@Auweiameinste die Mittelalter-These von Illig?
Einwände von Historikern zu Heribert Illigs These:Illig bekannteste These handelt von einem angeblich erfundenen Mittelalter. Er stellt die kontroverse These auf, dass 297 Jahre der Geschichtsschreibung im Zeitraum September 614 bis August 911 in Wirklichkeit nicht existierten.
Illig zitiert falsch oder ungenau: Illig schreibt z.B. über den englischen Kirchenhistoriker Beda Venerabilis er habe in seinen Schriften die Null verwendet. Weil diese Zahl erst ab 1100 in der Mathematik Europas verwendet wird, könne Beda erst entsprechend später gelebt haben. Tatsächlich schreibt Beda an der Stelle auf die sich Illig bezieht: "nulla interstante mora". Das lat. Wort nulla heißt aber kein und nicht null. (im obigen Zitat also: kein Verzug steht dazwischen; kein Zeitverlust).
Quellen des Frühmittelalters wie die Reichsannalen oder die Karls-Biographie von Einhard wurden von Illig mit den falschen Maßstäben – nämlich mit den heutigen – bewertet. So handelt es sich bspw. bei der Karls-Biographie nicht um eine Lebensbeschreibung für spätere Generationen, sondern um eine anekdotenhafte Kommentierung von Karls Leben für seine Zeitgenossen.
Neben den verhältnismäßig wenigen Urkunden auf die Illig eingeht, gibt es noch tausende andere Zeugnisse aus der Zeit zwischen 614 und 911. Darunter sind auch Handschriften und Urkunden, die inhaltlich stark verflochten sind und außerdem regionale und lokale Gegebenheiten widerspiegeln. Fälschungen hätten also an hunderten und z.T. weit voneinander entfernten Orten abspielen müssen.
Es gibt tatsächlich weniger Funde aus der Karolinger als aus der Merowingerzeit. Grund: um 700 breitete sich das Christentum in Mitteleuropa aus, die heidnische Sitte Gräber mit Beigaben auszustatten, wurde so immer mehr verdrängt, was eine Datierung der Gräber erschwere. Nicht desto trotz gab es bspw. in Ingelheim Münzfunde die eindeutig aus der Karolingerzeit stammen. Zudem gibt es Pfalzen, Klöster und Kirchen in ganz Europa die ebenfalls eindeutig auf die Karolingerzeit rückdatierbar sind. Auch der „Wunderbau“ (nach Illig) die Aachener Pfalzkapelle muss nicht unbedingt ein solcher sein. Nach Illig sind viele ihrer Merkmale so fortschrittlich, dass der Bau frühestens um 1050 entstanden sein kann. Das herausstechendste Merkmal ist dabei für Illig die 30 Meter hohe Kuppel, die immerhin 15 Meter überspannt. Das nächste Mal wird so ein Meisterwerk nördlich der Alpen erst mit dem Bau des Doms zu Speyer wieder errichtet werden (im 11. Jhrd). Aber bis heute weiß niemand, ob es sich bei der Kuppel der Kapelle wirklich um massiven Stein handelt (so wie Illig das behauptet), denn bis heute wurde die Kuppel noch nicht auf ihre Baubeschaffenheit untersucht. Es kann durchaus sein, dass die Kuppel nach byzantinischer Art, also hohl gewölbt gebaut wurde.
Auch Illigs Ausgangsthese lässt sich naturwissenschaftlich widerlegen: Papst Gregor XIII. stellte 1582 fest, dass der julianische Kalender nicht mehr mit dem astronomischen Kalender übereinstimmte. Der Frühlingsbeginn war auf den 11. März vorgerutscht. Ursache: Der julianische Kalender sah 365 Tage/Jahr und alle 4 Jahre ein Schaltjahr vor. Das astronomische Jahr dauert aber nicht 365 ¼ Tage sondern ist 11 Minuten kürzer. Dieser Fehler addiert sich alle 128 Jahre auf einen Tag. Für den Ausgleich zwischen astronomischem und kalendarischem Jahr wieder herzustellen, ließ Papst Gregor 10 Tage überspringen. Illig rechnete nach: von der Einführung des julinaischen bis zur Einführung des gregorianischen Kalenders waren 1627 Jahre vergangen. 1627 : 128 ergibt aber 12,7 und nicht 10. Folglich hätte Papst Gregor nach Illig 13 und nicht 10 Tage überspringen müssen, um die Differenz wieder auszugleichen. Doch Papst Gregor ging es bei der Kalenderreform nicht darum, den julianischen Kalender an das astronomische Jahr anzupassen. Schließlich wurde der Frühlingsbeginn erst 325 n. Chr. Von führenden Geistlichen auf dem Konzil von Nicäa auf den 21. März festgelegt (die Römer hatten ihr Frühlingsfest am 25. März) und genau diesen Zeitpunkt wollte Gregor seinem Kalender anpassen. (Für Illig ist die Dokumentation des Konzils in Nicäa zu ungenau)
Illig bleibt mit seiner Theorie außerdem einige Erklärungen schuldig: Wie ist das Langobardenreich untergegangen?
Wie verschwand die byzantinische Macht aus Italien?
Wie kam es zur Ausbreitung der slawischen Völker?
In welcher dunklen Nacht ist der Islam vom Himmel gefallen?
Einwände von NaturwissenschaftlernEines der präzisesten Datierungsverfahren, die Dendro-Chronologie hat die Existenz der Jahre zwischen 614 und 911 eindeutig nachgewiesen. Mit der Dendro-Chronologie werden Holzfunde anhand der Jahresringe datiert. Anhand einer Jahresring-Chronologie, die bis in die Antike zurückreicht lässt sich so das Fälldatum eines Baumes exakt bestimmen. Die im Aachener Karlsthron verwendeten Hölzer stammen demnach auch eindeutig aus der Karolingerzeit. Illig behauptet, dass aus der Zeit zwischen 614 und 911 zu wenig Holzproben vorliegen würden um eine Datierung vor 1000 eindeutig vornehmen zu können, allerdings ist allein die deutsche Eichenchronologie mit drei unabhängigen, aber deckungsgleichen Kurven belegt.
Außerdem sehr lesenswert in der Beziehung: "Die Präzision der Präzession - Illigs mittelalterliche Phantomzeit aus astronomischer Sicht" von Franz Krojer
Alle Menschen sind klug: Die einen vorher - die anderen nachher.
Wir haben die DDR überstanden und werden auch die BRD überstehen.