@BiernotWas du beschreibst, klingt leider sehr vertraut – auch wenn es einen zunächst sprachlos macht. Ich habe 1983 ein Sozialpraktikum in einem Camphill gemacht, um die Zulassung zum Studienkolleg an einer Waldorfschule zu bekommen. Was ich dort erlebt habe, hat mich bis heute geprägt.
Ein Beispiel, das mir nie aus dem Kopf gegangen ist:
Ein etwa 15-jähriger Junge mit Prader-Willi-Syndrom – nennen wir ihn Aleister – war in unserer Wohngruppe. Er war geistig wach, aber hatte ständig Hunger, was Teil seines Syndroms ist.
Nach der sogenannten „Handlung für Kinder“ am Samstag war der Kiosk im Haus kurz geöffnet. Aleister hatte getrödelt – oder aus Sicht der Betreuer zu langsam reagiert – und man machte ihm den Kiosk vor der Nase zu.
Seine Reaktion: Er nahm Anlauf und rannte eine vier Zentimeter dicke Eichentür mit voller Wucht ein. Kein Schreien, kein Toben – einfach eine verzweifelte, fast ritualhafte Handlung.
Ich erinnere mich daran nicht wegen der Tür, sondern wegen der Reaktion der Betreuer: kein Mitgefühl, keine Reflexion, sondern die fast schuldbewusste Erklärung, das müsse „er eben lernen“.
Das zeigt aus meiner Sicht, was in solchen Strukturen grundsätzlich falsch läuft: Der Wille des Menschen, selbst wenn er behindert oder emotional belastet ist, wird in ein ideologisches Raster gezwängt. Und wenn er nicht passt, wird er „geführt“.
Was nach außen wie Fürsorge aussieht, ist oft subtile Kontrolle, verbunden mit Schuldzuweisung im Gewand von Pädagogik.
Deine Sorge ist absolut berechtigt. Und du bist nicht allein damit.