@BP1033 Schon wieder "die jungen Männer".
Hier ein paar erklärende Worte dazu exhumiert:
as mit den "jungen Männern" hatten wir doch schon oft genug diskutiert: Es sind deshalb so viele, weil die Strapazen einer Flucht, z.B. zu Fuss aus Eritrea oder sonstwo südlich der Sahara, oder aus Afghanistan, kaum von Frauen und kleinen Kindern zu bewältigen sind.
Im Regelfalle machen sich z. B. syrische Flüchtlingsfamilien mit Kind und Kegel (und Ehefrau), gern auch mit Oma und Opa zunächst ins Nachbarland auf. Deshalb kommt z.B. im Libanon auf vier Einheimische ein Flüchtling. (Na, wartet's ab, liebe Sachsen!) Dann schickt die Familie meist einen oder mehrere junge Männer als Scouts vor. So, wie es übrigens auch deutsche Auswanderer/Flüchtlinge in vergangenen Jahrhunderten getan haben. Was ist daran so unnormal?
Frauen und Kinder gehören entweder zu den "Binnenflüchtlingen", die in Syrien beispielsweise fast 8.000.000 Menschen zählen - oder sie schaffen es bis in die Lager in den Nachbarländern.
Die sechs größten Aufnahmeländer von Flüchtlingen
Türkei - 1,59 Millionen
Pakistan - 1,51 Millionen
Libanon - 1,15 Millionen
Iran - 982.400
Äthiopien - 659.500
Jordanien - 654.100
Länder mit den meisten Binnenvertriebenen
Syrien - 7,6 Millionen
Kolumbien - 6 Millionen
Irak - 3,6 Millionen
Demokratische Republik Kongo - 2,8 Millionen
Sudan - 2,1 Millionen
Südsudan - 1,5 Millionen
Somalia - 1,1 Millionen
Ukraine - 832.000
Alle Zahlen bis Ende 2014/www.uno-fluechtlingshilfe.de
Schon immer bei Migrationsbewegungen, übrigens auch deutschen, waren es zunächst die jungen, kräftigen, intelligenten Männer, die in die Fremde geschickt wurden, in der Hoffnung dass sie, haben sie erst Fuss gefasst, ihre Angehörigen nachholen können.
Vor Kurzem sprach ich mit einem Jungen aus Eritrea. Er erzählte mir seine Geschichte: Sie waren fünf Brüder. In Eritrea wirst Du schon mit Abschluss der Schule, ca. mit 14, zum Militär eingezogen. Als Junge und als Mädchen. Du unterstehst lebenslänglich diesem Militärdienst und musst dem Militär zur verfügung stehen, wenn Du nicht ohnehin in Militärcamps unter elendigen bedingungen hausen muss. Viele Fabriken gehören hohen Militärs. Da müssen die Dienstverpflichteten arbeiten. Wer fehlt, wird als Deserteur bestraft. Krank sein ist keine Ausrede. Lohn gibt es nicht, nur den kargen Sold. Du wirst dahin befohlen, wo Dich Deine Vorgesetzten am profitabelsten einsetzen können. Folgst Du nicht, landest Du im Militäknast incl. Folter - wenn sie Dich nicht gleich als Deserteur an die Wand stellen.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch bezeichnet Eritrea als ein einziges „gigantisches Gefängnis“.
Folglich hat die Familie alles zu Geld gemacht, was sie konnte und sich zusätzlich verschuldet, um ihren Kindern die Flucht zu ermöglichen. Die Ausreise ist illegal. Erwischen sie Dich: Knast oder Erschiessen. Zurückkehren kannst Du nie wieder. Dagegen war die DDR ja noch fast "human" zu nennen.
Um es kurz zu machen: Fünf sind geflohen - einer hat überlebt. Die anderen vier: Verschollen - seit rund einem Jahr ohne Lebenszeichen. Gefasst? Getötet? Verschleppt? Im Mittelmeer ertrunken? Er weiss es nicht - wird es nie erfahren. Aber Dich wird's vermutlich freuen: Vier Menschen weniger, denen Du "den Arsch pudern" musst.
Ich denke, bevor man über Flüchtlinge urteilt, sollte man zunächst mal mit einigen von ihnen gesprochen haben. Seit Jahresbeginn bin ich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe tätig. Ich habe im Laufe von sechzig Jahren schon so einiges an tragischen Schicksalen gehört und mitbekommen. Aber so manches, was ich in Gesprächen erfahre, toppt alles.
Jeder, der Unverständnis für Fluchtmotive äussert, sollte sich selbst einmal ganz ehrlich fragen, wie er sich in einer vergleichbaren Situation verhalten würde.
Und noch ein Blick zurück und in meine Heimat:
Die Bewohner Nordfrieslands mussten im Laufe der Geschichte oft ihr Land verlassen, weil es sie nicht ernähren konnte oder schlichtweg abgesoffen ist. Nach dem von Preussen gegen Dänemark gewonnen Krieg 1864 kam Nordfriesland zu Preussen. Damals sind junge Männer in Scharen - angeblich etwa 30 Prozent, aus Nordfriesland abgehauen, meist in die USA, weil Preussen, im Gegensatz zu Dänemark, für sie mehrjährige Wehrpflicht bereit hielt. Dann hätten sie ihre Familien nicht mehr unterstützen oder ernähren können. Also haben sie "rübergemacht" und, so seltsam es klingt, in Parallelgesellschaften z.B. in New York, gelebt und gearbeitet und haben mit dem verdienten Geld entweder ihre Familie daheim unterstützt oder für deren Nachzug gesorgt.
Da haben wir es wieder: Diese Nordfriesen: Alles Drückeberger!
Wer anderen Menschen "Feigheit" vorwirft, dem stelle ich die Frage, was sie/er in einer vergleichbaren Situation täte. Na, was tätest Du? "Dein Land" verteidigen, z. B. in Syrien? Auf wessen Seite und gegen wen? Auf der Seite des Regimes gegen die Rebellen? Auf der Seite seitenwechselnder Milizen? Beim IS? Für die Türken? Für die Russen? Für die Iraner? Für die Iraker? Gegen die Türken? Gegen die Russen? Gegen die Iraker? gegen die Iraner? Für oder gegen die Kurden? Für oder gegen die NATO?
Also los - entscheide Dich. In einem Bürgerkrieg wird man schnell vor eine Entscheidung gestellt. Pech, wenn es die falsche ist und der Mann am anderen Ende der Kala eigentlich eine andere Antwort von Dir hören wollte.
Viele geflüchtete junge Männer, beispielsweise aus Syrien oder dem Sudan hatten einfach keinen Bock, auf ihre Verwandten zu schiessen. Wer nicht gegen ein Regime kämpft, ist für dieses Regime. So oder so wird ihn eine Seite umlegen.
Meine Standardfrage an meine "besorgten Mitbürger" sei wiederholt: Was würdest Du tun?