

Der Fall: Familie - katholisch, konservativ, vier Kinder (davon eines behindert). Mutter: Hausfrau (war in den 1970ern, also "normal") - Vater: Handwerker. Absolut intakte, familienorientierte Familie. Handwerksbetrieb geht pleite, Vater macht sich selbstständig, erst in seinem Handwerk, dann nimmt er immer mehr andere Jobs an. Er arbeitet sehr gut und ist beliebt als "Mädchen für alles" - je nach Witterung und Jahreszeit verdient er gut - "komme gerade über die Runden".

Er wird öfter von einer Firma als Aushilfe eingestellt und bestreitet so am Ende ca. 80% seines Lebensunterhalts. Frau ist dankbar, da das Einkommen kalkulierbarer ist. Firma kommt in Zahlungsschwierigkeiten, er glaubt einfach den Versprechen, dass das Geld kommt - braucht alle Rücklagen auf. Dann Schock: Insolvenz und das Geld sieht er nicht mehr wieder. Ist zu stolz für Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe.

Über Bekannte bekommt er für sechs Monate einen Job im Ausland - ackert wie ein Pferd, kommt zurück, kann Schulden begleichen, bekommt seine 1 Mann Firma aber nicht mehr zu laufen. Da bekommt er das Angebot von seinem Bruder (der auch im Ausland lebt) dort zu arbeiten. Er sagt zu. Frau fährt ihn an eine Autobahnraststätte, wo er abgeholt wird ... von Leuten, die nicht gerade vertrauenswürdig aussehen, die sollen ihn ein Stück mitnehmen, den Rest will er mit dem Zug fahren und eine Nacht irgendwo auf einem Bahnhofsgelände heimlich übernachten, um Geld zu sparen.

Und verschwindet. Mitfahrgelegenheit gibt an, ihn wie besprochen abgesetzt zu haben, niemand weiß, ob er den Zug genommen hat oder nicht. Bruder sagt, dass er nichts gehört habe.

Wird bei der Polizei vemisst gemeldet, Ermittlungen verlaufen im Sande ... Man weiß ja nicht, wo man ermitteln soll. Er wird für Tod erklärt (nach fünf Jahren). Familie ist ein Sozialfall. Frau und alle Bekannte waren überzeugt, dass er einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist (Raubüberfall, etc.). Frau zieht wieder zu ihren Eltern, bewirtschaftet einen riesigen Garten zum kostensparen und schindet sich wirklich, um über die Runden zu kommen. Kinder verzichten aufs Studium bzw. aufs Abitur, weil die finanzielle Lage so angespannt ist. Mutter arbeitet, wenn saisonal möglich, in der Gastronomie (unter ziemlich schlimmen Bedingungen).

Weil er der "ideale Vater und Ehemann" war, geht man davon aus, dass er entweder verunfallt ist oder ermordet wurde. Söhne starten eine private Suchaktion, fahren die Strecke mehrmals mit dem Zug ab, plakatieren ... alles verläuft sich im Sande. Jedesmal, wenn eine Leiche gefunden wird, hofft man, er könnte es sein und man könnte Gewissheit haben.

25 (!) Jahre später taucht er wieder auf bzw. tauchen Behörden seines neuen Heimatlandes ihn wieder auf - er ist gesundheitlich so beeinträchtigt, dass er im Pflegeheim lebt und die wollen Geld von Frau und/ oder Kindern. Was war passiert?

Er fühlte sich von den finanziellen Verpflichtungen völlig erdrückt, hatte Angst, im Heimatdorf als "Versager" zu gelten, weil er seine Familie nicht mehr ernähren konnte und wählte für sich den Weg "in die Freiheit". Lebte bei seinem Arbeitsgeber, dort arbeitete er (da nicht angemeldet) für einen Hungerlohn, der ihm aber ein besseres Leben ermöglichte, als wenn er regulär gearbeitet hätte und für Frau und Kinder bezahlt hätte. Am Ende lauter Opfer - Frau fährt nicht zu einer Aussprache hin, die er sich wünscht. Kinder sind völlig entsetzt, dass der Vater, den sie so idealisiert haben, sie in Wirklichkeit hat einfach hängen lassen und er fühlt sich auch entsetzlich ... :(


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28.12.2015 um 18:56
Wir hatten hier ein sehr ähnliches Thema schon einmal. Nun zu finden unter der Rubrik "Menschen", Thread-Titel "Viele Jahre vermisst, plötzlich wieder aufgetaucht.". Ich weiß leider nicht, wie ich das hier verlinken kann.
Aber dort finden sich auch sehr interessante Gedanken einiger Diskussionsteilnehmer! Fazit: Gar nichts ist unmöglich.


