Guten Abend
@allEs gibt sicher nicht so viele unter uns, die einen Mörder, Totschläger oder wie auch
immer man es nennen soll/kann, kennen.
Aber die meisten von uns haben darüber eine sehr deutliche Meinung.
Nämlich Unverständnis, Distanzierung, Abscheu... und noch viel radikalere
Ausdrücke und Meinungen.
Mit so einem Menschen möchte man es absolut nicht zu tun haben.
Doch ich denke, so "hart" urteilen kann man auch nur dann, wenn man nicht betroffen ist
und eben einfach niemanden mit solch einem Vorleben kennt.
Mein Denken war mal sehr ähnlich und ich war nicht die Letzte, die nach der Todesstrafe
gerufen hat. (Und für bestimmte Vergehen, wie Kindesmissbrauch usw. heiße ich es immer noch gut!)
Aber ich habe tatsächlich auch jemanden kennengelernt, der getötet hat.
Ich habe geheiratet und kurz darauf erfuhr ich von der Geschichte, es war ein sehr enger
Freund der angeheirateten Familie. Nun ja... im ersten Moment war es ein Schock.
"Was sind das für Leute, die einen Mörder zum Freund haben?!?!?!" ... waren meine Gedanken.
Ein junger Mann, 21 Jahre, Hochzeitstermin stand, es sollte sogar eine Doppelhochzeit werden
mit seinem besten Freund. Es war also alles fix.
Seine Verlobte hatte Abschlussball von der Schule, sie haben sich zu Hause dafür parat gemacht
und dann gab es einen Disput. Warum auch immer, sie gerieten in Streit, sie hat ihn ausgelacht,
verhöhnt und ihm mitgeteilt, dass sie ihn nicht mehr heiraten werde, weil es einen anderen gäbe.
Er ist ausgetickt und hat sie mit einem Küchenmesser erstochen, es waren glaube ich 27 Stiche...
Ich schreibe es jetzt so aus meiner Erinnerung, Zeitungsartikel gibt es nicht online, da es einfach
viel zu lange her ist...
Er hat sich selbst gestellt, hat ca. 7 Jahre abgesessen und ist wegen guter Führung entlassen worden. Nach seiner Entlassung ist er ins Ausland gegangen, arbeitet in der Reisebranche.
Das Ganze ist Anfang der 1970er passiert. Ende der 1980er erfuhr ich davon und ca. 10 Jahre später habe ich diesen Mann persönlich kennengelernt. Mir war es mulmig und ich hatte anfangs auch etwas Angst vor ihm.
Aber er war ein vollkommen "normaler" Typ, super nett und total sympathisch!
Ich mochte ihn wirklich und konnte im Laufe der Zeit seine Vergangenheit "vergessen".
Sorry, kann ich leider nicht anders sagen.
Mein Mann und ich hatten einige Jahre einen sehr regen Kontakt mit ihm, er hat uns mehrmals
in Deutschland besucht. Meine Familie und Freunde haben ihn kennengelernt, wussten von seiner
Vergangenheit... er kam bei allen sehr positiv an!
Ich möchte damit nicht sagen, dass seine Tat von damals nachvollziehbar ist.
Und von den Betroffenen mal ganz zu schweigen. Es gibt keine Entschuldigung für seine Tat.
Aber letztendlich war es ein Mensch, der das getan hat.
"Sicherung durchgebrannt"... so nennt man es wohl.
So, das ist jetzt ganz subjektiv von meiner Seite so empfunden.
Aber ich kann natürlich nicht ungeachtet lassen, dass ich von der Familie der damaligen Verlobten
niemanden kenne bzw. auch nur eine einzige Meinung gehört habe...
Geschweige denn, wie sie gefühlt haben oder immer noch fühlen.
Und um das noch mal zu unterstreichen... auch wenn ich den Täter kenne und ihn nett fand,
heißt das noch lange nicht, dass ich seine Tat für gerechtfertigt halte. Denn das ist sie NIEMALS!
Ich gedenke dem Opfer und ihren Angehörigen! Es ist 40 Jahre her...
aber bei bestimmten Erlebnissen heilt die Zeit eben keine Wunden.
Gute Nacht
@all