paxito schrieb:Das Sprache notwendig diskriminierend ist, sieht man an der Nutzung der Sprache, sie wurde immer und zu allen Zeiten genau dafür genutzt.
Im Prinzip ist das richtig, tatsächlich aber ist es aber um einiges diffenzierter. Es gibt nicht eine deutsche Sprache, sondern Dutzende, vielleicht hunderte nebeneinander.
Eine Spache der bürgerlichen Mittelschicht. Das ist die offizielle Hochsprache die im Duden steht. Es gibt aber auch Jugendsprache ( die sich alle 15, 20 Jahre völlig gewandelt hat ), Unter- und Oberschichtensprache, Handwerkersprache, Dialekte, Sprachen von Berufsgruppen (z.B. Ärztesprache, Jägersprache) usw. usw.
Alle haben ein Repertoir von Wörtern die nur in dieser Sprache vorkommen und von Wörtern aus der Hochsprache, die eine andere Bedeutung haben. Das ist aber nicht alles. Neben dem Wortgebrauch gibt es auch deutliche Unterschiede in der Betonung und Aussprache der Wörter und teilweise winzige, kaum merkbare Unterschiede in Körperhaltung und Mimik beim Sprechen.
Das führt zu einer Abgrenzung. Sprache als Erkennungsmerkmal und gleichzeitg als Mittel andere als Nichtgruppenmitglieder zu erkennen und auszuschließen. Wer aus einer Malocherfamilie kommt wird es schwer haben mit einer Karriere im diplomatischen Dienst. Und ein Richter der jugendsprachenmäßig mit "Eh, Alter" angeredet wird wird mit ziemlicher Sicherheit sehr ungnädig reagieren und die Strafe fällt höher aus.
Mein Sohn hat sich die Handwerkersprache und -Manieren seines ersten Bildungsganges zumindest teilweise abgewöhnen müssen seitdem er im sozialen Bereich arbeitet.
Ich wage mal zu behaupten dass es auch eine Männer- und Frauensprache gibt. Auf jeden Fall gibt es auch deutliche Unterschiede aus welcher Ecke der Welt man kommt. Süditaliener unter sich machen ständig den Eindruck als ob da gleich eine Schlägerei ausbricht. Dabei ist alles in bester Ordnung. Es wird nur lauter gesprochen als hierzulande und die Worte werden durch Gestik betont. Die wenigsten werden sich das wohl ganz abgewöhnen können auch wenn sie schon 20 Jahre hier wohnen.
Sprache definiert also Gruppen innerhalb einer Gesellschaft. Dass damit eine gewisse Diskriminierung derjenigen, die "das Sagen haben" gegenüber denjenigen die mehr am Rande stehen einhergeht, halte ich für wahrscheinlich.
Man kann es - etwas verkürzt - so sehen, dass die Frauenemanzipation inzwischen so weit ist, dass sich die Frauen in der Spache als relevante Gruppe wiederfinden wollen. Und an anderer Stelle eben eine Menge anderer Gruppen die sich ebenfalls wiederfinden wollen. Es geht nicht so sehr um Diskriminierung sondern es ist ein allgemeiner emanzipatorischer Akt entsprechend dem Zeitgeist.
Das Dumme ist nur dass unsere deutsche Sprache so wie sie im Moment ist das nicht leisten kann. Und auch nicht will. Sowohl unsere Schriftsprache als auch die gesprochene Sprache sind sehr schwer wandelbar was die Grammatik angeht. Ich habe es vor einger Zeit schon mal geschrieben: Seit Einführung des ß und der Umlaute vor etwa 400 Jahren hat sich da gar nichts mehr getan. Anderes sieht es mit neuen Wörten und dem Wandel von Wortbedeutungen aus. Da herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Was aber gar nichts nutzt wenn es darum geht einem Substantiv eine Bedeutung zu geben die allein durch die Schreibweise erkennen lässt dass damit sowohl Männer als auf Frauen gemeint sind. Geschweige dann noch zusätzlich diverse Menschen. Das ist Grammatik. Das ist gesellschaftliches Fundament. Und jede Veränderung daran ist für sehr viele Menschen zunächst einmal "komisch" und "doof".
Scheitern ist vorprogrammiert. Man erinnere sich an die Rechtschreibreform vor etwa 20 Jahren und in ihrem Schlepptau der Versuch die Groß- und Kleinschreibung abzuschaffen. Grandios gescheitet. Da redet heute keiner mehr drüber.
Den Sternchen, Bindestrichen usw. droht ein ähnliches Schicksal. Das nur vermieden werden kann wenn der Druck zur Veränderung sehr lange aufrechterhalten wird und sich schließlich eine Mehrheit findet da mitzumachen.
Oder wenn es angeordnet wird. Was freilich nur bei der Schrift erfolgen kann, die gesprochene Sprache folgt ihren eigenen Gesetzen.
Wobei sich dann noch die Frage stellt was geändert werden soll und wie. Da gibt es ganz offenbar keine Patentlösung und keinen Königsweg und es sind nach wie vor überzeugende Lösungen gefragt.
Sonst bleibt vom ganzen Thema nur "die Studierenden" über. Das scheint sich durchgesetzt zu haben.