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29.12.2015 um 20:23
Kann man "untergetaucht" zu jemanden sagen, der illegal in einem Land lebt? Ich habe nämlich mal einen Blog gelesen mit jemanden, der in LA lebt. Der ist in die USA gereist und nach den 3 Monaten ist er nicht mehr zurück. Arbeitet auf irgendwelchen Plantagen, hat aber SEIN eigenes Haus, Auto, kann einkaufen. Und die Polizei würde sich sowieso nicht um illegale Einwanderer kümmern (wenn sie jeden Mexikaner verhaften würden, dann würde ein ganzer Wirtschaftszweig zusammenbrechen). Die wollen halt Geld und das wars. Er kann aber auch nicht mehr so einfach verreisen, sonst dürfte er nie mehr zurück in die USA, wenn das rauskommen würde. Kann man das untertauchen nennen?


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29.12.2015 um 20:24
@DaHe, prinzipiell finde ich das schon. Das kann ja über Jahrzehnte gut gehen.


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31.12.2015 um 07:02
Gestern habe ich die Sendung "Vermisst" in RBB angeschaut. Dort ging es um einen Deutschrussen, der mit seinen Großeltern und seinem Vater in Berlin lebte. Das Alter kann ich jetzt gar nicht mehr sagen. Es handelte sich auf jeden Fall um einen erwachsenen, jungen Mann, der von seinen Großeltern aufgezogen worden war, weil seine Mutter die Familie verlassen hatte. Eines Tages verließ er - obwohl seine Oma zu diesem Zeitpunkt krank war - einfach die Wohnung in Berlin. Die Familie hörte nichts mehr von ihm. Eine Kommissarin nahm jedoch die Suche nach Jahren nochmals auf und fand heraus, dass ein Mann mit gleichem Namen in England leben würde. Sie durfte dort jedoch nicht ermitteln und die englische Polizei verweigerte jegliche Hilfe, weil gegen den Mann nichts vorlag. Wieder Jahre später hatte der Mann jedoch wegen einem kleineren Delikt mit der Polizei zu tun, weswegen die Kommissarin auch benachrichtigt wurde. Die Adresse durfte die englische Polizei nicht herausrücken, aber die Familie schrieb dann einen Brief an den Enkel/Sohn. Der Brief konnte jedoch nie ausgehändigt werden, weil der Mann nach seiner kleinen Straftat sofort unbekannt verzogen war und bis heute auch nicht mehr ausfindig gemacht werden konnte. Eine Expertin von der Berliner Charitèe sprach über Menschen, die freiwillig ihre Familie verlassen. Sie würden dies nie von heute auf morgen machen, wie es oft aussehen würde. So ein Untertauchen sei meist von langem geplant. Die Menschen hätten unterschiedliche Gründe. Oft spielen Depressionen eine große Rolle, aber auch einfach weil diese Menschen ihr altes Leben so satt haben und unbedingt komplett neu anfangen wollen. Die Angehörigen würden dabei nicht mal mitbekommen, dass der Vermisste mit seinem alten Leben unzufrieden sei. Es habe eigentlich auch keinen Sinn mit diesen Personen wieder Kontakt aufzunehmen. Diese Menschen sehen es so, dass sie ihren Seelenfrieden nur haben, wenn sie mit dem alten Leben komplett abgeschlossen haben.


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31.12.2015 um 07:10
https://www.rbb-online.de/taeteropferpolizei/

Hier noch der Link dazu.


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31.12.2015 um 09:58
Also ehrlich gesagt empfinde ich es als absolut unverschämt, wie manche " Vermisste" mit ihren Angehörigen umgehen. Erst vor kurzem wurde ein seit Monaten vermisster Familienvater durch einen Detektiv ausfindig gemacht, der seine Frau mit den Kindern nicht nur im Ungewissen zurückließ , sondern auch mit einem Berg Schulden.Durch den Kontakt mit so einigen Angehörigen weiß ich, welche Ängste sie ausstehen, aber auch, daß durch die Abwesenheit des Familienmitglieds sehr viele Probleme auf sie zukommen. Peter Jamin kritisiert schon lange, daß es für Angehörige keine Anlaufsstelle gibt, die ihnen beratend zur Seite steht.
Natürlich sollte jeder sein Leben leben wo und wie es ihm gefällt, aber auch derjenige, der einfach nur " da weg will" , sollte doch in der Lage sein, durch eine kleine Nachricht seine Familie zu informieren.
Übrigens gibt es von Herrn Jamin auch ein Buch " Vermisst und manchmal Mord " , das sehr zu empfehlen ist.


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Was passiert mit Menschen, die "verschwinden" üblicherweise?

31.12.2015 um 13:00
Zitat von seliseli schrieb:Natürlich sollte jeder sein Leben leben wo und wie es ihm gefällt, aber auch derjenige, der einfach nur " da weg will" , sollte doch in der Lage sein, durch eine kleine Nachricht seine Familie zu informieren.
Würde man meinen, aber trotzdem gibt es Menschen, die anscheinend nicht mehr in der Lage sind, auf ihre Familie Rücksicht zu nehmen. Traurig.
Zitat von seliseli schrieb:Übrigens gibt es von Herrn Jamin auch ein Buch " Vermisst und manchmal Mord " , das sehr zu empfehlen ist.
Das hört sich interessant an, muss ich mir besorgen.


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31.12.2015 um 13:43
Manchmal geht es auch gut aus :)

http://www.nordbayern.de/region/erlangen/suchhunde-fanden-vermisste-frau-in-erlangen-1.4885752

Auszug aus dem Artikel

Happy End: 43-Jährige verschwunden, um Mitternacht aber wiedergefunden - 30.12.2015 11:40 Uhr

ERLANGEN - Nach der Arbeit war eine 43 Jahre alte Frau nicht wie üblich nach Hause gekommen. Ihr Lebensgefährte meldete sie bei der Polizei als vermisst. Er befürchtete das Schlimmste. Doch diese Erlangerin hatte Glück.

Die Suchhunde fanden die Vermisste dann auch tatsächlich kurz vor Mitternacht. Sie lag im Wiesengrund, zwischen Wöhrmühle und Alterlangen, neben einem Radweg im Gebüsch. Dort war sie für Passanten nicht zu sehen. Vermutlich stürzte sie aufgrund einer Vorerkrankung vom Fahrrad und verlor zeitweise das Bewusstsein.



Noch ein anderer aktueller Fall, womöglich auch ein Vermisster

http://www.nordbayern.de/region/unterfranken-jager-entdeckt-leichnam-im-wald-1.4887677

Unterfranken: Jäger entdeckt Leichnam im Wald
Identität noch ungeklärt - Polizei sucht Hinweise - 30.12.2015 14:04 Uhr

BIEBELRIED - Ein Jäger hat am Dienstagnachmittag in dem Waldgebiet südlich des Mainfrankenparks in der Nähe von Würzburg die Leiche eines bislang unbekannten Mannes gefunden. Die Kripo Würzburg hofft auf Hinweise aus der Bevölkerung.



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19.11.2018 um 21:52
@Carietta
Der Mann konnte nun identifziert werden
https://www.polizei.bayern.de/news/presse/aktuell/index.html/288553
Nachdem sich über Jahre keine neuen Erkenntnisse zu dem Toten ergeben hatten, meldete sich am 30. Oktober 2018 ein 22-jähriger, moldauischer Staatsangehöriger bei der Kripo Würzburg. Er gab an, dass es sich bei dem Verstorbenen um seinen Vater handelt könnte, den er seit Ende 2015 vermisst. Offenbar war der Sohn im Internet auf einen Bericht über den unbekannten Leichnam gestoßen.



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